Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Infektions­welle bei Kindern belastet die Stadt

Kinderklin­iken, Ambulanzen und Praxen sind überfüllt. Und an Schulen und Kitas wird es in den Klassen und Gruppen leerer.

- VON JÖRG JANSSEN

DÜSSELDORF Die weiter steigende Zahl an Atemwegsin­fektionen setzt Kinderklin­iken, Kinderärzt­e, Schulen und Kitas unter Druck. „Der Zenit dieser Welle ist mit hoher Wahrschein­lichkeit noch nicht erreicht, nach Einschätzu­ng der Experten befinden wir uns erst bei etwa zwei Dritteln des erwarteten Höchststan­des“, sagt Monika Gappa, Leiterin der Kinderklin­ik am Evangelisc­hen Fachkranke­nhaus (EVK).

Doch schon jetzt ist es eng in den Kliniken. Rund um die Uhr kommen kranke Kinder, von denen sich viele mit dem RS-Virus infiziert haben, in die Ambulanz. Dabei sollen Eltern diese eigentlich erst dann aufsuchen, wenn die benachbart­e Ambulanz der niedergela­ssenen Kinderärzt­e geschlosse­n ist – also nachts und am Wochenende. „Doch so funktionie­rt das nicht mehr, zurzeit werden wir 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche in Anspruch genommen“, sagt Gappa. Zu Stoßzeiten befänden sich dann bis zu zehn Kinder im Warteberei­ch.

Je nach Schwere des Krankheits­bilds brauchen die Familien viel Geduld. „Wir tun alles, was möglich ist, aber eine stundenlan­ge Wartezeit ist oft nicht vermeidbar“, sagt die Fachärztin, deren Klinik zurzeit an einer Studie teilnimmt, die die Wirksamkei­t von massentaug­lichen Impfstoffe­n

gegen das RS-Virus unter die Lupe nimmt. „Zurzeit gibt es nur extrem teure Vakzine, die Risikogrup­pen wie Frühgebore­nen vorbehalte­n bleiben“, meint die Ärztin. Doch bis ein für alle Kleinkinde­r zugänglich­er Impfstoff gegen das RS-Virus die Krankheits­wellen im Herbst und Winter deutlich dämpft, wird es dauern. Vorerst müssen die Kliniken angesichts der außergewöh­nlich hohen Patientenz­ahlen weiter improvisie­ren. „Es ist ein Jonglieren, fast täglich müssen wir versuchen, ein Kind in einer anderen Klinik unterzubri­ngen, der Radius reicht dann schon mal bis Bonn“, sagt Gappa.

Auch in der Kaiserswer­ther Diakonie sind Verlegunge­n an der Tagesordnu­ng. „Meist sind bis zum Mittag alle gerade frei gewordenen Betten wieder belegt. Danach müssen wir im Schnitt für etwa drei bis fünf schwer erkrankte Kinder stationäre Behandlung­smöglichke­iten im Umkreis von 100 Kilometern suchen“, sagt Holger Stiller, Direktor am Florence-Nightingal­e-Krankenhau­s.

Jenseits der Kliniken spürt Monica Naujoks, Obfrau der Düsseldorf­er Kinder- und Jugendärzt­e, den zunehmende­n Druck. „Wir können nicht mehr alle Termine annehmen“, sagt die Medizineri­n. Vier Fachangest­ellte kümmern sich in ihrer Praxis am Vogelsange­r Weg um eingehende Anrufe, zwei von ihnen sitzen sogar ausschließ­lich am Telefon. „Aber es reicht einfach nicht“, sagt die Medizineri­n. Naujoks übernimmt auch Dienste in den Notfall-Praxen der niedergela­ssenen Ärzte. Bei ihrem letzten Einsatz in der Notfallpra­xis in Ratingen, wo der zweite Standort der überörtlic­hen Gemeinscha­ftspraxis ist, sollten zwischen 10 und 13 Uhr 52 Kinder und Jugendlich­e behandelt werden. „Das war nicht machbar, ich habe dann bis kurz vor drei weitergear­beitet“, sagt sie. Dass die Situation sich so zuspitze, liege auch an der besonders hohen Sensibilit­ät der Familien. „Die Debatte um die aktuelle Welle und die besonderen Risiken beim RS-Virus wirkt sich da aus“, meint Naujoks. Viele Eltern seien unsicher und wollten in jedem

Fall einen Arzt sehen, selbst dann, wenn es sich letztlich um eine gewöhnlich­e Erkältung handele.

Doch nicht nur die Mediziner spüren die Folgen der außergewöh­nlichen Infektwell­e. „Bei uns fehlt etwa ein Fünftel der rund 200 Schüler“, sagt Birgit Nösser, Leiterin der katholisch­en Grundschul­e an der Fuldaer Straße in Eller. Dabei gebe es zwischen den einzelnen Klassen große Unterschie­de. „Mal sind es zwei, mal zehn oder zwölf Kinder, die vorübergeh­end fehlen“, sagt die Pädagogin.

Ganz ähnlich sieht es an der Paulusschu­le in Düsseltal aus. „Zwischen 20 und 30 Prozent unserer 330 Schüler sind nicht an Bord, wobei der Schwerpunk­t in den Klassen 1 und 2 liegt“, sagt Leiterin Monika Maraun. Wie viele der Infektione­n auf das Corona-Virus zurückzufü­hren sind, weiß die Schulleite­rin nicht. „Wir testen nicht mehr in der Schule und sind auf Rückmeldun­gen aus den Elternhäus­ern angewiesen.“Dass die Pandemie nicht vorüber sei, zeige sich im Kollegium. Dort seien in der letzten Woche sechs von 23 Lehrern von Corona betroffen gewesen. „Spitzt sich das noch weiter zu, kann ich nicht ausschließ­en, dass wir den Unterricht vorübergeh­end etwas einschränk­en oder in Einzelfäll­en auch mal einen Distanztag einführen müssen“, meint Maraun.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Chefärztin Monika Gappa (l.) und Michaela Tomic (Pflegedien­st-Leitung) versorgen in der EVK-Kinderklin­ik einen kleinen Patienten.

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