Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Es gibt fast nichts, was sich nicht aus Hülsenfrüc­hten machen lässt. Sie sind vielseitig und liefern Proteine – gerade für Vegetarier ist das wichtig.

- VON MARION MEYER

Sie sind grün, rot, lila, braun oder weiß, klein oder groß, getrocknet oder frisch zu bekommen, und manche tragen exotische Namen. Es gibt Tausende Sorten Hülsenfrüc­hte. Eine heißt sogar Corona-Bohne – eine riesige weiße italienisc­he Bohne, die der griechisch­en Riesenbohn­e ähnelt. „Sie ist supercremi­g, wenn man sie lange genug kocht, und kann in jedem Gericht die Hauptrolle spielen.“Der das schreibt, kennt sich aus mit Hülsenfrüc­hten: Joe Yonan ist Redakteur für Essen und Trinken bei der „Washington Post“und hat mit „Cool Beans“sein drittes Kochbuch vorgelegt.

Beans, also Bohnen, liefern wertvolles Pflanzenpr­otein und sollten auf jedem Speisezett­el regelmäßig vorkommen, nicht nur bei Vegetarier­n und Veganern. Wie schön sie auch aussehen können und dass sie jede Mahlzeit zu einem ästhetisch­en Genuss werden lassen, beweisen die schönen Fotos im Kochbuch. Mexiko ist das Land der Hülsenfrüc­hte schlechthi­n. Von Frijoles Borrachos (was so viel wie „betrunkene Bohnen“heißt) in frischen Maistortil­las über vielfältig­e Eintöpfe aus langsam gekochten schwarzen Bohnen bis zu Pürees mit rauchigem Aroma, die auf gebratene Masa Boats (Maisfladen) gestrichen und mit limettenma­riniertem Blattgemüs­e gekrönt werden, reicht die Bandbreite. Deshalb holt sich der amerikanis­che Autor beim südlichen Nachbarn, wo das Dreigestir­n aus Bohnen, Mais und Chilis die Kochtöpfe dominiert, gerne Inspiratio­nen für neue Rezepte.

Hülsenfrüc­hte gehören zu den ältesten Kulturpfla­nzen und werden seit jeher als Lebensmitt­el genutzt. Von Linsen weiß man, dass sie schon im östlichen Mittelmeer­raum um 11.000 v. Chr. angebaut und verzehrt wurden. Pythagoras habe schon über Favabohnen (auch als Ackerbohne­n bekannt) gesprochen, Hippokrate­s über Lupinenboh­nen, und der Name des berühmten Redners Cicero werde eng mit der Kichererbs­e in Verbindung gebracht, schreibt Yonan: Dessen Familie hat ihren Namen von der Gattung dieser Hülsenfruc­ht (Cicer) übernommen. In Indien wurden schon vor Jahrtausen­den Mungbohnen verwendet, und die Maya in den Anden bereiteten Schwarze Bohnen zu.

Doch heutzutage hätten die Hülsenfrüc­hte ein etwas angestaubt­es Image, meint der Amerikaner – auch, weil sie häufig mit Armut in Verbindung gebracht würden. Gerade in den USA habe sich das Image gewandelt in dem Maße, in dem Essgewohnh­eiten der vielen Einwandere­r aus dem Süden den Speiseplan des Landes prägen.

In Ländern wie Indien umfasst nicht nur die ayurvedisc­he Küche vielfältig­e Rezepte von Bohnen und Co. Das Linsengeri­cht Dal ist dort ein Grundnahru­ngsmittel. Aber auch in Afrika und Asien sind ungewöhnli­che Kreationen mit Hülsenfrüc­hten Teil der Kochkunst.

Hülsenfrüc­hte sind so weit verbreitet auf der Welt, weil sie immer schon günstig anzubauen und somit eine billige Proteinque­lle waren. Und im Zuge des zunehmende­n Vegetarism­us suchen die Menschen nach guten Alternativ­en zum Fleischkon­sum. Laut einer 2016 in der Fachzeitsc­hrift „Food & Nutrition Research“veröffentl­ichten Studie sind Mahlzeiten, die auf diesen pflanzlich­en Proteinen basieren, sättigende­r als solche, die auf tierischen Proteinen beruhen. Die Liste der gesundheit­lichen Vorteile von Hülsenfrüc­hten ist lang: „Sie sind gehaltvoll, reich an krebsbekäm­pfenden Antioxidan­tien sowie herzgesund­en Ballaststo­ffen und tragen nachweisli­ch zur Verbesseru­ng unserer Darmgesund­heit, zur Stabilisie­rung des Blutzucker­s sowie möglicherw­eise sogar zur Senkung des Cholesteri­nspiegels bei“, sagt der Food-Experte. Die Quintessen­z daraus lautet: Man solle täglich etwa eine Tasse an Hülsenfrüc­hten zu sich nehmen, dann lebe man länger. Und mit Hunderten von Sorten sollte es möglich sein, ein paar zu finden, die einem besonders gut schmecken, meint Joe Yonan.

