Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Erinnerung an das Dorfleben in den 1950ern
Es ist eine ungewöhnliche Präsentation, die ab Sonntag im Museum der niederrheinische Seele zu sehen ist. Margarete Schopen-Richter zeigt Artefakte, die sie vor dem Abriss ihres Heimatdorfs Otzenrath gesichert hat. Zeitgleich gibt die Künstlerin ein Buch mit 60 bewegenden und heiteren Episoden aus ihrer Kindheit heraus.
GREVENBROICH „Jömmich nee“, so pflegte ihre Großmutter stets zu stöhnen, wenn ihr etwas mächtig gegen den Strich ging. Diesen nicht selten gehörten Stoßseufzer hat Margarete Schopen-Richter bis heute nicht vergessen, er ist eng mit ihrer Kinder- und Jugendzeit verbunden. Die hat die heute 71-Jährige in einem Dorf verbracht, das längst von der Landkarte verschwunden ist: Otzenrath. Wie es dort früher war, bevor die Braunkohlebagger kamen, hat die Künstlerin aufgeschrieben. Ihr soeben erschienenes Buch mit 60 kleinen, berührenden, heiteren und persönlichen Geschichten aus einer verschwundenen Heimat trägt den Titel „Jömmich nee“. Und so heißt auch ihre Ausstellung, die ab Sonntag, 12 Uhr, im Museum zu sehen ist.
Margarete Schopen-Richter ist eine Sammelnde – oder vielmehr eine Bewahrende. Als ihr Ort dem Untergang geweiht war und der Abriss der alten Häuser kurz bevorstand, hat sie die verwaisten Straßen durchstreift, auf der Suche nach Relikten aus der Vergangenheit. „Viele Dinge, die etwas mit der Geschichte meines Dorfs und seiner Bewohner zu tun hatten, waren auf dem Sperrmüll gelandet und drohten für immer und ewig zu verschwinden“, schildert die Grevenbroicherin.
Weil ihr das im Herzen weh tat, hat sie damals so viele Artefakte wie möglich gesichert, die sie bis heute in ihrem „Hausmuseum“aufbewahrt. Einen Teil ihrer Sammlung hat Margarete Schopen-Richter nun in der Villa Erckens in Form von Collagen und Installationen ausgestellt – sie alle stehen in einem engen Zusammenhang mit ihrem ersten
Buch, das sie schon lange im Kopf hatte, aber nun endlich – mit Unterstützung von Stadt und Sparkassenstiftung – herausgeben kann.
Die Künstlerin berichtet in ihren Erinnerungen von den Lebensumständen in den 1950er Jahren. Sie erzählt von Orten und Plätzen, die es längst nicht mehr gibt, von der ur-evangelischen Familie, in der sie aufwuchs, vom elterlichen Bauernhof und vom Vater, der offenbar unter einem Kriegstrauma litt. „Aber darüber wurde nie gesprochen. Der Krieg war in den meisten Familien kein Thema“, sagt Schopen-Richter.
In ihrem Buch wird eine Vergangenheit wieder lebendig, die nicht immer rosig war. Die Autorin bringt den „weißen Strich“in Erinnerung, der den Otzenrather Schulhof in eine evangelische und katholische Zone unterteilte, sie berichtet von der Demütigung einer öffentlichen Rüge im Kindergarten und vom tadelnden Blick der Oma, die ihrer vorlauten Enkelin oftmals unversöhnlich gegenüberstand. „Jömmich nee“, der beim lauten Ausatmen auf „Utzerother Platt“artikulierte Seufzer der alten Dame klingt ihr heute noch in den Ohren. Herrjemine!
Schopen-Richter berichtet aber auch über unbeschwerte Momente des Dorflebens. Etwa wenn es selbst gebackene, mit „Klatschkies“(Quark) und „Kruut“(Rübenkraut) belegte Brote nach dem Einbringen der Ernte gab, wenn sich die Bauern auf dem Hof zum Skat trafen, und wenn der Vater beim Weihnachtsfest aus vollem Herzen „O, du fröhliche“sang.
In der bis zum 5. März dauernden Ausstellung wird die Autorin mehrere Lesungen anbieten – in ihrer Sammlung, die ihre Schilderungen noch lebendiger werden lässt.