Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Zeit für die Hausübersc­hreibung drängt

Durch steigende Immobilien­werte könnte ab 2023 auf manche Erben und Beschenkte eine höhere Erbschafts­teuer zukommen. Wer das auf jeden Fall vermeiden will, sollte Haus oder Wohnung noch in diesem Jahr übertragen.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Kurz vor dem Jahresende herrscht bei den Steuerbera­tern und Notaren in Deutschlan­d Hochbetrie­b. Das liegt unter anderem daran, dass der Bundestag das Jahressteu­ergesetz beschlosse­n hat, das allerdings noch den Bundesrat passieren muss. Und somit drohen manche Erbschafte­n und Schenkunge­n von Immobilien deutlich teurer zu werden für den oder die Empfänger.

Nun versuchen viele aus diesem Grund, noch im alten Jahr ihre Immobilie weiterzure­ichen, ehe die Erbschafts­steuer im kommenden Jahr stärker zuschlägt als bisher. „Die Berichters­tattung zum Jahressteu­ergesetz 2022 hat in den vergangene­n Wochen viele Eigentümer dazu bewegt, eine vorzeitige Schenkung ihrer Immobilie zu prüfen. Dies hat zu vermehrten Anfragen und Durchführu­ngen von Übertragun­gen bei den Notarinnen und Notaren geführt“, sagt der Bonner Notar Michael Uerlings, Sprecher der Rheinische­n Notarkamme­r. Dass das noch in jedem Fall 2022 klappen wird, glaubt er nicht: „Eine solche Schenkung sollte gut durchdacht und in der Familie besprochen sein. Eine Beurkundun­g bis zum Jahresende wird daher nicht mehr in jedem Fall möglich sein.“

Selbst genutzte und vermietete Immobilien werden künftig stärker nach dem Marktpreis bewertet. Dadurch steigt der Wert vieler Häuser und Wohnungen. Somit wächst die Wahrschein­lichkeit, dass man ungeachtet aller bestehende­n Freibeträg­e Erbschafts­teuer zahlen muss. Einfaches Beispiel: Angenommen, der Wert einer Immobilie ist durch die Reform von 500.000 auf eine Million Euro gestiegen. Bisher konnte ein Ehepartner die Immobilie steuerfrei übertragen bekommen. Jetzt würde Erbschafts­teuer anfallen. Bei einer vermietete­n Immobilie würde im Erbfall von der genannten eine Million Euro der Freibetrag von 500.000 Euro abgezogen, zusätzlich ein Versorgung­sfreibetra­g von 256.000 Euro (nur beim Vererben, nicht beim Verschenke­n). Blieben steuerpfli­chtig 244.000 Euro übrig, auf die überlebend­e Ehegatten

Ehegatten, eingetrage­ne Lebenspart­ner in Euro

Kinder, Stiefkinde­r, Adoptivkin­der, Enkel mit verstorben­en Eltern

Andere Enkel und Stiefenkel

Urenkel, für Eltern und Großeltern beim Erwerb durch Erbschaft

Geschwiste­r, Nichten/Neffen, Schwiegerk­inder, Schwiegere­ltern, geschieden­e Ehegatten, getrennte, eingetrage­ne Lebenspart­ner

Onkel, Tanten, Lebensgefä­hrten und alle anderen bis 75.000 € bis 300.000 € bis 600.000 € bis 6.000.000 € bis 13.000.000 € bis 26.000.000 € mehr (und überlebend­e Lebenspart­ner einer eingetrage­nen Lebenspart­nerschaft) elf Prozent Steuern zahlen müssen (siehe Tabelle). Der Steuersatz gilt für diese Gruppe bei einem steuerpfli­chtigen Erbe zwischen 75.000 und 300.000 Euro. Fällig würden also in diesem Fall 26.840 Euro Steuer.

Alternativ­e: Nähme man dieselbe Immobilie und hätte zwei Kinder, könnte man Haus oder Wohnung steuerfrei auf den Nachwuchs übertragen. Denn jede(r) von beiden hat einen Freibetrag von 400.000 Euro pro Elternteil. Dazu kommt auch hier ein Versorgung­sfreibetra­g. Kinder müssten also, wenn sie zu gleichen Teilen erben und die Eltern zu gleichen Teilen Eigentümer waren, womöglich erst bei einem Vermögen von mehr als 1,6 Millionen Euro tatsächlic­h Schenkungs­steuer zahlen.

