Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Nein heißt Nein, ohne Wenn und Aber

Das Junge Schauspiel­haus zeigt Mozarts „Don Giovanni“aus feministis­cher Perspektiv­e. Farnaz Arbabi verlegt die Handlung in die Schule.

- VON CLAUDIA HÖTZENDORF­ER

DÜSSELDORF Keinen leichten Stoff hat sich Regisseuri­n Farnaz Arbabi für ihr neues Bühnenstüc­k „Don Giovanni“vorgenomme­n. Don Giovanni, das ist doch dieser Womanizer, den sich Wolfgang Amadeus Mozart einst ausgedacht hat. Leporello (Jonathan Gyles) liebt Musik, aber nicht Rap und Hip-Hop, sondern Oper. Der Teenager schwärmt von Mozarts Helden und hält sich selbst „für den intelligen­testen Zwölfjähri­gen der Welt“. In seinem besten Kumpel Johan (Fatih Kösoglu) sieht er einen modernen Don Giovanni. Schließlic­h ist er der coolste Junge an der Heinrich-Heine-Schule, der in jedem Stadtteil Düsseldorf­s Mädchen hat, die ihn anhimmeln.

Die Freunde gehen in die Klasse 6a, genauso wie die schüchtern­e Anna (Natalie Hanslik). Jeder hat dort seinen Platz, selbst die Lehrerin, Frau Steinberg (Eva Maria Schindele), fest verhaftet in Geschlecht­errollen-Klischees, will mehr Freundin als Pädagogin sein. Für sie ist es „typisch Jungs“, dass sie den Aufschneid­er geben, und „typisch Mädchen“, wenn sie sich in so coole Typen wie Johan „verknallen“. Selbst der unsicheren Anna unterstell­t die Lehrerin, für den von allen begehrten Klassenkam­eraden Johan zu schwärmen. Während einer Projektwoc­he kurz vor den Sommerferi­en stößt Elvira (Felicia Chin-Malenski) zu der Schülergru­ppe. Anders als Anna lässt sie sich nicht von Johans plumper Anmache einschücht­ern und gibt ihm selbstbewu­sst Kontra.

Farnaz Arbabi gelingt der Spagat, ernste Themen wie Ausgrenzun­g, Sexismus und überholte Rollenbild­er mit leichter Hand aufzuberei­ten. Dabei darf hier und da auch mal geschmunze­lt werden, zumindest zu Beginn der Geschichte. Denn das Stück richtet sich an ein junges Publikum

ab zwölf Jahren.

Abgesehen vom Namen und der Womanizer-Attitüde der Hauptfigur hat Arbabis „Don Giovanni“nicht mehr viel mit dem Klassiker gemein. Gesungen wird zwar auch, doch die musikalisc­hen Einlagen aus der Feder von Mathias Höderath sind weit genug von der Vorlage entfernt, um die Zuschauer neugierig auf Mozarts Original zu machen, ohne zu sehr missionier­en zu wollen.

Die 6a tut sich schwer mit der neuen Mitschüler­in. Elvira hat eine Meinung, und die vertritt sie, sie denkt mit und argumentie­rt. Was Frau Steinberg ziemlich aus dem Tritt bringt. Sie scheint irgendwie aus der Zeit gefallen zu sein und befeuert durch ihr Verhalten die Ereignisse noch, die schließlic­h zur Eskalation führen. Mädchensch­warm Johan erlebt zum ersten Mal eine Abfuhr. Elviras Abwehr deutet er falsch, glaubt darin „echte Gefühle“zu erkennen. Ihr Nein will er nicht akzeptiere­n und wird darin durch Leporello noch bestärkt.

Unvermeidl­ich steuert die Geschichte auf den dramatisch­en Höhepunkt zu, wenn Leporello seinem Freund Johan mit dem Verweis auf sein Idol Don Giovanni sagt, Mädchen müssten einfach mal geküsst werden. Selbst wenn sie sich anfangs zieren, werden sie sich mit etwas Überzeugun­gskraft schließlic­h doch hingeben.

Die Autoren des Stücks, Jens Ohlin und Hannes Meidal, sind bekannt dafür, Klassiker zu überschrei­ben. Sie lassen Elvira die Szenen der Gewalt und der körperlich­en Übergriffe erzählen. Das macht sie weitaus intensiver, als wären sie gespielt worden. Die Botschaft, die vermittelt wird, ist klar: Nein heißt Nein, ohne Wenn und Aber.

„Don Giovanni“wirft auch ein Schlaglich­t auf das Umfeld, wie bei der Lehrerin, die das Offensicht­liche nicht sehen will, und der Mitschüler­in Anna, die sich nicht traut, ihren Klassenkam­eraden die Stirn zu bieten und Elvira beizustehe­n. Farnaz Arbabi holt ihr junges Publikum da ab, wo sie im Alltag möglicherw­eise mit ähnlichen Situatione­n konfrontie­rt werden: im Mikrokosmo­s Schule, der häufig idealer Nährboden für Sexismus, Mobbing und Ausgrenzun­g ist.

Im Anschluss an die Premiere konnten die Jugendlich­en mit den Schauspiel­ern ins Gespräch kommen. Sie wollen ihrem Publikum auch nach den weiteren Aufführung­en dafür zur Verfügung stehen. Im Begleithef­t zum Stück sind Adressen und Ansprechpa­rtner für Schüler aufgeliste­t, wenn sie Hilfe brauchen, beispielwe­ise weil sie aufgrund ihrer sexuellen Orientieru­ng ausgegrenz­t werden oder Gewalt und Mobbing erfahren.

Die Botschaft des Stückes ist klar, und es gibt praktische Hilfsangeb­ote

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FOTO: DAVID BALTZER Jonathan Gyles und Fatih Kösoglu in einer Szene von „Don Giovanni“.

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