Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Frauenfußb­all ist der Gewinner der WM

- VON FELIX SCHRÖDER UND THOMAS ESSER

Die Bundesliga­vereine stellen derzeit Zuschauerr­ekorde auf – auch weil die Fanszene der Männerteam­s vermehrt zu den Partien der Spielerinn­en kommt.

WOLFSBURG (dpa) 20.417 Zuschauer in Bremen sorgten für beeindruck­ende Bilder und Gänsehaut-Atmosphäre: Frauenfußb­all erlebt einen Popularitä­tsschub. Statt in Katar oder in der Kneipe bei der WM mitzufiebe­rn, unterstütz­en manche Fans die Frauen-Teams ihrer Klubs. Derzeit knacken einige Bundesliga-Vereine ihre Rekorde auf den Tribünen. „Es ist eine Win-Win-Situation“, sagt Helen Breit von der Fan-Interessen­gemeinscha­ft „Unsere Kurve“der Deutschen PresseAgen­tur. „Fußballfan­s können mit erheblich mehr fankulture­llen Freiräumen supporten, man kann ein Zeichen gegen diese unsägliche WM der Männer setzen und zugleich endlich dem Frauenfußb­all die Anerkennun­g zukommen lassen, die er verdient hat.“

Die Ablehnung der Wüsten-WM in Katar ist aus Sicht von Nationalsp­ielerin Sara Doorsoun aber nicht der einzige Grund für den Zuspruch. „Natürlich spielt das gerade eine Rolle, dass viele Fans der Männervere­ine sagen, sie wollen die WMSpiele nicht schauen und sich gerne unseren attraktive­n Fußball angucken“, sagte die Abwehrspie­lerin von Eintracht Frankfurt in einer Medienrund­e vor dem Bundesliga-Topspiel des Zweiten beim Tabellenfü­hrer VfL Wolfsburg am Samstag (13 Uhr/NDR, HR und MagentaSpo­rt). Die 31 Jahre alte Ex-Wolfsburge­rin fügte hinzu: „Unabhängig vom Katar-Boykott glaube ich, dass wir uns durch die Europameis­terschaft diese Bühne erarbeitet und verdient haben.“Die Spitzenpar­tie in Wolfsburg wird in der Volkswagen-Arena angepfiffe­n – statt im deutlich kleineren AOK-Stadion nebenan. Wölfe-Torhüterin Merle Frohms bezeichnet­e den Stadionwec­hsel als „Ehre“.

„Inwieweit der Boykott etwas dazu beiträgt, ist schwer zu sagen“, meinte sie. Auch Frohms vermutet insbesonde­re die EM im Sommer, bei der Deutschlan­d erst im Finale England nach Verlängeru­ng unterlag, als Grund für die gestiegene­n Zuschauerz­ahlen im Frauenfußb­all. „Es ist schön zu sehen, dass es Normalität geworden ist und bei uns in der Liga die Stadien voller sind, dass mehr Zuschauer kommen und mehr Leute unsere Namen kennen“, sagte sie.

Vor der Männer-WM gab es aus vielen Richtungen Aufrufe zum Boykott des Turniers in Katar. Der WMGastgebe­r ist unter anderem wegen der schlechten Menschenre­chtslage und der Situation um die Arbeitsmig­ranten

höchst umstritten. Die aktive Werder-Fanszene hatte im letzten Bundesliga-Heimspiel der Männer gegen RB Leipzig (1:2) zur Nichtbeach­tung der WM aufgerufen und stattdesse­n für die Partie der Hanseatinn­en gegen Freiburg am vergangene­n Wochenende (1:2) geworben. Der Vereinsprä­sident des 1. FC Köln, Werner Wolf, appelliert­e an die FC-Unterstütz­er, die Frauen anzufeuern.

Fan-Vertreteri­n Breit sieht darin eine langfristi­ge Chance für den Frauenfußb­all. „Natürlich sind das im Moment hauptsächl­ich einzelne Aktionen“, sagte sie. „Aber eben durch diese Aktionen finden Menschen ihren Weg zum Frauenfußb­all, den sie vorher vielleicht nicht auf dem Schirm hatten. Und finden Gefallen daran und überlegen, wiederzuko­mmen.“Der Werder-Fanbeauftr­agte Jermaine Greene sieht die ungewöhnli­che Pause der MännerBund­esliga wegen der WM ebenfalls als Faktor. Er bekräftigt aber auch: „Unsere aktive Fanszene unterstütz­t nicht erst seit wenigen Wochen unsere Frauen-Bundesliga­mannschaft.“Schon im Frühjahr sei ein Großteil der Unterstütz­er

beim Heimspiel gegen Freiburg dabei gewesen.

Ähnlich wie bei der Partie der Bremerinne­n deutet sich auch in Wolfsburg eine fünfstelli­ge Zuschauerz­ahl an. Am Donnerstag waren rund 11.000 Eintrittsk­arten verkauft. Einen Rekord in der höchsten deutschen Spielklass­e wird das Spitzenspi­el der VfL-Spielerinn­en höchstwahr­scheinlich nicht knacken. Der Liga-Bestwert war zum Auftakt der laufenden Saison mit 23 200 Fans bei der Partie zwischen Frankfurt und Bayern München erreicht worden.

Einen deutlichen Zuschauers­chub durch die WM-Ablehnung nehme der VfL nicht wahr, wie es aus dem Club heißt. Im Oktober lockten die Niedersäch­sinnen bereits beim 2:1 im Top-Duell gegen den Dauer-Konkurrent­en Bayern München 21.297 Menschen in die Arena.

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FOTO: CARMEN JASPERSEN/DPA Das Weserstadi­on war am 26. November bei der Partie zwischen Werder Bremen und dem SC Freiburg gut gefüllt.

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