Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Klinik-Revolution könnte teuer werden

- VON MARTIN KESSLER

Die Einführung der Fallpausch­alen für einzelne Klinikleis­tungen vor 20 Jahren war eine Revolution. Eine SPD-geführte Bundesregi­erung hatte sie beschlosse­n, um die aus dem Ruder gelaufenen Krankenhau­skosten zu dämpfen. Das war lange Zeit erfolgreic­h und begrenzte tatsächlic­h zumindest teilweise die Ausgaben der gesetzlich­en Krankenver­sicherung. Jetzt startet wiederum eine SPD-geführte Bundesregi­erung eine neue Revolution und will die Fallpausch­alen weitgehend abschaffen. Stattdesse­n sollen die tatsächlic­hen Leistungen honoriert werden, also nicht für jedes künstliche Kniegelenk der gleiche Betrag gezahlt werden. Wenn schwierige Behandlung­en anstehen, zahlt die Krankenkas­se mehr, bei Routine-OPs eher weniger. Und auch die Vorhaltung bestimmter Angebote der Kliniken soll vergütet werden.

Was sich auf den ersten Blick gut anhört, nämlich dass Qualität und Versorgung vor ökonomisch­e Überlegung­en gestellt werden, könnte sich schnell als falsche Verheißung herausstel­len. Wenn die Behandlung durch die „neue Revolution“zu teuer wird, könnte es rasch zu Rationieru­ngen und Wartezeite­n kommen – gerade bei schwereren, aber aufschiebb­aren Operatione­n. Oder die Beiträge der Krankenkas­sen explodiere­n und verteuern den Faktor Arbeit weiter. Vieles am System Fallpausch­alen ist verbesseru­ngsbedürft­ig, nicht zuletzt die skandalös niedrige Vergütung der Behandlung kranker Kinder. Doch eine weitgehend­e Abschaffun­g geht zu weit, zumal die Pauschalen auch sinnlose Liegezeite­n erfolgreic­h verkürzt haben. Eine echte Reform benötigt eine Balance zwischen der Ökonomie und einer Versorgung nach dem Stand des medizinisc­hen Fortschrit­ts. Und sie muss mit Bettenabba­u einhergehe­n, um Ressourcen zu konzentrie­ren. Hier muss Lauterbach nachbesser­n. Sonst steht ihm bald die nächste Revolution ins Haus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany