Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Zum Eishockey an den Persischen Golf
Eigentlich ging Christine Naas zum Arbeiten nach Dubai, ihre Sporttasche nahm die Neusserin trotzdem mal mit. Eineinhalb Jahre später spielt sie für die Vereinigten Arabischen Emirate. Im Mai geht es mit ihrem Team zum Asia-Cup.
NEUSS Es kommt nicht häufig vor, dass deutsche Eishockeyspielerinnen live im Fernsehen spielen und hinterher in ein Mikrofon sprechen müssen. Vor allem dann nicht, wenn sie in der alten Heimat lediglich in der zweiten Liga spielten. Christine Naas hat das letztens trotzdem erlebt. Aber eben in ihrer neuen Heimat, in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Da lief die Neusserin nicht nur für die dortige Nationalmannschaft beim „Development Cup“des Eishockey-Weltverbandes IIHF auf, da war sie als mehrfache Torschützin hinterher auch im Staats-Fernsehen gefragt und „musste Interviews geben“, erzählt sie mit einer Mischung aus Stolz und Ungläubigkeit. Denn damit konnte ja niemand rechnen, als sie und ihr Mann sich im Sommer 2021 die Frage stellten: „Abenteuer?“Die Antwort kam schnell: „Abenteuer!“
Konkret hieß das: Alle Zelte in Neuss abbrechen, auf nach Dubai. Beruflich eine große Chance, sportlich für eine Eishockeyspielerin natürlich nicht wirklich das Ziel aller Träume. „Aber ich habe meine Tasche mal mitgenommen, in der Hoffnung dass es irgendwie geht. Ich dachte eigentlich, dass es nicht geht, aber dann habe ich relativ schnell etwas gefunden“, sagt die 26-Jährige, die sich einer Hobbyliga anschloss, in der weitere „Expats“spielten. Also andere Ausländer, die für die Arbeit in die Emirate gekommen sind: Nordamerikaner, Schweden, Finnen, Russen. Zwar ausnahmslos Männer, „aber weil ich gesagt habe, dass ich das schon ein paar Jahre mache, haben sie gesagt: ,Dann komm mal dazu’“, erzählt sie lachend.
Lange dauerte es nicht, bis Christine Naas den Männern zeigte, dass sie mit Schläger und Puck umgehen kann. Sie kommt schließlich aus einer Eishockey-Familie. Ihre Mutter spielt, ihre Onkel, ihre Tante, ihre Cousinen. Die Frauen beim DEC Devils, der im Düsseldorfer Süden in Benrath zu Hause ist. Vor einigen Jahren schafften sie es sogar mal, einen ganzen Block nur mit Mitgliedern der Familie Pütz, so Christine Naas‘ Mädchenname, aufs Eis zu stellen: Mutter Stefanie, Tante Barbara, die Cousinen Bianca und Jessica und eben Christine. Und an der Bande stand Onkel Josef, der Trainer. „Mir sind die Tränen gekommen. Das war so ein schöner Moment“, sagte Barbara Pütz hinterher.
Der Star der Familie ist Stefanie Pütz, Christine Naas‘ Mutter. „Als ich zwölf war, hat ihr Bruder mich gedrängt, Eishockey zu spielen. Zum Glück habe ich seinem Drängen nachgegeben. Der Sport hat mir unheimlich viel gegeben“, hat sie mal gesagt.“Mit den Eisbären Düsseldorf wurde sie in den 1980ern mehrfach Deutsche Meisterin, spielte 64 Mal für die Nationalmannschaft, auch bei Weltmeisterschaften. Da blieb der Tochter nichts übrig, als selbst zu spielen. „Mir wurde relativ früh Schlittschuhlaufen beigebracht, mit 13, 14 habe ich dann mit Eishockey angefangen, Gefallen dran gefunden und nicht mehr aufgehört.“Mit den Devils schaffte sie es bis in die zweite Liga.
2021 ging es dann nach Dubai. Dort ist Christine Naas Doktorandin an einer Dependance der Universität Edinburgh. Und nebenher eben Eishockeyspielerin. Erst in der
Hobbyliga, bis ihr „irgendwann jemand sagte, dass es in Abu Dhabi ein Frauen-Team gibt. Mit dem habe ich dann erst mal ein Turnier gespielt“, erinnert sich Christine Naas, die einen bleibenden Eindruck hinterließ. Seitdem fährt die Neusserin mehrmals in der Woche „die anderthalb Stunden nach der Arbeit zum Training“.
Im November wurde es dann ernst. In Kuwait stand der „Development Cup“an, ein Turnier für Eishockey-Entwicklungsländer aus aller Welt. Die Emirate zum Beispiel sind erst seit 2001 Mitglied im Weltverband, offiziell gibt es nur 695 Aktive, davon ein Großteil „Expats“. Kürzlich veranstaltete der Weltverband
ein Seminar zum Thema Eis und Eishallen in Asien. Für die IIHF wegen der klimatischen Bedingungen und der hohen Energiekosten für die Eisaufbereitung bislang ein fast unerschlossenes Gebiet.
Weil viele Länder nicht genügend eigene Spielerinnen haben, dürfen sie für Turniere vier Gastspielerinnen einladen. Allerdings nur solche, die auch in dem Land leben und spielen, man kann nicht einfach einen Haufen Kanadierinnen einkaufen. Christine Naas war qualifiziert, also war sie in Kuwait dabei, bei einem der ersten Länderspiele der Emirate überhaupt. Und es ging gut los: Beim 10:1 gegen Andorra machte sie gleich ein Tor. Auch beim 5:2 (nach 0:2) gegen Irland spielte sie stark auf. Insgesamt machte sie in fünf Spielen drei Tore und bereitete zwei weitere vor. Drei Spiele gingen zwar verloren – gegen Luxemburg, Turniersieger Kolumbien und Kuwait –, „aber in Summe war es Wahnsinn. Ein offizielles IIHF-Turner, die Liveübertragung im Fernsehen“, sagt Naas, die nun dabei bleiben möchte.
Im Mai wartet der Asia-Cup mit dem Iran, Kuwait, Malaysia, Singapur. Sie bekommt vorher eine Art Sportpass des Landes, um auch dann für die Nationalmannschaft spielen zu können. Und hinterher wird sie bestimmt wieder Interviews geben müssen.