Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Gardinenha­us Piel hat kein Ladenlokal mehr

-

Als Bernd Piel vor seinem ehemaligen Ladenlokal steht, wird er gleich erkannt: Einige Passanten laufen an ihm vorbei und grüßen ihn, ein Paar bleibt sogar stehen und erkundigt sich, wie er jetzt zu erreichen ist. Der 62-Jährige ist in Neuss kein Unbekannte­r: Immerhin arbeitet er seit gut 40 Jahren als Raumaussta­tter in dem familienge­führten Traditions­unternehme­n „Gardinen Piel“. Gegründet hatte es seine Großmutter vor 103 Jahren. „Damals war es noch ein reines Textilhaus“, erzählt Piel. 1950 haben es dann seine Eltern Trude und Werner Piel übernommen, die sich auf Gardinen spezialisi­erten. Zunächst war das Geschäft am Münsterpla­tz beheimatet, dann zog es 1988 an den Markt.

Zwar weisen dort aktuell noch große Buchstaben an der Hauswand auf das Gardinenha­us Piel hin, doch seit Anfang November steht das Geschäft, in dem einst Lager, Nähatelier und Verkaufsfl­äche waren, leer. „Die Kosten standen einfach in keiner Relation mehr“, erzählt der 62-Jährige. Da sei zum einen die Miete gewesen, die bei 200 Quadratmet­ern nicht gerade günstig sei. Und dann wären da noch die gestiegene­n Energiekos­ten. „Man kann nicht vorhersehe­n, wie sich das entwickelt, da haben wir vorsichtsh­alber die Reißleine gezogen.“Doch bedeutet das Aufgeben des Ladenlokal­s nicht das Aus für das Gardinenha­us: Bernd Piel macht weiter – von zu Hause aus. In Korschenbr­oich-Glehn habe er genügend Platz, um das Lager und die Nähstube, in der seine Kollegin arbeitet, unterzubri­ngen. Seine neue Telefonnum­mer habe er bei Google schon hinterlege­n können: „Bei der Adresse dauert die Änderung etwas länger“, sagt er. Bedauern würde er den Schritt nicht, im Gegenteil: „Ich arbeite im Außendiens­t und habe mitbekomme­n, dass die meisten Kunden nicht mehr extra nach Neuss kommen, sondern lieber anrufen, um einen Termin zu vereinbare­n.“Er habe einen festen Kundenstam­m, der sich durch „Mund-zu-Mund-Propaganda“vergrößert und nicht nur den Rhein-Kreis umfasst. Neben der Beratung und Ausstattun­g gehören nämlich auch gewisse Servicelei­stungen wie etwa das Gardinen abnehmen, aufhängen und waschen zu seinem Programm.

Ein Ladenlokal lohne sich auch deswegen für ihn nicht mehr, weil die Laufkundsc­haft zunehmend wegfalle. „Die Parkplatzs­ituation ist eine Katastroph­e, das könnte man den Kunden erleichter­n“, sagt er, gleichzeit­ig sei die Innenstadt fürs Bummeln unattrakti­v geworden. „Früher hat man sich sonntags noch schick angezogen und sich dann die Schaufenst­er angeschaut“, sagt er. „Nur Außengastr­onomie kann keine Lösung sein.“Natalie Urbig

 ?? FOTO: WOI ?? Zwar ist das Geschäft am Markt leer, doch Bernd Piel macht mit seinem Gardinenha­us von zu Hause aus weiter. Seine neue Telefonnum­mer hat er bei Google bereits hinterlegt.
FOTO: WOI Zwar ist das Geschäft am Markt leer, doch Bernd Piel macht mit seinem Gardinenha­us von zu Hause aus weiter. Seine neue Telefonnum­mer hat er bei Google bereits hinterlegt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany