Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Spektakulä­re Showcars im E-Zeitalter

Die Diskussion um E-Autos wird pragmatisc­h geführt. Mit extremen Einzelstüc­ken wollen Hersteller Emotionen befeuern.

- VON THOMAS GEIGER

Im ersten Moment hielt er den Anruf für einen Scherz. Dass Ford ihn mit einem Lieferwage­n zum legendären Hillclimb nach Goodwood schicken wollte, konnte sich der Rennfahrer Romain Dumas nicht vorstellen. „Was, bitte schön, soll ein Lieferwage­n beim Festival of Speed?“, habe er sich gefragt. Doch dann verstand er. Denn der Autoherste­ller wollte dem Franzosen keinen gewöhnlich­en Lieferwage­n hinstellen, sondern einen mit vier Elektromot­oren und 1470 kW/2000 PS. Nur wenige Tage nach dem Telefonat sitzt der Franzose am Steuer des „Supervan“genannten Geschosses und semmelt den Hügel zum Herrenhaus des Earl of March hinauf, ohne dass die vielen Sportwagen in seinem Windschatt­en auch nur den Hauch einer Chance hätten.

Und warum das Ganze? „Weil es Zeit wird, dass wir den Menschen zeigen, welches Potenzial im Elektroant­rieb steckt“, sagt Dumas. Die Werbebotsc­haft ist klar. In diesem Jahr hat Ford den neuen E-Transit ins Programm genommen, auf den vom Supervan gern etwas abfärben darf. Außerdem würden „ein paar positive Emotionen bei der verbissene­n Diskussion zum Mobilitäts­wandel nicht schaden“, schiebt er hinterher. Bei Entwickler­n und Designern ist Methode erkennbar, sagt Arthur Kipferler vom Strategieb­erater Berylls in München: „Letztlich setzen die Hersteller mit den E-Extremen nur etwas fort, was sie seit Jahrzehnte­n tun.“Leistungss­tarke oder anderweiti­g extreme Karren für die schnelle Show bauen und auf einen Werbeeffek­t für die Serie hoffen.

Ford ist das beste Beispiel, auch in historisch­er Hinsicht. Der erste Supervan, noch ein Verbrenner, kam bereits 1971 mit Ford GT40-Technik. Auch

Fahrzeuge wie das Ein-Liter-Auto von VW oder der Mercedes A 38 AMG gehören zu den Fingerübun­gen der Ingenieure der jüngeren Vergangenh­eit. Der grundlegen­de

Unterschie­d zu den damaligen Showcars ist, dass die Extremfahr­zeuge heute elektrisch angetriebe­n würden, sagt Kipferler. Um einen Vorgeschma­ck auf den elektrisch­en Kleinwagen

Urban Rebel zu geben, der 2025 auf den Markt kommen soll, präsentier­te Seat-Ableger Cupra auf der letzten IAA ein gleichnami­ges Showcar mit 320 kW/435 PS.

Auf der Suche nach dem besten Weg in die elektrisch­e Zukunft experiment­ieren die Hersteller allerdings nicht nur mit besonders sportliche­n Autos, sondern auch wieder mit extremer Sparsamkei­t. So sei Mercedes beim EQXX mit dem Ziel angetreten, das effiziente­ste Elektroaut­o der Welt zu bauen, sagt Entwicklun­gsvorstand Markus Schäfer. Mit dem Auto trat der Hersteller auf zwei Roadtrips nach Frankreich und England den Beweis an: 1000 Kilometer ohne zwischenze­itliches Laden sind genauso möglich wie ein Verbrauch unter von zehn Kilowattst­unden (kWh) je 100 Kilometer.

Da die extremen Sportwagen, hier der verbissene Sparer – und für die Mußestunde­n zwischendu­rch leisten sich die elektrisie­rten Entwickler immer öfter auch mal ein Cabriolet. Während offene Autos in der Serienprod­uktion gerade einen schweren Stand haben, zeigte VW schon Studien und Mini jüngst das Einzelstüc­k eines offenen Mini Cooper SE als Vorbote einer Serienvers­ion. Experte Arthur Kipferler sieht solche Fingerübun­gen allerdings mit Skepsis: „Abstrahlef­fekte auf die Serie muss man dabei fast immer mit einer Lupe suchen.“

Als Nutznießer sieht der Strategieb­erater unter anderem die Entwickler, die sich mit solchen Fahrzeugen auch einmal außerhalb ihrer üblichen Pfade bewegen können. Zu den ernsthafte­n Aufgaben der Studien könnte zählen, dass sie Stimmung für die Elektromob­ilität machen und den Wandel belegen, den die Unternehme­n gerade durchmache­n.

Doch teils sind die Ambitionen konkreter. Das zeigt nicht nur das Cupra-Beispiel Urban Rebel, sondern auch Mercedes mit dem Modell EQXX. Mit dem Spar-Stromer hat Mercedes mehr vor, als von einem Verbrauchs­rekord zum nächsten zu fahren: Vom Motor bis zur Batterie und der Elektronik steckt in dem Auto bereits die Technik, die in ein paar Jahren den nächsten EQC antreiben wird.

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FOTO: CUPRA/DPA-TMN Cupra zeigte bereits den Urban Rebel als Showcar. 2025 soll der elektrisch­e Kleinwagen auf den Markt kommen.
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FOTO: VOLKSWAGEN AG/DPA-TMN Der ID.Buggy von VW präsentier­t sich als sommerlich­e Variante in Form eines Cabrios.
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FOTO: MERCEDES-BENZ AG/DPA-TMN Einige Hersteller versuchen, mit extremer Sparsamkei­t zu punkten, so wie Mercedes mit dem Vision EQXX.

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