Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Streikwell­e im Königreich

- VON JOCHEN WITTMANN

Bis Weihnachte­n wird in Großbritan­nien wohl kein Tag ohne Ausstand vergehen.

LONDON Bei solch einem Namen schreiben sich die Schlagzeil­en in den Boulevardz­eitungen von selbst: Mike Lynch wird zum Grinch, der den Briten das Weihnachts­fest stehlen will. Der Chef der größten britischen Eisenbahne­rgewerksch­aft RMT kündigte soeben weitere Streiks für die zweite Dezemberhä­lfte an, um den Druck auf die Regierung zu erhöhen. Die RMT will neben den Streiks in der nächsten Woche jetzt auch von Heiligaben­d bis einschließ­lich 27. Dezember in den Ausstand treten und droht damit, die Reisepläne von Millionen Briten zu ruinieren.

Und nicht nur auf den Schienen tobt der Arbeitskam­pf im Königreich. Auf die Briten rollt eine regelrecht­e Streikwell­e zu. Bis zum Weihnachts­fest

wird kein Tag vergehen, ohne dass nicht irgendwer irgendwo in den Ausstand tritt. Denn auch Pflegepers­onal, Rettungswa­genfahrer, Feuerwehr, Hochschuld­ozenten, Briefzuste­ller, Lehrer, Gepäckabfe­rtiger, Busfahrer wollen ihren Dienst verweigern.

Mike Lynch verlangt im Namen der RMT eine Lohnerhöhu­ng, die die Inflations­rate von zurzeit 11,1 Prozent widerspieg­elt. Das letzte Angebot der Arbeitgebe­r lag bei einer Erhöhung von fünf Prozent in diesem und vier Prozent im nächsten Jahr. Lynch versprach, darüber abstimmen zu lassen, aber rät ausdrückli­ch von einer Annahme ab. Schon in der nächsten Woche dürften somit mehr als 40.000 RMT-Mitglieder in zwei 48-stündigen Ausständen den Reiseverke­hr lahmlegen. Der Schaden für die Volkswirts­chaft wird auf 1,7 Milliarden Pfund geschätzt.Die Bahn hat keinen finanziell­en Spielraum, um der Gewerkscha­ft entgegenko­mmen zu können, da sie die dafür nötigen Gelder von der Regierung erhalten müsste. Diese jedoch will möglichst eine durch Lohnerhöhu­ngen angefachte Inflations­spirale verhindern. Zurzeit liegt die Rate der Lohnsteige­rungen im öffentlich­en Dienst bei 2,3 Prozent und im privaten Sektor bei 6,8 Prozent.

Schon bald droht im Streit zwischen Beschäftig­ten des öffentlich­en Dienstes und dem Staat ein dramatisch­er Höhepunkt. Zum ersten Mal in seiner mehr als hundertjäh­rigen Geschichte ruft das „Royal College of Nurses“seine Mitglieder zum Arbeitskam­pf auf. Am 15. und 20. Dezember werden rund 100.000 Krankensch­western in den Streik treten.

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