Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Philipp Poisel und die Einsamkeit auf der Bühne

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

KÖLN Wie muss sich dieser 39-Jährige fühlen, der da ganz alleine mit seiner Gitarre auf die Bühne der riesigen Halle in Köln tritt – die noch viel riesenhaft­er wirkt, weil sie nur zu rund einem Viertel gefüllt ist? Denn zum Konzert von Philipp Poisel kamen „nur“3500 Menschen.

Man kann sich also vorstellen, dass da eine Last liegt auf seinen Schultern. Aber wenn sie es tut, dann lässt er es sich nicht anmerken. Seinen ersten Song „Halt mich“, der genauso heißt wie ein großer Hit seines Mentors Herbert Grönemeyer, singt er mit gebrochene­r Stimme. Die Worte klingen so zerbrechli­ch, als könnten sie auf dem Weg von der Bühne bis zum Ohr der Fans zerfallen und mit dem Wind aus der Lüftungsan­lage aus Versehen woanders hinwehen.

Diese Zerbrechli­chkeit, zur Schau gestellte Liebes-Verzweiflu­ng, dieses unbändige Sehnen ist bei Poisel seit jeher künstleris­ches Programm. Es scheint also alles in Ordnung mit ihm in der leeren Halle in Köln, die er mit keinem Wort thematisie­rt. „Schön, dass ihr so zahlreich gekommen seid – und so schön“, nuschelt er im Gegenteil im Duktus seiner Songtexte die erste Zwischenan­sage, „das wird fett!“

Und das wird es wirklich. Nicht, was die Bühnenshow angeht: Die zwei Podeste für die Keyboards und Schlagzeug und der beleuchtet­e Vorhang hätten samt Zuschauern auch in eine wesentlich kleinere Halle gepasst – zum Beispiel das Palladium. „Fett“im Sinne von toll aber ist, wie der Sänger und Songwriter schnell ein Gemeinscha­ftsgefühl kreiert, vergessen lässt, wie weit weg er für die meisten da vorne steht. Er kommt ihnen nah durch seine Worte und Lieder.

Bei „Wie soll ein Mensch das ertragen“überlässt er das Singen fast komplett den Fans, tigert derweil zwischen seinen Musikern herum. Und damit ist er vielleicht der sympathisc­hste Arbeitsver­weigerer der deutschen Musiklands­chaft.

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