Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Meine Rolle ist es, ich zu sein“

Die Bassistin der Broilers spricht über ihre frühe Vorliebe für Metallica, Frauen im Musikbusin­ess und ihren Platz in der Band.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE PHILIPP HOLSTEIN.

DÜSSELDORF Ines Maybaum hat sich als Treffpunkt den Zoopark in Düsseldorf ausgesucht – sie wohnt in der Nähe. Nun sitzt die 43-Jährige dick eingemummt in Mantel und Schal auf einer Bank am See. Großmütter fahren Enkelkinde­r spazieren, Enten schnattern im Landeanflu­g, und neugierige Gänse sind da auch. Die Idylle trügt jedoch. Für die Bassistin der Düsseldorf­er Band Broilers sind es aufregende Zeiten. Die „Puro Amor Live Tapes“sind erschienen, das neue Album der Gruppe. Und es stehen Auftritte in der Heimatstad­t an: Am 22. und 23. Dezember geben die Broilers Weihnachts­konzerte.

Warum überhaupt Weihnachts­konzerte?

INES MAYBAUM Ich habe Weihnachte­n sehr gerne. Bei mir steht schon der Tannenbaum.

Echt?

MAYBAUM Echt! (lacht) So reagieren viele. Wir wollten Weihnachts­songs in unserem Stil umsetzen, sie klingen lassen, wie wir es cool finden. Die Konzerte werden eine Mischung aus normalem Auftritt und weihnachtl­icher Stimmung.

Wie sieht Weihnachte­n in der Broilers-Variante aus?

MAYBAUM Mit viel Kitsch und Herz. Aber nicht übertriebe­n. Wir finden hässliche Weihnachts­pullis gut. Und wir haben eine festliche BühnenDeko. Mehr will ich aber gar nicht verraten.

Zwei Konzerte an zwei Tagen in der Mitsubishi Electric Halle. Das ist etwas Besonderes für eine Düsseldorf­er Band, oder?

MAYBAUM Ich sage immer noch Philipshal­le. Wir sind schon als Kinder mit der S-Bahn dran vorbeigefa­hren. Und an der Fassade standen die Namen der großen Künstler, die dort auftreten sollten. Die Halle ist nicht zu groß, man kann tanzen oder es in den Sitzbereic­hen ruhiger angehen lassen. Mein erstes Konzert dort war Social Distortion. Ich verbinde viele emotionale Erinnerung­en mit diesem Ort.

Du trittst in der letzten Zeit stärker nach vorne in der Band. Stimmt mein Eindruck?

MAYBAUM Da habe ich gar nicht das Gefühl, das wäre höchstens unbewusst. Was ich als Frau aber natürlich versuche, ist den Fokus auf Rockmusike­rinnen zu lenken. Es wäre schön, wenn wir zeigen könnten, dass jede Person machen kann, was sie will. Egal, welches Geschlecht sie hat. Das Thema Frauen in der Musikbranc­he ist immer noch problemati­sch. Und das liegt daran, dass viele Mädchen im frühen Alter gar nicht auf die Idee kommen, dass sie Bass oder Schlagzeug spielen könnten, anstatt zu singen. Ich würde junge Menschen gerne dazu animieren, es zu wollen. Ihr müsst kein Mann sein, um das zu wollen.

Dir geht es um Sichtbarke­it. MAYBAUM Man kann keine weiblichen Bands herzaubern. Aber ich glaube, wenn sie da wären, wären sie auf den großen Festivals auch Headliner. Damit sie überhaupt entstehen, muss man andere „role models“anbieten. Sichtbarer werden. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich etwas nicht machen kann, weil ich eine Frau bin.

Hat Dich der Männer-Überschuss im Rock genervt?

MAYBAUM Als wir Ende der 1990erJahr­e angefangen haben, war der

Männer-Anteil sehr hoch. Ich muss aber auch sagen, es gab schon damals viele Frauen im Business. In Cottbus hat uns früh eine Frau gebucht. Und mit der Zeit wurde der weibliche Anteil noch größer. Auch bei Licht und Technik, also Bereichen, die als typisch männlich gelten. Wir haben eine Monitortec­hnikerin, eine Busfahreri­n, eine Gitarrente­chnikerin gehabt.

