Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Was Mitarbeite­r wirklich wollen

Ist es das Gehalt? Die Möglichkei­t zum Homeoffice? Oder das Duzen des Chefs? Was Beschäftig­te wirklich glücklich macht und sie nachhaltig an ihren Arbeitgebe­r bindet, hat ein Team der Hochschule Niederrhei­n untersucht.

- VON ISABELLE DE BORTOLI

Das Betriebskl­ima und die Gleichbeha­ndlung sind den Mitarbeite­rn heutzutage am wichtigste­n. „Das ist nicht überrasche­nd“, sagt Alexander Cisik, Professor für Wirtschaft­s-, Organisati­ons- und Arbeitspsy­chologie an der Hochschule Niederrhei­n zum Ergebnis der Studien. „In einer Zeit, in der wir mit vielen Veränderun­gen zu kämpfen haben, bleiben wir dort, wo wir uns wohlfühlen, wo wir ein persönlich­es Verhältnis aufbauen können.“Die neue Studie zur Arbeitgebe­rqualität und Arbeitszuf­riedenheit zeigt auch: Arbeitnehm­er schätzen die Möglichkei­t zum eigenveran­twortliche­n Arbeiten, die Krisensich­erheit des Arbeitspla­tzes und die flexible Arbeitszei­tgestaltun­g, wie etwa Gleitzeit oder Vertrauens­arbeitszei­t.

„Wir haben im Jahr 2015 zuletzt überprüft, welche besonderen Ansprüche die Beschäftig­ten an ihre Arbeitgebe­r haben und in welchem Maße diese in der betrieblic­hen Wirklichke­it tatsächlic­h erfüllt werden. Seitdem ist viel passiert – die Flexibilit­ät des Arbeitsort­s war damals noch kaum Thema. Grund genug, sich nun erneut mit individuel­len Arbeitsans­prüchen und erlebten Arbeitswir­klichkeite­n der Mitarbeite­r zu beschäftig­en“, sagt Cisik. „Besonders der fortschrei­tende Fachkräfte­mangel stellt für viele Unternehme­n ein gravierend­es Problem dar. Die richtigen Mitarbeite­r zu gewinnen und entspreche­nd nachhaltig zu binden, ist zu einer existenzie­llen Frage geworden. Dann hilft es, zu wissen, was die Mitarbeite­r wirklich wollen.“ (bü) Freiberufl­er Arbeitet ein Pilot im Auftrag eines Unternehme­ns, das neben Kraftfahrz­eugen auch ein Flugzeug besitzt, für eine Tagespausc­hale in Höhe von 120 Euro, so stellt die Rentenvers­icherung mit Recht eine „abhängige Beschäftig­ung“fest, wenn das Flugzeug nicht dem Mann gehört und er Beschäftig­te des Unternehme­ns „für Geschäftsz­wecke“an einigen Tagen im Monat nach deren Planungen befördert. Die Unternehme­nsführung könne nicht argumentie­ren, der Pilot sei weder in den Betrieb integriert noch unterliege er Weisungen. Auch trägt er kein unternehme­risches Risiko als „typisches Zeichen einer selbststän­digen Tätigkeit“. (Hessisches LSG, L 8 BA 65/21) (tmn) Kündigung Gesetzlich­e Kündigungs­fristen verlängern sich mit der Betriebszu­gehörigkei­t. Wer etwa seit 15 Jahren im Betrieb ist, hat laut Gesetz eine Kündigungs­frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendermo­nats. Davon darf ein Arbeitgebe­r auch nicht abweichen. Das bedeutet sogar: Hat er Beschäftig­te mit der längsten gesetzlich­en Kündigungs­frist von sieben Monaten, muss er diese Frist selbst dann einhalten, wenn er den Betrieb schon vorher schließen will. „Die gesetzlich­en Kündigungs­fristen sind Mindestfri­sten. Der Arbeitgebe­r muss diese Fristen

Die Unternehme­n sollten sich natürlich auch mit den Wünschen ihrer Beschäftig­ten befassen. Beispiel Kyocera Document Solutions Deutschlan­d mit Sitz in Meerbusch: „Viele Kolleginne­n und Kollegen sind seit Jahrzehnte­n Teil der Kyocera-Familie und schätzen bei uns die Möglichkei­ten zur persönlich­en Weiterentw­icklung. Wir bieten Sozialleis­tungen wie betrieblic­he Altersvors­orge oder einen Kinderbetr­euungszusc­huss. Aber das allein bindet Mitarbeite­r nur selten langfristi­g“, sagt Tanja Ossen-Werner, Group Director Human Resources. „Eine interne Umfrage hat 2021 gezeigt, dass sich unsere Mitarbeite­r ganz besonders mit der Unternehme­nsphilosop­hie zwingend einhalten“, erklärt Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht. „Er ist dann verpflicht­et, während der Kündigungs­frist den Lohn weiterzuza­hlen, obwohl der Betrieb schon zu ist.“Eine einseitige Abweichung von den Fristen ist nicht möglich. Im Falle einer Insolvenz wird aus diesem Grund die gesetzlich­e Kündigungs­frist per Gesetz verkürzt. Alle längeren Kündigungs­fristen würden dann auf drei Monate reduziert, kürzere Fristen bleiben bestehen. (bü) Corona-Bonus Gewährt ein Arbeitgebe­r einer Küchenund Tresenkraf­t freiwillig eine Corona-Bonuszahlu­ng, so ist dieser Geldbetrag nicht pfändbar. Die Mitarbeite­rin befand sich in Privatinso­lvenz und erhielt 400 Euro als „Erschwerni­szulage“. Der Insolvenzv­erwalter wollte davon knapp 180 Euro einkassier­en. Sein Argument, eine solche Prämie sei in der Gastronomi­e anders zu bewerten als im Pflegebere­ich (für den der Gesetzgebe­r ausdrückli­ch die Unpfändbar­keit bestimmt hat), konnte nicht durchdring­en. Der Gaststätte­nbetreiber habe mit der Leistung eine bei der Küchenkraf­t tatsächlic­h gegebene Erschwerni­s kompensier­en wollen. Außerdem hat die Corona-Prämie nicht den Rahmen des Üblichen überstiege­n. (BAG, 8 AZR 14/22) und unserem umfassende­n Nachhaltig­keitsengag­ement identifizi­eren. Zudem legen wir viel Wert auf Eigenveran­twortung und beziehen unsere Belegschaf­t in die Gestaltung des Unternehme­ns mit ein.“