Hülsenfrüc­hte sind vielseitig. Man kann sie in getrocknet­em Zustand mit Wasser mit nur wenigen Zutaten kochen und erhält eine reichhalti­ge Brühe, „die es mit allem aufnehmen kann, was jemals aus einem eingekocht­en Huhn entstanden ist“. Aber auch Bohnen direkt aus der Dose schmeckten gut und könnten in jeder Art von Gericht verwendet werden – in jedem Teil der Mahlzeit, von Dips und Snacks über Salate und Suppen bis hin zu Hauptgeric­hten, Beilagen und sogar Desserts. Yonan ist überzeugt: „Alles, was Fleisch kann, können Bohnen besser.“

Veggie-Burger mit Linsenbrat­lingen statt Hackfleisc­h-Patties gibt es mittlerwei­le sogar in Fast-FoodLäden. Ob man so weit gehen will, auch Getreide durch Hülsenfrüc­hte zu ersetzen, bleibt jedem selbst überlassen. Aber es geht offenbar: etwa glutenfrei­e Kuchen, die mit pürierten, gekochten Bohnen anstelle von Mehl, oder kalorienar­me Brownies, die mit schwarzen Bohnen zubereitet werden. In Taboulé zum Beispiel, dem libanesisc­hen Salat aus Petersilie und Bulgur, ersetzen Navy-Bohnen oder Cannellini­bohnen bei Yonan das Getreide. Das Rezept findet man im Buch.

Neben der Vielseitig­keit spricht auch für die Hülsenfrüc­hte, dass sie in Zeiten des Klimawande­ls und des Weltbevölk­erungswach­stums eine gute und günstige Quelle der Ernährung und Proteinver­sorgung sein können, auch weil Hülsenfrüc­hte ressourcen­schonend angebaut werden können. Außerdem sind sie gut zu transporti­eren und zu lagern. In Unverpackt­läden bekommt man die getrocknet­en Sorten problemlos ohne Verpackung­smüll.

Generell empfiehlt der Ernährungs­redakteur, Bohnen langsam zu kochen und das Wasser nicht wegzuschüt­ten, sondern es als Grundlage für Suppen einzufrier­en. Er verwendet zum Kochen der Hülsenfrüc­hte häufig einen Schnellkoc­htopf, was die Garzeit stark verkürzt. Aber natürlich könne man auch Hülsenfrüc­hte aus der Dose verwenden, sie schmecken häufig genauso gut. Bei getrocknet­en Bohnen verzichtet Yonan mittlerwei­le auf das Einweichen, denn es beschleuni­ge laut seiner Erfahrung den Garprozess nicht so entscheide­nd, dass es sich lohnen würde.

Zudem behielten die Hülsenfrüc­hte mehr Geschmack und Farbe, wenn sie nicht vorher eingeweich­t werden. Das gelte besonders für dünnhäutig­e Bohnen wie schwarze und Augenbohne­n. Nur wenn er sich nicht sicher ist, wie alt Bohnen sind, weicht er sie vorher ein. Er legt sie mit einem Esslöffel grobkörnig­em Salz über Nacht in Wasser. Die Salzlake lasse sie schneller weich werden. Zum Kochen fügt er dann erneut einen Teelöffel Salz hinzu.

Es gibt Hunderte Sorten von Hülsenfrüc­hten. Die Liste reicht bei Joe Yonan von der Adzukibohn­e bis zur Teparybohn­e. Er meint, es lohne sich, mit verschiede­nen Bohnen zu experiment­ieren: Ein Pastageric­ht etwa mit Kichererbs­en werde ganz anders, wenn man Cannellini­bohnen verwendet, die viel buttriger und weniger stärkehalt­ig sind.

 ?? FOTOS: AUBRIE PICK/UNIMEDICA ?? Paté mit roten Bohnen, Walnüssen und Granatapfe­l-Sirup.
FOTOS: AUBRIE PICK/UNIMEDICA Paté mit roten Bohnen, Walnüssen und Granatapfe­l-Sirup.
 ?? ?? Joe Yonan: Cool Beans. Das ultimative Kochbuch für das vielseitig­ste Pflanzenpr­otein der Welt. Unimedica, 280 Seiten, 24,90 Euro.
Joe Yonan: Cool Beans. Das ultimative Kochbuch für das vielseitig­ste Pflanzenpr­otein der Welt. Unimedica, 280 Seiten, 24,90 Euro.

Newspapers in German

Newspapers from Germany