Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
NRW alarmiert wegen Reichsbürger-Plan
Landtagspräsident André Kuper verurteilt die bundesweiten Umsturzpläne der terroristischen Vereinigung. Durchsuchungen gab es auch in Minden-Lübbecke bei einer Polizistin. 13 Verdächtige sind in Untersuchungshaft.
DÜSSELDORF/BERLIN Nach der erfolgreichen Razzia in der Reichsbürgerszene und der Vereitelung eines möglichen bewaffneten Sturms auf den Bundestag hat sich Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) erleichtert gezeigt. „Die Maßnahmen zeigen, dass unser demokratischer Rechtsstaat aufmerksam und handlungsfähig ist.“Sie danke dem Generalbundesanwalt und allen beteiligten Polizeikräften für ihren Einsatz, ergänzte die aus Duisburg stammende Sozialdemokratin. „Jetzt gilt es, die weiteren Ermittlungen abzuwarten.“
Die Bundesanwaltschaft hat am Mittwoch 25 Menschen aus der sogenannten Reichsbürgerszene festnehmen lassen, 13 von ihnen sind inzwischen in Untersuchungshaft. Rund 3000 Polizeibeamte waren laut Bundesanwaltschaft in elf Bundesländern im Einsatz. Die terroristische Vereinigung habe die staatliche Ordnung in Deutschland stürzen und durch eine eigene ersetzen wollen, die in Grundzügen schon ausgearbeitet sei. Dafür hätte sie auch Tote in Kauf genommen, so eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft. 22 der Festgenommenen sollen Mitglieder dieser terroristischen Vereinigung sein, zwei davon Rädelsführer. Drei weitere gelten als Unterstützer. Zudem gebe es 27 weitere Beschuldigte, sagte die Sprecherin weiter. Mehr als 130 Objekte wurden durchsucht.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) verurteilte die Umsturzpläne der Reichsbürgerszene. „Reichsbürger sind eine gefährliche Mischung aus Rechtsextremisten, Anhängern von Verschwörungsmythen und renitenten Staatsleugnern; das sehen wir heute einmal mehr. Hier war eine Bande von Terroristen am Werk. Ihnen ist jedes Mittel recht, unsere bestehende freiheitliche Gesellschaftsordnung zu zerstören“, sagte Reul. „Es ist für mich schwer erträglich, dass Täter mit einer solch abstrusen und menschenverachtenden Ideologie vor massiver Gewalt und selbst vor Tötungen nicht zurückschrecken“, so der Innenminister. Besonders
erschüttert ihn, dass unter den Beschuldigten auch Personen seien, die als Angehörige von Militär und Sicherheitsbehörden Zugang zu Waffen hätten. „Die Festnahmen und Durchsuchungen von heute Morgen zeigen aber auch: Die Sicherheitsbehörden sind wachsam und durchsetzungsstark. Die gute Zusammenarbeit von Bund und Ländern
hat heute dazu geführt, eine gefährliche Terrorzelle zu stoppen“, so Reul weiter.
In NRW gab es an drei Orten Durchsuchungen – unter anderem in Krefeld und Minden-Lübbecke, wie unsere Redaktion aus Sicherheitskreisen erfuhr. „In Minden-Lübbecke fand die Durchsuchung bei einer Polizistin statt. Sie war nicht in leitender Position tätig. Außerdem gab es in NRW keine Festnahmen“, hieß es weiter. Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Erich Rettinghaus, mahnte zur Vorsicht. „In unseren eigenen Reihen haben wir Reichsbürger auch immer sofort ausgeschlossen. Wer den Eid auf die Verfassung geleistet hat, muss sich auch dementsprechend verhalten. Das steht völlig außer Frage“, so Rettinghaus.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), hat nach den Razzien gegen Reichsbürger angekündigt, das Thema im Ausschuss behandeln zu wollen. „Ich habe umgehend dieses Thema auf die Tagesordnung des Verteidigungsausschusses setzen lassen“, sagte Strack-Zimmermann. Sie kündigte ein konsequentes Vorgehen an: „Wir werden diese braune Suppe austrocknen.“
André Kuper, Präsident des NRWLandtags, erklärte: „Die Großrazzia in der Reichsbürgerszene zeigt, dass der demokratische Rechtsstaat funktioniert und wachsam ist. Aber es wird deutlich, dass die Demokratie angegriffen wird, wenn Reichsbürger zum Ziel haben, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland zu überwinden“, so der CDU-Politiker. Die Szene der Reichsbürger, Querdenker und Staatsfeinde stehe zu Recht unter Beobachtung. Und zu Recht seien das Engagement und die Wachsamkeit aller Demokratinnen und Demokraten notwendig.
Der Verfassungsschutz hat in NRW landesweit etwa 3400 Reichsbürger und Unterstützer der Szene ausgemacht. Die Sicherheitsbehörde bewertet diese als „Bestrebung mit erheblichem Gefährdungspotenzial“. Leitartikel, Politik