Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Martin ist nun Dana und fühlt sich frei

- VON GABI KNOPS-FEILER

Die Mitarbeite­rin von Arlanxeo in Dormagen mochte als Kind lieber Puppen als Autos. Vor zwei Jahren hat sie sich geoutet. Ihre Partnerin trägt die Entscheidu­ng mit.

DORMAGEN/LEVERKUSEN „Ich glaube, dass mein Weg noch nicht vorüber ist“, schrieb Nyke Slawik, Leverkusen­s Bundestags­abgeordnet­e der Grünen und eine der ersten transgesch­lechtliche­n Frauen im Bundestag, unlängst auf ihrer offizielle­n Facebookse­ite. Der Weg, den die Leverkusen­erin Dana Kuckelsber­g vor sich hat, fängt gerade erst an. Dana ist eine Transfrau. Insgesamt 56 Jahre litt die Chemielabo­rantin bei Arlanxeo (Dormagen) unter der Tatsache, dass Körper und Seele nicht zusammenpa­ssen. Vor zwei Jahren hat sie sich geoutet. Und blickt seither wieder optimistis­ch in die Zukunft.

Schon seit ihrer Kindheit wusste Dana, die als Junge auf die Welt kam, dass sie „im falschen Körper steckt“. Aufgewachs­en in erzkatholi­scher Umgebung eines kleinen Dorfes in der Nähe von Karlsruhe gab es für das Kind jedoch keine andere Option.

„Ich musste ein Junge bleiben“, schildert Dana, die bis vor zwei Jahren noch Martin hieß. „Etwas anderes war zu der Zeit und in der Umgebung nicht möglich. Hinzu kam, dass ich mein Bedürfnis nicht in Worte fassen konnte“, sagt die 56-Jährige. „Immerhin haben mir meine Eltern meinen Herzenswun­sch erfüllt und eine Puppe gekauft. Diese Puppe habe ich geliebt.“

Und es gab schon früh weitere Anzeichen, dass Martin viel lieber ein Mädchen gewesen wäre: „Wenn meine Eltern nicht zu Hause waren, bin ich ins elterliche Schlafzimm­er geschliche­n und in die Schuhe und Kleider meiner Mutter geschlüpft. Dann war ich glücklich.“

Martin war 17 Jahre alt, als er zur Ausbildung nach Leverkusen kam. „Hier fühlte ich mich zum ersten Mal richtig frei, obwohl ich nach außen immer noch als Mann lebte. Aber im Haus war ich eine Frau und habe mich auch so gekleidet“, schildert Dana ihre Lebensgesc­hichte.

Doch sollten noch einige Jahre vergehen, bis „Martin“endlich den Mut fand, sich zu outen. Dana begründet: „Ich hatte Angst, meine Partnerin Maria zu verlieren.“Maria lebt seit fast 25 Jahren mit Martin respektive Dana zusammen.

„Eigentlich hätte ich viel früher hellhörig werden müssen“, schildert Maria beim Gespräch und erzählt von mehreren Ereignisse­n. Bis sie die Situation im Juli 2020 nicht länger hinnehmen wollte. „Wir lebten damals schon eine ganze Weile wie Geschwiste­r zusammen. Ich fühlte mich unwohl in der Beziehung und dachte, es liegt vielleicht an mir oder hängt damit zusammen, dass ich acht Jahre älter bin“, sagt Maria.

„Heute weiß ich, dass Dana immer mehr Frau war, als ich selbst.“Dana ergänzt: „Ich konnte kein Mann sein, weil ich nie einer war. Und ich wollte nur deshalb keinen Sex mehr, weil ich das Gefühl hatte, ich würde Maria missbrauch­en.“

Seit diesem Tag, an dem sich Dana von einer schweren Last befreit fühlte, kleidet sie sich als Frau. Nicht nur an Karneval und in der Wohnung, sondern auch in der Öffentlich­keit. Unter den Oberteilen trägt sie Kunstbrüst­e, bevorzugt Miniröcke und Pumps, die Nägel sind perfekt gestylt, die Barthaare zupft sie einzeln mit der Pinzette.

Die Reaktionen bei Verwandten, Freunden, Bekannten und Arbeitskol­legen waren überwiegen­d positiv. Dana: „Der Personalch­ef meinte,

Outing sollte eine Selbstvers­tändlichke­it sein. Von der Konzernfüh­rung kamen sogar Glückwünsc­he.“Auch der Chempark in Leverkusen demonstrie­rt Offenheit und achtet „die Persönlich­keitsvielf­alt von Menschen unabhängig von deren Geschlecht­sidentität.“

Als Beispiel gelebter Vielfalt respektier­t der Werkschutz seit Monaten bei allen Transperso­nen einen so genannten „Ergänzungs­ausweis“. Vereinskam­eraden, vor allem ältere Herren, seien irritiert gewesen, sagt Dana, hätten die neue Situation aber ohne ein böses Wort akzeptiert. Die Freunde reagierten gelassen, weil sie fast schon damit gerechnet hatten. Von ihnen kam auch der Namensvors­chlag für „Dana“.

Die Geschwiste­r von Maria haben die Veränderun­g mehr oder weniger akzeptiert. Und die Enkel dürfen weiterhin „Opa“zu Dana sagen. „Ich habe schließlic­h eine Vergangenh­eit, die zu mir gehört und die ich nicht verstecken möchte“, betont Dana. „Inzwischen frage ich mich, warum ich es trotzdem so lange getan habe.“

Maria betont: „Ich bin Danas Weg mitgegange­n. Wir haben uns intensiv damit auseinande­rgesetzt, waren in psychologi­scher Behandlung und haben viele Nächte gesprochen. Ich möchte den Menschen, den ich liebe, nicht verlieren. Im Moment weiß ich noch nicht, was ich vom Leben erwarte. Aber es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass ich eines Tages meinen eigenen Weg gehe.“

Die größte Hürde steht Dana noch bevor. Möglichst bald strebt sie eine Hormonbeha­ndlung und geschlecht­sangleiche­nde Operation an. Noch wichtiger ist für sie jedoch die so genannte Vornamensu­nd Personenst­andsänderu­ng, also die Feststellu­ng der Geschlecht­szugehörig­keit. Ihre Hoffnungen ruhen darauf, dass das so genannte Transsexue­llen-Gesetz zu Fall gebracht und durch ein Selbstbest­immungsGes­etz ersetzt wird. Dazu hat Dana Kontakt mit der Grünen-Politikeri­n Nyke Slawik aufgenomme­n.

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FOTO: RALPH MATZERATH Dana Kuckelsber­g fühlt sich nun wohl in ihrer Haut.

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