Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

NRW schnürt Fünf-Milliarden-Paket

Die Tilgung der neuen Kredite soll 25 Jahre dauern. Grundlage ist nun doch die Ausnahmere­gelung der Schuldenbr­emse, was die Landesregi­erung erst hatte vermeiden wollen. Die Opposition spricht von Haushaltst­ricks.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK UND SINA ZEHRFELD

DÜSSELDORF Fünf Milliarden Euro will die schwarz-grüne Landesregi­erung aufnehmen, um die Folgen von Rezession und Inflation abzumilder­n. Das geht aus einem Antrag hervor, der unserer Redaktion vorab vorliegt und an diesem Mittwoch ins Plenum eingebrach­t werden soll. Demnach soll das Sonderverm­ögen mithilfe eines Nachtragsh­aushalts auf den Weg gebracht werden. Für die Tilgung wollen sich CDU und Grüne 25 Jahre Zeit lassen.

In dem Antrag zur Ausrufung der finanziell­en Notlage heißt es unter anderem, die Einstellun­g der russischen Gaslieferu­ngen habe durch die massiven Preissteig­erungen bei Gas und Strom eine „erhebliche, teilweise existenzbe­drohende Belastung für Bevölkerun­g, öffentlich­e Stellen und Institutio­nen der Daseinsvor­sorge und Unternehme­n in Deutschlan­d“verursacht. NRW sei aufgrund seiner Wirtschaft­sstruktur mit vielen Grundstoff­industrien härter getroffen als andere Länder. Die Firmen würden Verluste einfahren oder hätten gar ihre Produktion ganz oder teilweise einstellen müssen.

Dann verweisen die Koalitionä­re auf die Wirtschaft­sprognosen verschiede­ner Institute. Der Stimmungsr­ückgang ziehe sich durch sämtliche Branchen. Das Bruttoinla­ndsprodukt werde in NRW 2022 und 2023 deutlich stärker sinken als in anderen Ländern. Zugleich weist Schwarz-Grün darauf hin, dass die Folgen der Corona-Pandemie weiterhin zu spüren seien und die Klimakrise weitere Verwerfung­en berge.

Die Erklärung der finanziell­en Notlage ist Voraussetz­ung, um von der Schuldenbr­emse abweichen zu dürfen. Wofür die Kredite ausgegeben werden sollen, skizzieren die Koalitionä­re ebenfalls: Demnach sollen mit Hilfsprogr­ammen Lücken bei der Strom- und Gaspreisbr­emse sowie beim Härtefallf­onds geschlosse­n werden. Daneben soll es Unternehme­nshilfen geben, um drohende Produktion­sverlageru­ngen in Länder mit niedrigere­n Energiekos­ten

zu verhindern. Geld ist zudem für öffentlich­e Stellen und Institutio­nen vorgesehen, um die Daseinsvor­sorge abzufedern und sie gegen noch zu erwartende Auswirkung­en dieser Krisensitu­ation zu wappnen. Hilfen sind zudem insbesonde­re für einkommens­schwache Haushalte geplant. Zudem verweisen die Koalitionä­re darauf, dass die vom Bund bereitgest­ellten Mittel für die Flüchtling­e bei Weitem nicht ausreichte­n, um den Bedarf zu decken.

Schwarz-Grün hatte zuvor versucht, Mittel aus dem Corona-Rettungssc­hirm umzuwidmen, und hatte sich dafür einen Rüffel des Landesrech­nungshofs eingefange­n, der diesen Schritt als verfassung­swidrig gegeißelt hatte. Dessen Stellungna­hme sei „überrasche­nd“gewesen, räumte NRW-Wirtschaft­sministeri­n Mona Neubaur (Grüne) am Montagaben­d vor Journalist­en ein. Wäre eine Klage gegen die Haushaltsp­läne eingereich­t worden, dann hätte gegebenenf­alls ein „einstweili­ger Rechtsschu­tz“eingesetzt. Das hätte bedeutet: Man hätte das vorgesehen­e Geld nicht verwenden dürfen.

FDP-Fraktionsc­hef Henning Höne sagte unserer Redaktion: „Die Landesregi­erung ist in der Situation nicht, weil sie unvermeidb­ar war oder weil es böse externe Effekte gab. Sie hat sich selbst durch aktive Fehler und Untätigkei­t hineinmanö­vriert.“Die wirtschaft­liche Lage sei seit Monaten kein Geheimnis. Er warf Schwarz-Grün vor, einen Blankosche­ck über fünf Milliarden Euro zur Finanzieru­ng des eigenen Koalitions­vertrags anzustrebe­n. „Dass die Landesregi­erung eigentlich einen Rekordhaus­halt mit 100 Milliarden Euro auflegt und erklärt, es gebe dort überhaupt keine Einsparpot­enziale, nehme ich ihr nicht ab.“

SPD-Opposition­sführer Thomas Kutschaty knüpfte die Zustimmung an mehrere Bedingunge­n. So verlangte er, dass künftig das gesamte Parlament die Ausgaben aus dem Schirm absegnen müsse. Zudem müsse Justizmini­ster Benjamin Limbach (Grüne) bescheinig­en, dass der Haushalt verfassung­smäßig sei. Einen Rücktritt von Finanzmini­ster Marcus Optendrenk (CDU) wegen der chaotische­n Vorgänge rund um den Haushalt lehnte er ab: „Ich habe eher den Eindruck, da gibt es andere Kräfte in dieser Landesregi­erung, die Herrn Optendrenk genötigt haben, einen solchen Haushalt vorzulegen, solche Haushaltst­ricks zu machen. Deswegen sehe ich die Verantwort­lichkeit sogar eine Stufe höher.“

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