Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Bei Vodafone muss schon wieder ein Chef gehen
LONDON/DÜSSELDORF Die Krise beim Telekommunikationskonzern Vodafone verschärft sich. Zuerst hatte die Londoner Zentrale den Chef der mit Abstand wichtigsten Ländergesellschaft in Deutschland, Hannes Ametsreiter (55), im Sommer zum Aufgeben gezwungen und nicht einmal einen internen Nachfolger gefunden. Nun kündigte der 58-jährige Konzernchef Nick Read (Foto) seinen Rücktritt zum Jahresende an. Einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin gibt es bisher nicht; die aus Italien kommende Finanzvorständin Margherita Della Valle wird die Konzernführung für eine Übergangszeit übernehmen. „Ametsreiter war das Bauernopfer, um von Schwächen des Gesamtkonzerns abzulenken“, sagt der Duisburger Wirtschaftsprofessor Torsten Gerpott: „Vodafone kommt insbesondere gegen die Übermacht der Telekom in Deutschland nur schwer an.“
Tatsächlich stagniert das Geschäft von Vodafone weitgehend. Seit
Reads Amtsantritt im Oktober
2018 hat die Vodafone-Aktie rund 40 Prozent ihres Wertes verloren, während die der Telekom um den gleichen Wert zulegte. Aktuell ist Vodafone noch 29,6 Milliarden Euro wert, die Telekom bringt 97,7 Milliarden Euro auf die Waage. Haupttreiber des Wachstums bei der Telekom ist das boomende Geschäft in den USA, während Vodafone sich vor Jahren aus den Vereinigten Staaten zurückgezogen hat.
Erst kürzlich überraschte Vodafone die Anlegerinnen und Anleger mit einer Gewinnwarnung und kündigte Einsparungen im Volumen von mehr als einer Milliarde Euro bis 2026 an. Die Telekom hat dagegen ihre Prognose für 2022 erneut erhöht, während der operative Gewinn von Vodafone in Deutschland als wichtigstem Markt im ersten Halbjahr um sieben Prozent auf knapp 2,7 Milliarden Euro abrutschte. „Wir investieren zu wenig, darum verlassen uns immer häufiger hochwertige Kunden“, sagt ein Insider.
Insbesondere fällt auf, dass es Vodafone nur schlecht gelingt, das für weit mehr als zehn Milliarden Euro erworbene Kabel-TV-Netz (in NRW früher Unitymedia) auch gleichzeitig als Online-Netz zu vermarkten. Tatsächlich nutzen nur 35,7 Prozent der Bürger, die in Deutschland über einen Kabelanschluss verfügen, diesen auch als Breitbandanschluss – die anderen bevorzugen den Online-Zugang über die Telefonleitung sowie zunehmend Glasfaser.
Um hier aufzuholen, hat sich Vodafone nun mit der Spezialfirma Deutsche Glasfaser verbündet, die vorrangig in ländlichen Regionen aktiv ist. Die Telekom hat dagegen angekündigt, 2023 rund drei Millionen Glasfaseranschlüsse im Heimatmarkt zu legen, wobei auch sie auf Kooperationen mit Partnern setzt.