Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ministerin unter Druck

Christine Lambrecht steht erneut in der Kritik. Berichte über eine Krise bei der Beschaffun­g von Tarnkappen-Jets weist ihr Haus aber zurück. Dennoch gibt es Gerüchte über einen Wechsel im Verteidigu­ngsressort.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

BERLIN Eine Zeit lang war es ruhiger geworden um die Verteidigu­ngsministe­rin. Nun ist die Unruhe um die SPD-Politikeri­n Christine Lambrecht zurückgeke­hrt. Grund dafür sind sowohl Irritation­en über eine Äußerung in einem Interview mit unserer Redaktion zur möglichen Stationier­ung von Patriot-Einheiten in Polen als auch über Fragen zum Einkauf von F-35-Tarnkappen-Jets aus den USA. Unmut gibt es zudem über die nur schleppend angelaufen­e Beschaffun­g von Ausrüstung und Waffen.

Die F-35-Tarnkappen-Jets sind eine der größten Anschaffun­gen der Bundeswehr. Das milliarden­schwere Projekt droht sich allerdings zu verzögern und zu verteuern; das Bundesvert­eidigungsm­inisterium sieht erhebliche Risiken. In einem vertraulic­hen Schreiben an den Haushaltsa­usschuss des Bundestags warne das Ministeriu­m vor „zeitlichen Verzögerun­gen und Mehrkosten“wegen aufwendige­r Vorbereitu­ngsarbeite­n, hatte die „Bild am Sonntag“berichtet. Eigentlich sollte der Haushaltsa­usschuss am 14. Dezember eine Tranche der Kosten freigeben. Am Montag nun widersprac­h das Verteidigu­ngsministe­rium den Berichten. Der Haushaltsa­usschuss sei in einer 25-Millionen-Euro-Vorlage darüber informiert worden, welche Aspekte unklar seien und wie die Folgen und die Wahrschein­lichkeit von Problemen abgemilder­t werden sollen, sagte ein Sprecher des Ministeriu­ms. „Es gibt keine Krise. Es gibt derzeit kein Problem in der Planung, auch nicht in der Infrastruk­tur.“Laut Vorlage sei das Projekt „deutlich auf einem guten Weg“und „alles grün“.

Auch Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) bekräftigt­e die Entscheidu­ng. „Deutschlan­d hält an seinem Engagement

im Rahmen der Übereinkün­fte der Nato zur nuklearen Teilhabe fest, auch durch den Kauf von Kampfjets des Typs F-35 mit dualer Einsatzfäh­igkeit“, schrieb er in einem Beitrag für das US-Medium „Foreign Affairs“.

Ministerin Lambrecht jedenfalls musste den Haushälter­n am Montag in ihrem Ministeriu­m Rede und Antwort stehen. „Wir haben heute noch mal deutlich gemacht, dass die F-35 ein Projekt höchster Priorität ist und der vollen Aufmerksam­keit der Ministerin bedarf. Die F-35 soll die nukleare Teilhabe Deutschlan­d sicherstel­len. Das zeigt, die Nachfolge des Tornados ist ein zentrales verteidigu­ngspolitis­ches Projekt“, sagte der FDP-Haushaltsp­olitiker Karsten Klein nach dem Treffen. Es gehe um erhebliche Investitio­nen von über zehn Milliarden Euro. „Wenn die Zeitschien­e gerissen wird, entstehen erhebliche Folgekoste­n für die weitere Nutzung des Tornados. Dies muss verhindert werden.“

Allen Dementis vom Montag zum Trotz machen in Berlin Gerüchte die Runde, Lambrecht stehe womöglich vor einer Ablösung. Der Name der Wehrbeauft­ragten, der SPD-Politikeri­n Eva Högl, fällt dabei immer wieder. Lambrecht war bereits in der Vergangenh­eit wiederholt kritisiert worden. Über die falsche Zuschreibu­ng von Dienstgrad­en und Waffensyst­emen war öffentlich, meist politisch motiviert, gelästert worden. Zudem war die ehemalige Justizmini­sterin in die Kritik geraten, weil sie ihren Sohn im Hubschraub­er mitgenomme­n und sich über mögliche Karrierepl­äne ihrer Kabinettsk­ollegin und Parteifreu­ndin, Innenminis­terin Nancy Faeser, öffentlich geäußert hatte.

Doch noch sieht der Bundeskanz­ler keinen Grund für eine Auswechslu­ng. In der vergangene­n Woche

erst verteidigt­e er sie, nachdem Schwierigk­eiten bei der Munitionsb­eschaffung für die Bundeswehr bekannt geworden waren. „Die Verteidigu­ngsministe­rin ist sehr engagiert dabei, diese Missstände der letzten Jahrzehnte zu beseitigen“, sagte er. Stattdesse­n versucht der Kanzler Defizite im Verteidigu­ngsministe­rium dadurch zu kompensier­en, dass er sich selbst und seine Regierungs­zentrale stärker in die Verteidigu­ngspolitik einschalte­t – zum Beispiel beim Munitionsp­roblem, zu dem es vergangene Woche ein Treffen mit der Industrie im Kanzleramt gab.

Regierungs­sprecher Steffen Hebestreit sagte am Montag auf die Frage, wie zufrieden die Regierung mit der Arbeit der Ministerin sei: „Der Bundeskanz­ler ist zufrieden mit der Arbeit aller Ministerin­nen und Minister dieses Kabinettes.“Fragt sich nur, wie lange diese Aussage Bestand hat. Denn anders könnte es aussehen, wenn sich Innenminis­terin Faeser für eine SPD-Spitzenkan­didatur in Hessen entscheide­t, dafür ihren Ministerpo­sten aufgibt und dann eine Kabinettsu­mbildung fällig würde. Das wäre eine Chance, andere Baustellen gleich mit abzuräumen.

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FOTO: RAINER UNKEL / IMAGO Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht bei einem Besuch bei der Bundeswehr in Rheinbach.

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