Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Frauenpower in besonderer Wohngruppe
Acht Mädchen aus dem Raphaelshaus leben gemeinsam in der Hildegard-Gruppe in Zons.
ZONS Von außen ist nicht zu erkennen, dass in diesem Haus in einer Wohnsiedlung in Zons gleich acht junge Mädchen und Frauen in einer besonderen Wohngemeinschaft leben. Bei der Hildegard-Gruppe handelt es sich um eine Gruppe mit weiblichen Jugendlichen aus dem Raphaelshaus, die außerhalb des Geländes wohnt. Die Mädchen sind zwischen elf und 18 Jahre alt und haben unter Leitung von Diplom-Sozialpädagogin Andrea Uhländer ein vorübergehendes neues Zuhause gefunden.
Die meisten stammen aus schwierigen Verhältnissen, teilweise haben sie „Verwahrlosung oder sexuellen Missbrauch erlebt“, erzählt Uhländer. Die Hildegard-Gruppe soll ihnen einen sicheren Raum bieten. Wertschätzung und Lob stehen ganz oben auf der Tagesordnung, doch auch Disziplin, klare Strukturen und Regeln seien wichtig. Andrea Uhländer ist seit 18 Jahren ein Teil der Hildegard-Gruppe und leitet diese seit ihrem dritten Jahr. Sie erklärt, dass die Wohngemeinschaft auf drei Säulen aufgebaut ist. Zum einen spielen Sport und Ernährung eine wichtige Rolle, die Mädchen sind angehalten auf ausreichend Bewegung und eine gesunde Ernährung zu achten. Die Hildegard-Gruppe wird nicht von der Küche des Raphaelshauses beliefert, stattdessen kocht jeden
Tag eine andere Bewohnerin (mit oder ohne Unterstützung der Pädagogen) selbst. Auch im Alltag seien die Jugendlichen sehr aktiv und nehmen nach der Schule an den umfangreichen Angeboten der Jugendeinrichtung teil. Dazu gehört unter anderem Klettern oder Reiten – manche der Mädchen singen auch in einem Chor.
Weitere wichtige Punkte seien
Disziplin und Konsequenz. „Die Mädchen haben einen sehr strukturierten Tagesablauf, es ist wichtig, dass sie durch einen festen Plan eine gewisse Sicherheit erleben“, erklärt Uhländer. So findet beispielsweise jede Mahlzeit gemeinsam und zu einer vereinbarten Uhrzeit statt. „Wir sind schon sehr bedacht darauf, dass die Mädchen pünktlich kommen. Ich würde schon sagen, dass wir sehr streng sind, denn sie müssen lernen, dass jedes Handeln auch eine Konsequenz mit sich zieht.“
Dies sei unabdingbar für die dritte Säule, die Selbstständigkeit. „Die meisten Mädchen ziehen spätestens mit 18 aus der Gruppe aus und dann müssen sie auf eigenen Beinen stehen. Wir erziehen sie zu 120 Prozent und hoffen, dass dann vielleicht 80 Prozent hängen bleiben“, so die Pädagogin. „Wir achten sehr auf Selbstständigkeit,
sie müssen selber waschen, kochen und putzen, damit sie bestmöglich auf einen eigenständigen Haushalt vorbereitet sind. Sie haben wirklich viele Aufgaben.“
Unterstützt werden sie dabei natürlich dennoch tatkräftig von dem Team aus Erzieherinnen und Sozialpädagoginnen. Mindestens eine erwachsene Person ist immer vor Ort, in der Nacht bleibt stets eine Betreuerin in der Gruppe, tagsüber sind es je nach Bedarf mindestens zwei. „Ich habe große Hochachtung vor dem, was die Mädchen jeden Tag leisten. Sie sind einfach junge Menschen mit schwierigen Familienverhältnissen, die irgendwo ankommen wollen“, sagt Uhländer. Wenn sie als junge Mädchen in die Gruppe kommen, dann treffen sie zunächst auf „viele fremde Menschen“, da müsse man dann erst einmal seinen Platz finden. Die meisten der Bewohnerinnen haben noch eine sogenannte Herkunftsfamilie, die sie in den Ferien oder an Weihnachten besuchen können, andere Mädchen bleiben das ganze Jahr über dort. „Niemand von ihnen ist freiwillig hier, doch dennoch schaffen wir gemeinsam tolle Erlebnisse und machen einfach das Beste aus den jeweiligen Situationen. Wir fahren gemeinsam in den Urlaub oder unternehmen andere Dinge, auch die Mädchen wachsen zusammen. Einige von ihnen halten auch nach dem Auszug noch den Kontakt.“