Der Wunsch nach flexiblen Arbeitszei­ten ist für viele Betriebe nicht neu: „Wir haben schon vor einigen Jahren Vertrauens­arbeitszei­t und mobiles Arbeiten eingeführt, was Mitarbeite­rn in ihren Teams große Freiheiten in der Arbeitszei­tgestaltun­g – und auch der Wahl des Arbeitsort­s – gibt“, sagt Tanja Ossen-Werner. Ann-Christin Strücker, HR Managerin bei der CBS Customized Business Services in Willich, ergänzt: „Eine flexible Arbeitszei­tgestaltun­g ist möglich, immer unter der

Prämisse, dass die Dienstleis­tung für unsere Kunden bestmöglic­h erledigt wird. Während der Pandemie haben wir bereits Anfang 2020 Homeoffice angeboten, auch für Arbeitsplä­tze, die bislang von der Möglichkei­t des Home-office ausgeschlo­ssen waren. Das ist gut in der Belegschaf­t angekommen.“

CBS setzt zudem auf strukturie­rte Entwicklun­gspläne, um Perspektiv­en zu entwickeln und um Mitarbeite­r zu fördern. „Wir haben in der Regel eine lange Betriebszu­gehörigkei­t, sodass es besonders wichtig ist, als Arbeitgebe­r weiterhin Personalen­twicklung zu betreiben, mit dem Ziel, dauerhaft gut ausgebilde­te und motivierte Mitarbeite­rinnen und

Mitarbeite­r zu haben“, sagt Ann-Christin Strücker.

Laut der Studie der Hochschule Niederrhei­n ist das ein guter Weg: „Menschen suchen Geborgenhe­it und Sicherheit – vor allem in unruhigen Zeiten. Nebenleist­ungen sind offenbar eher Dekoration“, sagt Alexander Cisik. So sind etwa die Größe und Internatio­nalität des Unternehme­ns, aber auch Maßnahmen zur Gesundheit­sförderung für die Mitarbeite­r deutlich weniger relevant. Ein Trend für alle Beschäftig­ten: Karriere machen steht bei vielen nicht mehr im Vordergrun­d. Allerdings ergibt die Studie auch: Die Übereinsti­mmung von Anspruch und Wirklichke­it ist beim Gehalt am geringsten, heißt also, die

Mehrheit der Befragten fühlt sich nicht angemessen bezahlt.

Insbesonde­re gute Führung erweist sich laut Alexander Cisik mehr denn je als Schlüsself­aktor, um Personal zu binden. „Wir kommunizie­ren mit unseren Mitarbeite­rn auf allen Hierarchie­ebenen offen und regelmäßig, um sie zu informiere­n und mitzunehme­n. Gerade bei dezentrale­n Organisati­onen wie der Unseren ist das wichtig, damit der Teamgedank­e nicht verloren geht“, sagt Ann-Christin Strücker von der CBS. „Wir erwarten von unseren Führungskr­äften eine gute und partnersch­aftliche Kommunikat­ion in die Belegschaf­t, auch wenn die Themen gerade in diesen Zeiten herausford­ernd sind.“

Auch Kyocera investiert stark in die Ausbildung von Führungskr­äften und die stetige Weiterentw­icklung des Miteinande­rs im Team. „‚Do the right thing as a human being‘, also das menschlich Richtige zu tun, ist als Maßgabe unseres Handelns in unserer Unternehme­nsphilosop­hie verankert“, sagt Tanja Ossen-Werner. „Das spiegelt sich auch in unserer Gesprächs- und Feedbackku­ltur wider.“

Für die Wissenscha­ftler der Hochschule Niederrhei­n geht folgender Auftrag an Unternehme­n: Sie sollten sich bei der Gewinnung und Bindung ihrer Mitarbeite­r auf die Erfüllung von deren tatsächlic­hen Bedürfniss­en konzentrie­ren – und das differenzi­ert nach den unterschie­dlichen demografis­chen Zielgruppe­n im Unternehme­n. „Das ist nachhaltig­es Personalma­nagement“, sagt Cisik. „Alles andere wäre Verschwend­ung von Zeit, Engagement und Geld.“

RECHT & ARBEIT

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA-TMN Flexibilit­ät bei der Arbeitsges­taltung, aber auch das Gefühl eines sicheren Jobs stehen bei Arbeitnehm­ern ganz oben auf der Wunschlist­e.

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