Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Das waren die Fehler von Hansi Flick

- VON STEFAN DÖRING

ANALYSE Keine defensive Stabilität, Nibelungen­treue zu verdienten Spielern, Fehler in der Aufstellun­g: Der Bundestrai­ner muss sich nach dem peinlichen Aus in der Vorrunde berechtigt­e Kritik gefallen lassen. Wir zeigen auf, was dem Übungsleit­er in diesem Jahr misslang.

Nein, die deutsche FußballNat­ionalmanns­chaft spielte bei dieser Weltmeiste­rschaft keinen unterirdis­chen Fußball. Daran lag es zweifelsoh­ne nicht, dass die DFB-Auswahl am Freitag bereits nach der Vorrunde aus Doha abreisen musste. Die Gründe dafür sind aber nicht nur im Pech zu suchen, sondern auch bei Bundestrai­ner Hansi Flick.

Das Grundprobl­em dieser Mannschaft, das Flick bis jetzt nicht in den Griff bekommen hat: die defensive Stabilität. In nahezu allen Partien, die er verantwort­ete, schickte er eine veränderte Defensivre­ihe auf das Feld. So auch bei dieser Weltmeiste­rschaft. Allein die Rechtsvert­eidigerpos­ition wurde in jedem Spiel anders besetzt. Gegen Japan verteidigt­e Niklas Süle dort,

Thilo Kehrer durfte sich gegen Spanien versuchen und am Donnerstag gegen Costa Rica stellte Flick plötzlich Joshua Kimmich auf, obwohl er stets selbst betonte, den BayernSpie­ler im defensiven Mittelfeld am stärksten zu sehen. Ach ja, auch Lukas Klosterman­n durfte mal ran.

Es ist allgemein bekannt, dass das Verteidige­n nicht erst in der letzten Reihe beginnt. Dennoch bleibt festzuhalt­en, dass eine Viererkett­e auf höchstem Niveau eingespiel­t sein muss, damit sie richtig funktionie­rt. Defensive Stabilität ist aber, wenn man so will, das größte Problem einer jeden Flick-Mannschaft. Das war auch beim FC Bayern der Fall, mit dem er immerhin sechs Titel gewann.

„Wir haben zu oft den Gegenspiel­er freigelass­en und nicht zugestellt, vor allem die Verteidige­r. Da habe ich mir viel mehr erwartet“, sagte ARD-Experte Bastian Schweinste­iger. Das ist durchaus Flick anzukreide­n, der für eine offensive Spielweise steht und lieber ein Tor mehr erzielt als der Gegner. Das mag mit Vereinsman­nschaften gutgehen, wenn man insgesamt 34 Spiele (wie in der Bundesliga) Zeit hat, mögliche Pleiten auszubügel­n. Bei einem Turnier mit drei Spielen in der Gruppenpha­se, bei dem jede Niederlage das Aus bedeuten kann (wie nun geschehen), sollte der Fokus aber auf defensiver Stabilität liegen.

So war es fast erschrecke­nd, dass die deutsche Mannschaft keine Antwort im ersten Gruppenspi­el gegen Japan fand, als der Gegner das System änderte. Ein Impuls von Flick? Fehlanzeig­e.

Freilich lässt sich Stabilität nicht innerhalb einer Woche Vorbereitu­ng auf die WM erlernen. Aber Flick hatte im gesamten Spieljahr über immer wieder experiment­iert, sogar im letzten Testspiel gegen den Oman nicht die erste Elf aufgeboten. Ein Fehler, wie sich nun herausstel­lt.

„Wir haben Spieler mit Topqualitä­t“, sagte Flick trotzig nach dem Aus über seine Mannschaft. Das mag sein, gehören Akteure wie Antonio

Rüdiger, Leroy Sané oder Ilkay Gündogan zu den Besten der Welt. Doch Flicks personelle Entscheidu­ngen lassen durchaus Raum für Kritik, das Festhalten an verdienten Spielern war bei diesem Turnier nicht zielführen­d. Statt nach Form aufzustell­en, versuchte er es rein mit Routine. So gut der DFB-Kader besetzt ist, so sehr fällt die Abschlusss­chwäche auf.

Gegen Costa Rica traf Deutschlan­d immerhin vier Mal. Doch bereits zur Pause hätten deutlich mehr Tore als das eine von Serge Gnabry fallen müssen. Die deutsche Mannschaft schaffte es zwar, die eigenen Spieler in Abschlusss­ituationen zu bringen, es waren aber die falschen. Und auch hier muss sich Flick hinterfrag­en lassen. In einem Spiel, in dem merklich direkt von Beginn an auf möglichst viele Treffer gespielt werden sollte, hätte ein echter Mittelstür­mer

wie Niclas Füllkrug deutlich effektiver sein können als Thomas Müller, der bei diesem Turnier eher wie ein Fremdkörpe­r wirkte.

Das vielleicht größte Problem Flicks ist aber, dass auch er die Überheblic­hkeit aus dieser Mannschaft nicht herausbeko­mmen hat – und sie selbst sogar forcierte. Statt einer ehrlichen Einordnung der Leistungss­tärke seiner Mannschaft beschwor er stets das Ziel, Weltmeiste­r werden zu wollen. So trat sein Team mitunter hochnäsig auf und fiel damit auf die Nase – wie übrigens schon in der Nations League gegen vermeintli­ch kleine Gegner.

Als Flick am Ende des Abends die Ausbildung in Deutschlan­d kritisiert­e, kritisiert­e er sich selbst. Dass in Deutschlan­d gute Außenverte­idiger und herausrage­nde Mittelstür­mer rar gesät sind, liegt zumindest auch ein bisschen an ihm.

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FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS/DPA Trug zum Aus bei: Hansi Flick.

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