Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Das Ende einer Präsidentschaft
Mit dem Versuch, das Parlament aufzulösen, scheiterte Perus Staatschef krachend.
LIMA/RIO DE JANEIRO Das vorerst letzte Bild des Tages von Pedro Castillo zeigt ihn eingepfercht zwischen zwei Uniformierten auf der Rückbank eines Kleintransporters. Bei den Sicherheitsleuten soll es sich um seine Leibwächter gehandelt haben. Auch die stellten sich am Ende eines historischen wie turbulenten Tages gegen den peruanischen Präsidenten, der nicht nur die Macht, sondern auch seine Freiheit verlor.
Der Tag begann mit einem Paukenschlag: Castillo eröffnete der verdutzten Öffentlichkeit, dass er das freigewählte Parlament aufzulösen gedenke – wenige Stunden bevor es über einen Misstrauensantrag abstimmen sollte. Doch die Aktion war so schlecht vorbereitet, dass nicht nur seine erschrockene Vizepräsidentin Dina Boluarte, sondern auch nahezu das gesamte Kabinett sofort den Rücktritt erklärte. Dann begann ein Wettrennen gegen die Zeit: Castillo wusste, dass ihm die Felle davonschwimmen. Er verlor die Abstimmung im Parlament und versuchte in die mexikanische Botschaft zu fliehen. Vergeblich, auch seine Leibwächter spielten nicht mit und verhinderten die Flucht.
Dabei begann Castillo seine Amtszeit als ein Hoffnungsträger der Armen. Den hauchdünnen Sieg in der Stichwahl über die rechtsgerichtete Diktatorentochter Keiko Fujimori
verdankte Castillo vor allem den Stimmen aus den ländlichen Regionen, die von der etablierten Politik allein gelassen wurden.
In insgesamt 17 Monaten tauschte Castillo dann die Ministerinnen und Minister praktisch im Wochentakt aus, am Ende waren es sage und schreibe 80 verschiedene Kabinettsmitglieder. Es folgten schwere Korruptionsvorwürfe der Behörden gegen Castillo, enge Familienmitglieder und Mitstreiter.
Castillos Ende reiht sich in das stets unschöne Nachspiel seiner Vorgänger ein. Rechtsaußen Alberto Fujimori (1999–2000) sitzt wegen schwerster Menschenrechtsverletzungen
im Gefängnis. Alan García (Korruptionsvorwürfe) entzog sich vor wenigen Jahren einer Festnahme durch Suizid, auf Alejandro Toledo wartet eine mögliche Haftstrafe von 35 Jahren, wenn er denn aus den USA ausgeliefert wird.
Noch am Nachmittag wurde die bisherige Vizepräsidentin Dina Boluarte im Kongress als neue Staatspräsidentin vereidigt. In ihrer ersten Rede kündigte Boluarte an, nicht die gleichen Fehler zu wiederholen wie ihr Vorgänger. Die erste Frau an der Spitze des Landes muss nun einen Scherbenhaufen zusammenkehren, der ihr von überforderten Vorgängern hinterlassen wurde.