Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Wünsche der Generation Z
Die Arbeitsmoral junger Menschen wird häufig kritisiert. Sie wollten nur Dienst nach Vorschrift machen, und mit kostenlosem Obst und Kaffee könne man sie nicht mehr locken. Womit dann?
MÖNCHENGLADBACH Lara Akinci weiß genau, was Ältere über ihre Generation sagen. Die 20-Jährige hört es, wenn sie im Bus sitzt oder in der Stadt unterwegs ist. „Letztens erst habe ich zufällig eine Unterhaltung mitbekommen, in der es hieß, wir wüssten nicht zu schätzen, wie gut wir es haben. Und dass wir sehr fordernd wären“, sagt sie. Akinci, die in Mönchengladbach eine Ausbildung zur Krankenpflegerin macht, kann das nur bedingt nachvollziehen.
Natürlich gebe es fordernde junge Menschen. Und ja, die Ansprüche an eine Arbeitsstelle seien heutzutage höher als noch vor einigen Jahren. Doch das Bild, das von ihrer Generation, den 1995 bis 2010
Geborenen, gezeichnet werde, hält sie für ein Pauschalurteil.
Ein Hamburger Arbeitgeber machte vor Kurzem öffentlich, dass er keine Praktikanten der Generation Z mehr aufnimmt. Die Freizeitorientierung habe bei den jungen Menschen zugenommen, sagte Mathias Keswani, Co-Geschäftsführer der Hamburger Gründerfirma Nerdindustries. Seiner Erfahrung nach kämen viele schon zum Vorstellungsgespräch mit konkreten Forderungen, wie zweimal die Woche früher freizubekommen, um zum Sport gehen zu können. Keswanis Urteil ist hart: „Wer nach sechs Stunden zum Yoga muss, ist für uns keine Hilfe. Das funktioniert nicht.“Und auch Bildungswissenschaftler Klaus Hurrelmann kritisierte in der „Zeit“, dass ein Teil der jungen Menschen eine eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit und Ausdauer habe. „Viele sind schnell abgelenkt und durch virtuelle Umgangsformen nicht mehr gewohnt, sich in realen sozialen Situationen angemessen zu verhalten, Höflichkeitsregeln einzuhalten und dem Gegenüber ins Auge zu sehen“, hieß es.
Akincis Lebensrealität sieht anders aus. Nachdem sie ihr Abitur mit der Note 2,5 abgeschlossen hatte, überlegte sie, Psychologie oder Soziale Arbeit zu studieren. Doch für das eine waren ihre Noten nicht gut genug, und das andere war ihr zu theoretisch. „Ich wollte erst einmal irgendwo mit anpacken“, sagt sie. Also entschied sie sich für die Ausbildung in einem Krankenhaus. Dort möchte sie Menschen helfen und jeden Tag sehen, dass ihre Arbeit einen Sinn hat. Ihr ist nicht wichtig, wie hoch das Gehalt ist – Hauptsache, sie kann die Miete für ihre erste Wohnung davon zahlen. Mit 1170 Euro brutto im ersten Jahr klappt das gut. Zu Überstunden hat sie ein zwiegespaltenes Verhältnis: In der Pflege werden die nicht ausbleiben, das weiß sie. „Ich möchte aber nicht, dass mein Leben nur von Arbeit bestimmt wird“, sagt Akinci.
Mit dieser Haltung steht sie nicht alleine da: „Generation Z ist lieber arbeitslos als unglücklich“, titelte die „Welt“im Frühjahr – weil das 40 Prozent der 18- bis 24-Jährigen bei einer Studie des Personaldienstleisters Randstad angegeben hatten. 56 Prozent sagten, sie würden ihren Job aufgeben, wenn er ihnen keine Freude brächte. Und 40 Prozent wollten ihren Beruf kündigen, falls er nicht zum Lebensstil passe. Gleichzeitig pochten die Jungen auf flexibleres Arbeiten, mehr Tage im Homeoffice, Mitbestimmung der Arbeitszeiten. Mehr als ein Drittel habe schon einen Job wegen starrer Arbeitsbedingungen aufgegeben.
Was erst einmal wie eine schlechte Nachricht für Arbeitgeber klingt, hält der Wirtschaftswissenschaftler Martin Klaffke für eine nachvollziehbare Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Er ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin und Herausgeber des Fachbuchs „Generationenmanagement“. „Generation Z unterscheidet sich nicht fundamental von anderen Generationen“, sagt er. Zwar sei sie durch ihre historisch einmaligen Lebensumstände und den Zeitgeist geprägt, wie etwa durch die Corona-Pandemie oder den Bedeutungswandel von Arbeit. Doch ähnliche Erwartungen an ihre Arbeitsstelle hätten auch schon junge Menschen vor ihnen gehabt. Sie hätten sich damals nur nicht getraut, diese Vorstellungen einzufordern, oder seien nicht gehört worden. Generation Z richte sich nach den Anreizbedingungen, die sie vorfinde. Überall werde ihr angesichts des demografischen Wandels vermittelt, dass Arbeitgeber nur auf sie warteten. Wer so umworben werde, stelle eher Forderungen als Vertreter der Babyboomer-Generation, die um eine Arbeitsstelle konkurrierten. Akinci musste bislang nicht um einen Job kämpfen: In diesem Herbst hatten sich weniger junge Menschen als sonst um eine Ausbildung am Krankenhaus beworben, sie bekam schnell eine Zusage. Ihre Ausbildungsstationen sind vorgegeben, das gibt ihr Orientierung. Ob sie in der Pflege bleibt, wird Akinci nach der Ausbildung entscheiden. Vielleicht studiert sie doch noch oder macht eine Weiterbildung auf der psychiatrischen Station. Alles ist offen.
Doch was können Arbeitgeber tun, um Generation Z zu halten? Eine Umfrage des Jobportals Stepstone im Januar 2022 ergab, dass für 66 Prozent der unter 30-Jährigen Gehalt und Mitarbeitervorteile ein Anreiz sind, den Job zu wechseln. Auf Platz zwei landeten Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten – die findet die Hälfte der Befragten relevant. Da könnten Arbeitgeber ansetzen und zusätzlich flexiblere Arbeitszeitmodelle anbieten, sagt Klaffke. Die Generation suche nach Orientierung, sie brauche einen Sinn in dem, was sie tut, und das Gefühl, Teil von etwas zu sein. Wenn sie den Eindruck habe, dass ihre Arbeit etwas bewirke, und sie sich gewollt fühle, stiegen die Chancen, sie als loyale Beschäftigte zu binden.