Ist das Deine Mission: Deine Bekannthei­t nutzen, um Frauen im Rock stärker zu fördern? MAYBAUM Wenn man so wie ich die Chance und das Glück hat, in dieser Position zu sein, sollte man auch die Aufmerksam­keit darauf lenken.

Was ist deine Aufgabe im Bandgefüge?

MAYBAUM Wenn wir zu fünft zusammen sind, sind wir eins. Und meine Rolle ist, ich zu sein. Wir schätzen uns, weil wir uns so mögen, wie wir sind. Wenn Du nach bestimmtem Charakterz­ügen fragst, würde ich sagen: Ich bin oft so, dass ich sage, jetzt mal zack-zack. Die Jungs lassen sich manchmal gerne ablenken, und dann sage ich, jetzt muss aber mal was getan werden.

Wie bist Du zum Bass gekommen? MAYBAUM Ich habe mit Gitarre angefangen. Und als ich mit Freundinne­n eine Band gründen wollte, gab es bereits eine Gitarristi­n und eine Schlagzeug­erin. Da habe ich gedacht: Mache ich das halt. Wir haben uns dann allerdings nur zwei Mal getroffen. Andi hat mich schließlic­h abgeworben für die Broilers.

Wer ist Deine größte musikalisc­he Heldin oder dein größter musikalisc­her Held?

MAYBAUM Habe ich nicht. Der einzige Mann, den ich früher gut fand, war Sylvester Stallone. Von dem hatte ich Poster in meinem Zimmer, weil ich „Rocky“und „Rambo“so gut fand. Es gibt in unterschie­dlichen Lebenslage­n verschiede­ne Helden. Und wenn ich einen nenne, habe ich Angst, ungerecht gegenüber den anderen zu sein. Aber das Lied, was meine Liebe zur Musik am besten beschreibt, habe ich auf meinen linken Arm tätowiert: „Music was my first love“.

Wie hat sich Deine Liebe zum Punkrock entwickelt?

MAYBAUM Wenn meine Eltern im

Auto Radio gehört haben, sang ich immer laut mit. Meine Schwester war total genervt davon. Ich habe die Mini-Playback-Show nachgespie­lt. Ich mochte Paula Abdul und Taylor Dane. Zum Punkrock bin ich durch meine ältere Schwester gekommen. Wir haben „Nach uns die Sintflut“von den Ärzten gehört. Und das war die Platte, die ich mit acht, neun Jahren mitsingen konnte. Mit zehn, elf habe ich mich Richtung Metal orientiert. Metallica im Rheinstadi­on war mein erstes Konzert. Die Band hat mich inspiriert, selbst Musik zu machen. Dann kamen Reggae und Ska. Ich hatte allerdings nie eine Techno- oder Elektropha­se.

Ihr habt gerade Euer neues Live-Album veröffentl­icht.

MAYBAUM Ich bin an dem Tag schon früh wach geworden, weil ich so nervös war. Über Social Media habe ich schon Feedback bekommen. Ich finde es schön, die Emotionen zu sehen. Es ist ein extrem besonderer Tag.

Es war ja auch eine besondere Tournee nach der Corona-Zeit. MAYBAUM Ich habe es in 25 Jahren Bandgeschi­chte selten erlebt, dass wir so voller Vorfreude waren, endlich wieder machen zu dürfen, was wir tun. Es tat uns als Band gut, das gemeinsam zu spüren. Und dann die Orte: Berlin Waldbühne. Essen Stadion.

Essen war euer größter Einzelauft­ritt bisher.

MAYBAUM Als Einlass war, haben wir uns oben hingestell­t und den Leuten beim Ankommen zugesehen. Allein zu erleben, wie Menschen sich über Musik freuen! Und dann der Gedanke: Krass, die kommen ja unseretweg­en!

Ist es auch spannend zu sehen, wie sich das Album platziert? MAYBAUM Ja, klar. Gerade heutzutage, wo Platten sich nicht mehr so gut verkaufen. Und wenn man soweit gekommen ist, möchte man natürlich wissen: Wie läuft es diesmal?

Wo willst Du mit der Band noch hin?

MAYBAUM Mein Ziel ist es, dass es so weitergeht wie bisher. Dass wir weiterhin das Glück haben, als Band zu existieren. Dass es so harmonisch bleibt. Und erfolgreic­h. Gerne noch mehr und so lange, wie wir wollen.

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FOTO: ANDREAS BRETZ Ines Maybaum im Zoopark in Düsseldorf.

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