Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Meine Rolle ist es, ich zu sein“
Die Bassistin der Broilers spricht über ihre frühe Vorliebe für Metallica, Frauen im Musikbusiness und ihren Platz in der Band.
DÜSSELDORF Ines Maybaum hat sich als Treffpunkt den Zoopark in Düsseldorf ausgesucht – sie wohnt in der Nähe. Nun sitzt die 43-Jährige dick eingemummt in Mantel und Schal auf einer Bank am See. Großmütter fahren Enkelkinder spazieren, Enten schnattern im Landeanflug, und neugierige Gänse sind da auch. Die Idylle trügt jedoch. Für die Bassistin der Düsseldorfer Band Broilers sind es aufregende Zeiten. Die „Puro Amor Live Tapes“sind erschienen, das neue Album der Gruppe. Und es stehen Auftritte in der Heimatstadt an: Am 22. und 23. Dezember geben die Broilers Weihnachtskonzerte.
Warum überhaupt Weihnachtskonzerte?
INES MAYBAUM Ich habe Weihnachten sehr gerne. Bei mir steht schon der Tannenbaum.
Echt?
MAYBAUM Echt! (lacht) So reagieren viele. Wir wollten Weihnachtssongs in unserem Stil umsetzen, sie klingen lassen, wie wir es cool finden. Die Konzerte werden eine Mischung aus normalem Auftritt und weihnachtlicher Stimmung.
Wie sieht Weihnachten in der Broilers-Variante aus?
MAYBAUM Mit viel Kitsch und Herz. Aber nicht übertrieben. Wir finden hässliche Weihnachtspullis gut. Und wir haben eine festliche BühnenDeko. Mehr will ich aber gar nicht verraten.
Zwei Konzerte an zwei Tagen in der Mitsubishi Electric Halle. Das ist etwas Besonderes für eine Düsseldorfer Band, oder?
MAYBAUM Ich sage immer noch Philipshalle. Wir sind schon als Kinder mit der S-Bahn dran vorbeigefahren. Und an der Fassade standen die Namen der großen Künstler, die dort auftreten sollten. Die Halle ist nicht zu groß, man kann tanzen oder es in den Sitzbereichen ruhiger angehen lassen. Mein erstes Konzert dort war Social Distortion. Ich verbinde viele emotionale Erinnerungen mit diesem Ort.
Du trittst in der letzten Zeit stärker nach vorne in der Band. Stimmt mein Eindruck?
MAYBAUM Da habe ich gar nicht das Gefühl, das wäre höchstens unbewusst. Was ich als Frau aber natürlich versuche, ist den Fokus auf Rockmusikerinnen zu lenken. Es wäre schön, wenn wir zeigen könnten, dass jede Person machen kann, was sie will. Egal, welches Geschlecht sie hat. Das Thema Frauen in der Musikbranche ist immer noch problematisch. Und das liegt daran, dass viele Mädchen im frühen Alter gar nicht auf die Idee kommen, dass sie Bass oder Schlagzeug spielen könnten, anstatt zu singen. Ich würde junge Menschen gerne dazu animieren, es zu wollen. Ihr müsst kein Mann sein, um das zu wollen.
Dir geht es um Sichtbarkeit. MAYBAUM Man kann keine weiblichen Bands herzaubern. Aber ich glaube, wenn sie da wären, wären sie auf den großen Festivals auch Headliner. Damit sie überhaupt entstehen, muss man andere „role models“anbieten. Sichtbarer werden. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich etwas nicht machen kann, weil ich eine Frau bin.
Hat Dich der Männer-Überschuss im Rock genervt?
MAYBAUM Als wir Ende der 1990erJahre angefangen haben, war der
Männer-Anteil sehr hoch. Ich muss aber auch sagen, es gab schon damals viele Frauen im Business. In Cottbus hat uns früh eine Frau gebucht. Und mit der Zeit wurde der weibliche Anteil noch größer. Auch bei Licht und Technik, also Bereichen, die als typisch männlich gelten. Wir haben eine Monitortechnikerin, eine Busfahrerin, eine Gitarrentechnikerin gehabt.
