Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Klinik-Revolution könnte teuer werden
Die Einführung der Fallpauschalen für einzelne Klinikleistungen vor 20 Jahren war eine Revolution. Eine SPD-geführte Bundesregierung hatte sie beschlossen, um die aus dem Ruder gelaufenen Krankenhauskosten zu dämpfen. Das war lange Zeit erfolgreich und begrenzte tatsächlich zumindest teilweise die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung. Jetzt startet wiederum eine SPD-geführte Bundesregierung eine neue Revolution und will die Fallpauschalen weitgehend abschaffen. Stattdessen sollen die tatsächlichen Leistungen honoriert werden, also nicht für jedes künstliche Kniegelenk der gleiche Betrag gezahlt werden. Wenn schwierige Behandlungen anstehen, zahlt die Krankenkasse mehr, bei Routine-OPs eher weniger. Und auch die Vorhaltung bestimmter Angebote der Kliniken soll vergütet werden.
Was sich auf den ersten Blick gut anhört, nämlich dass Qualität und Versorgung vor ökonomische Überlegungen gestellt werden, könnte sich schnell als falsche Verheißung herausstellen. Wenn die Behandlung durch die „neue Revolution“zu teuer wird, könnte es rasch zu Rationierungen und Wartezeiten kommen – gerade bei schwereren, aber aufschiebbaren Operationen. Oder die Beiträge der Krankenkassen explodieren und verteuern den Faktor Arbeit weiter. Vieles am System Fallpauschalen ist verbesserungsbedürftig, nicht zuletzt die skandalös niedrige Vergütung der Behandlung kranker Kinder. Doch eine weitgehende Abschaffung geht zu weit, zumal die Pauschalen auch sinnlose Liegezeiten erfolgreich verkürzt haben. Eine echte Reform benötigt eine Balance zwischen der Ökonomie und einer Versorgung nach dem Stand des medizinischen Fortschritts. Und sie muss mit Bettenabbau einhergehen, um Ressourcen zu konzentrieren. Hier muss Lauterbach nachbessern. Sonst steht ihm bald die nächste Revolution ins Haus.