Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Infektionswelle bei Kindern belastet die Stadt
Kinderkliniken, Ambulanzen und Praxen sind überfüllt. Und an Schulen und Kitas wird es in den Klassen und Gruppen leerer.
DÜSSELDORF Die weiter steigende Zahl an Atemwegsinfektionen setzt Kinderkliniken, Kinderärzte, Schulen und Kitas unter Druck. „Der Zenit dieser Welle ist mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nicht erreicht, nach Einschätzung der Experten befinden wir uns erst bei etwa zwei Dritteln des erwarteten Höchststandes“, sagt Monika Gappa, Leiterin der Kinderklinik am Evangelischen Fachkrankenhaus (EVK).
Doch schon jetzt ist es eng in den Kliniken. Rund um die Uhr kommen kranke Kinder, von denen sich viele mit dem RS-Virus infiziert haben, in die Ambulanz. Dabei sollen Eltern diese eigentlich erst dann aufsuchen, wenn die benachbarte Ambulanz der niedergelassenen Kinderärzte geschlossen ist – also nachts und am Wochenende. „Doch so funktioniert das nicht mehr, zurzeit werden wir 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche in Anspruch genommen“, sagt Gappa. Zu Stoßzeiten befänden sich dann bis zu zehn Kinder im Wartebereich.
Je nach Schwere des Krankheitsbilds brauchen die Familien viel Geduld. „Wir tun alles, was möglich ist, aber eine stundenlange Wartezeit ist oft nicht vermeidbar“, sagt die Fachärztin, deren Klinik zurzeit an einer Studie teilnimmt, die die Wirksamkeit von massentauglichen Impfstoffen
gegen das RS-Virus unter die Lupe nimmt. „Zurzeit gibt es nur extrem teure Vakzine, die Risikogruppen wie Frühgeborenen vorbehalten bleiben“, meint die Ärztin. Doch bis ein für alle Kleinkinder zugänglicher Impfstoff gegen das RS-Virus die Krankheitswellen im Herbst und Winter deutlich dämpft, wird es dauern. Vorerst müssen die Kliniken angesichts der außergewöhnlich hohen Patientenzahlen weiter improvisieren. „Es ist ein Jonglieren, fast täglich müssen wir versuchen, ein Kind in einer anderen Klinik unterzubringen, der Radius reicht dann schon mal bis Bonn“, sagt Gappa.
Auch in der Kaiserswerther Diakonie sind Verlegungen an der Tagesordnung. „Meist sind bis zum Mittag alle gerade frei gewordenen Betten wieder belegt. Danach müssen wir im Schnitt für etwa drei bis fünf schwer erkrankte Kinder stationäre Behandlungsmöglichkeiten im Umkreis von 100 Kilometern suchen“, sagt Holger Stiller, Direktor am Florence-Nightingale-Krankenhaus.
Jenseits der Kliniken spürt Monica Naujoks, Obfrau der Düsseldorfer Kinder- und Jugendärzte, den zunehmenden Druck. „Wir können nicht mehr alle Termine annehmen“, sagt die Medizinerin. Vier Fachangestellte kümmern sich in ihrer Praxis am Vogelsanger Weg um eingehende Anrufe, zwei von ihnen sitzen sogar ausschließlich am Telefon. „Aber es reicht einfach nicht“, sagt die Medizinerin. Naujoks übernimmt auch Dienste in den Notfall-Praxen der niedergelassenen Ärzte. Bei ihrem letzten Einsatz in der Notfallpraxis in Ratingen, wo der zweite Standort der überörtlichen Gemeinschaftspraxis ist, sollten zwischen 10 und 13 Uhr 52 Kinder und Jugendliche behandelt werden. „Das war nicht machbar, ich habe dann bis kurz vor drei weitergearbeitet“, sagt sie. Dass die Situation sich so zuspitze, liege auch an der besonders hohen Sensibilität der Familien. „Die Debatte um die aktuelle Welle und die besonderen Risiken beim RS-Virus wirkt sich da aus“, meint Naujoks. Viele Eltern seien unsicher und wollten in jedem
Fall einen Arzt sehen, selbst dann, wenn es sich letztlich um eine gewöhnliche Erkältung handele.
Doch nicht nur die Mediziner spüren die Folgen der außergewöhnlichen Infektwelle. „Bei uns fehlt etwa ein Fünftel der rund 200 Schüler“, sagt Birgit Nösser, Leiterin der katholischen Grundschule an der Fuldaer Straße in Eller. Dabei gebe es zwischen den einzelnen Klassen große Unterschiede. „Mal sind es zwei, mal zehn oder zwölf Kinder, die vorübergehend fehlen“, sagt die Pädagogin.
Ganz ähnlich sieht es an der Paulusschule in Düsseltal aus. „Zwischen 20 und 30 Prozent unserer 330 Schüler sind nicht an Bord, wobei der Schwerpunkt in den Klassen 1 und 2 liegt“, sagt Leiterin Monika Maraun. Wie viele der Infektionen auf das Corona-Virus zurückzuführen sind, weiß die Schulleiterin nicht. „Wir testen nicht mehr in der Schule und sind auf Rückmeldungen aus den Elternhäusern angewiesen.“Dass die Pandemie nicht vorüber sei, zeige sich im Kollegium. Dort seien in der letzten Woche sechs von 23 Lehrern von Corona betroffen gewesen. „Spitzt sich das noch weiter zu, kann ich nicht ausschließen, dass wir den Unterricht vorübergehend etwas einschränken oder in Einzelfällen auch mal einen Distanztag einführen müssen“, meint Maraun.