Ist das Deine Mission: Deine Bekanntheit nutzen, um Frauen im Rock stärker zu fördern? MAYBAUM Wenn man so wie ich die Chance und das Glück hat, in dieser Position zu sein, sollte man auch die Aufmerksamkeit darauf lenken.
Was ist deine Aufgabe im Bandgefüge?
MAYBAUM Wenn wir zu fünft zusammen sind, sind wir eins. Und meine Rolle ist, ich zu sein. Wir schätzen uns, weil wir uns so mögen, wie wir sind. Wenn Du nach bestimmtem Charakterzügen fragst, würde ich sagen: Ich bin oft so, dass ich sage, jetzt mal zack-zack. Die Jungs lassen sich manchmal gerne ablenken, und dann sage ich, jetzt muss aber mal was getan werden.
Wie bist Du zum Bass gekommen? MAYBAUM Ich habe mit Gitarre angefangen. Und als ich mit Freundinnen eine Band gründen wollte, gab es bereits eine Gitarristin und eine Schlagzeugerin. Da habe ich gedacht: Mache ich das halt. Wir haben uns dann allerdings nur zwei Mal getroffen. Andi hat mich schließlich abgeworben für die Broilers.
Wer ist Deine größte musikalische Heldin oder dein größter musikalischer Held?
MAYBAUM Habe ich nicht. Der einzige Mann, den ich früher gut fand, war Sylvester Stallone. Von dem hatte ich Poster in meinem Zimmer, weil ich „Rocky“und „Rambo“so gut fand. Es gibt in unterschiedlichen Lebenslagen verschiedene Helden. Und wenn ich einen nenne, habe ich Angst, ungerecht gegenüber den anderen zu sein. Aber das Lied, was meine Liebe zur Musik am besten beschreibt, habe ich auf meinen linken Arm tätowiert: „Music was my first love“.
Wie hat sich Deine Liebe zum Punkrock entwickelt?
MAYBAUM Wenn meine Eltern im
Auto Radio gehört haben, sang ich immer laut mit. Meine Schwester war total genervt davon. Ich habe die Mini-Playback-Show nachgespielt. Ich mochte Paula Abdul und Taylor Dane. Zum Punkrock bin ich durch meine ältere Schwester gekommen. Wir haben „Nach uns die Sintflut“von den Ärzten gehört. Und das war die Platte, die ich mit acht, neun Jahren mitsingen konnte. Mit zehn, elf habe ich mich Richtung Metal orientiert. Metallica im Rheinstadion war mein erstes Konzert. Die Band hat mich inspiriert, selbst Musik zu machen. Dann kamen Reggae und Ska. Ich hatte allerdings nie eine Techno- oder Elektrophase.
Ihr habt gerade Euer neues Live-Album veröffentlicht.
MAYBAUM Ich bin an dem Tag schon früh wach geworden, weil ich so nervös war. Über Social Media habe ich schon Feedback bekommen. Ich finde es schön, die Emotionen zu sehen. Es ist ein extrem besonderer Tag.
Es war ja auch eine besondere Tournee nach der Corona-Zeit. MAYBAUM Ich habe es in 25 Jahren Bandgeschichte selten erlebt, dass wir so voller Vorfreude waren, endlich wieder machen zu dürfen, was wir tun. Es tat uns als Band gut, das gemeinsam zu spüren. Und dann die Orte: Berlin Waldbühne. Essen Stadion.
Essen war euer größter Einzelauftritt bisher.
MAYBAUM Als Einlass war, haben wir uns oben hingestellt und den Leuten beim Ankommen zugesehen. Allein zu erleben, wie Menschen sich über Musik freuen! Und dann der Gedanke: Krass, die kommen ja unseretwegen!
Ist es auch spannend zu sehen, wie sich das Album platziert? MAYBAUM Ja, klar. Gerade heutzutage, wo Platten sich nicht mehr so gut verkaufen. Und wenn man soweit gekommen ist, möchte man natürlich wissen: Wie läuft es diesmal?
Wo willst Du mit der Band noch hin?
MAYBAUM Mein Ziel ist es, dass es so weitergeht wie bisher. Dass wir weiterhin das Glück haben, als Band zu existieren. Dass es so harmonisch bleibt. Und erfolgreich. Gerne noch mehr und so lange, wie wir wollen.