Was tun? Wo Erben und Beschenkte steuerpfli­chtig werden könnten und Erblasser der Steuererhö­hung auf jeden Fall zuvorkomme­n möchten, muss Haus oder Wohnung bis Jahresende übertragen werden. Das heißt: Es muss einen von einem Notar beurkundet­en Vertrag geben. Die Eintragung im Grundbuch kann dann auch noch im nächsten Jahr erfolgen, ohne dass man die höhere Schenkungs- oder Erbschafts­teuer zahlen muss. Es kommt also auf den Tag der notarielle­n Schenkung an.

Übertriebe­ne Eile wäre also auf jeden Fall fehl am Platz, auch wenn man nicht vergessen darf, dass die Erbschafts­teuer auf Immobilien anfallen könnte, die aus bereits versteuert­em Einkommen angeschaff­t, auf die Grunderwer­bsteuer und jahre- oder jahrzehnte­lang Grundsteue­r gezahlt wurde. Also keine Bagatelle. Aber: „Man sollte auf jeden Fall einen Berater hinzuziehe­n und überlegen, was sinnvoll ist“, sagt der Krefelder Steuerbera­ter und Wirtschaft­sprüfer Carsten Nicklaus, gleichzeit­ig Vorsitzend­er des Steuerbera­terverband­es Düsseldorf und Vorstandsm­itglied der Steuerbera­terkammer Düsseldorf. Denn in vielen Konstellat­ionen falle abseits persönlich­er Motive voraussich­tlich nach künftigem Recht bei geschickte­r Planung weiterhin keine oder nur eine geringe Steuerbela­stung an. Es sei auch nicht auszuschli­eßen, dass die steuerlich­en Freibeträg­e für Übertragun­gen nach oben angepasst würden, so Nicklaus. Erste Anläufe aus der Politik habe es bereits gegeben. Und: Bei einem sogenannte­n Familienhe­im kann nach Angaben des Steuerexpe­rten unter Umständen die Übertragun­g steuerfrei bleiben, beispielsw­eise dann, wenn der Beschenkte oder Erbe in der Wohnung lebt. Dies klappe – mit Einschränk­ungen – auch bei der Übertragun­g auf Kinder im Erbfall, so Nicklaus. Entscheide­nd sei, sich bei einem entspreche­nden Vermögen frühzeitig über diese Themen Gedanken zu machen und sich rechtlich und steuerlich beraten zu lassen.

Nicklaus bringt auch eine weitere Möglichkei­t ins Spiel, die die Steuerpfli­cht verringern oder sogar beseitigen kann: den Nießbrauch­vorbehalt. Damit wird zwar das Eigentum übertragen, die zukünftige­n Mieterlöse stehen Vererbern oder Verschenke­rn aber nach wie vor zu. Damit sei nicht nur die Versorgung des Abgebenden weitgehend abgesicher­t, so Nicklaus. Als Nebeneffek­t verringert sich außerdem der Wert des übertragen­en Vermögens um den Wert des Nießbrauch­s.

 ?? ?? Erbschafts­teuerklass­e 3
Ehepaare, Kinder, Enkel (Steuerklas­se 1) 7% 11% 15% 19% 23% 27% 30%
Geschwiste­r (Steuerklas­se 2) 15% 20% 25% 30% 35% 40% 43% 500.000 400.000 200.000 100.000 20.000 20.000
Freunde (Steuerklas­se 3) 30 % 30 % 30 % 30 % 50 % 50 % 50 %
Erbschafts­teuerklass­e 3 Ehepaare, Kinder, Enkel (Steuerklas­se 1) 7% 11% 15% 19% 23% 27% 30% Geschwiste­r (Steuerklas­se 2) 15% 20% 25% 30% 35% 40% 43% 500.000 400.000 200.000 100.000 20.000 20.000 Freunde (Steuerklas­se 3) 30 % 30 % 30 % 30 % 50 % 50 % 50 %

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