Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Der lange Schatten
Donata Hopfen stieg Anfang dieses Jahres zur mächtigsten Figur im deutschen Fußball auf. Die DFL-Geschäftsführerin hat aber bisher noch zu sehr mit dem schweren Erbe ihres Vorgängers zu kämpfen.
FRANKFURT (dpa) Donata Hopfen dürfte den Gegenwind an der Spitze der Deutschen Fußball Liga schon seit einiger Zeit gespürt haben. Jetzt scheint das Ende ihrer Arbeit als DFL-Chefin unmittelbar bevorzustehen. Der Aufsichtsrat der Liga berät nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur über eine Interimslösung nach einer Ablösung von Hopfen. Im Gespräch ist dabei eine Doppel-Spitze mit Axel Hellmann von Eintracht Frankfurt und Oliver Leki vom SC Freiburg. Hellmann und Leki waren am Montagabend nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Der Vorstandssprecher von Eintracht Frankfurt und der FinanzVorstand des SC Freiburg gehören zum Aufsichtsrat der DFL. Dieser umfasst sechs Personen unter dem Vorsitz von Hans-Joachim Watzke, dem Geschäftsführer von Borussia Dortmund. Am Mittwoch steht eine Sitzung des Gremiums auf dem Programm.
Bereits Ende Oktober hatte die Geschäftsführerin der Dachorganisation des deutschen Profifußballs öffentlich für einen stärkeren Rückhalt geworben. „Mehr geht immer“, antwortete Hopfen in einem Interview des „Kicker“auf die Frage, ob sie sich absolut unterstützt fühle.
Im Nachhinein wirkt dies wie ein Hilferuf. Gut fünf Wochen später droht der 46-Jährigen bei der Aufsichtsratssitzung an diesem Mittwoch die Ablösung. Laut Informationen des „Kicker“soll Hopfen, deren Vertrag bis Ende 2024 gilt, endgültig das Vertrauen des sechsköpfigen Gremiums unter dem Vorsitz von Borussia Dortmunds Geschäftsführer Watzke verloren haben. Auch Hopfen und Watzke äußerten sich am Montag auf Anfrage nicht.
Wie konnte es dazu kommen? Immerhin hatte Watzke kurz vor Hopfens Amtsantritt am 1. Januar dieses Jahres erklärt: „Ich habe großes Vertrauen in sie und werde ihr den Rücken stärken.“Selbst bei der DFLGeneralversammlung Mitte August hatte der BVB-Boss noch gelobt, Hopfen gehe mit „sehr viel Elan, sehr viel Enthusiasmus und sehr großer Zielorientierung“vor.
Da sind zum einen die großen Fußstapfen von Hopfens Vorgänger Christian Seifert. Der Top-Manager hatte die Bundesliga in seiner über 16 Jahre andauernden Amtszeit zu einem florierenden Unternehmen mit jährlichen Rekordeinnahmen gemacht. Unter seiner Führung stiegen die Erlöse aus Vermarktung und Fernsehen um mehr als 250
Prozent. Ohne Seifert, lobte BayernPräsident Herbert Hainer zu dessen Abschied Ende 2021, „wäre die Bundesliga niemals so professionell und erfolgreich, wie sie heute ist“.
Hopfen dagegen wurde zuletzt immer öfter mit kritischen Tönen aus der Liga, die in der Corona-Krise einen Umsatzverlust von mehr als einer Milliarde Euro verzeichnete, konfrontiert. Die internationalen Medienrechte seien „völlig unter
Markt verkauft“worden, meckerte etwa Bayer Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro. Und Dortmund-Chef Watzke klagte, die Liga habe „ehrlicherweise noch gar nicht richtig angefangen, unser Potenzial richtig auszuschöpfen“. Hopfen hatte unlängst beim Kongress Spobis eingeräumt: „Da hängen wir nach.“
Unzufriedenheit herrscht in der Liga wohl auch bei anderen wichtigen Themen wie der Digitalisierung und der 50+1-Regel, die den Einfluss externer Investoren in den Vereinen begrenzt. In der Summe könnte dies alles Hopfen, die als Seiteneinsteigerin ohne Fußball-Erfahrung zur DFL kam, zum Verhängnis werden.
Dass ihre Position geschwächt ist, deutete sich kürzlich bereits an. Bei der Suche nach einem neuen Verantwortlichen für die Auslandsvermarktung lehnten die Liga-Manager im Aufsichtsrat der zuständigen DFL-Tochter Bundesliga International nach dpa-Informationen den Hopfen-Kandidaten ab. Robert Klein gibt seinen Job als Chef von Bundesliga International zu Jahresende ab. Andere Mitarbeiter wie Mediendirektor Christian Pfennig und Digital-Chef Andreas Heyden haben nach dem Start von Hopfen das Unternehmen verlassen.
Sie selbst versäumte es, sich zu profilieren. Bezeichnend war ihr Auftritt bei der Weltmeisterschaft in Katar, der ähnlich unauffällig wie ihre bisherige Amtszeit geriet. Zu Streitthemen wie der „One Love“Kapitänsbinde oder dem weltweit kritisierten Auftritt von Fifa-Präsident Gianni Infantino wollte sich Hopfen ebenso wenig konkret äußern wie später zum Vorrunden-Aus der deutschen Nationalmannschaft.
Corona-Krise, Energiekrise und Inflation erschwerten Hopfen zusätzlich den Einstieg. „Ich bin in Krisenzeiten gestartet, und die weltpolitischen und gesellschaftlichen Probleme nahmen gefühlt mit jedem Tag zu“, sagte sie im „Kicker“. Die ersten Monate ihrer Amtszeit seinen „ein wilder Ritt“gewesen. Der könnte nun abrupt enden.