Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kraftwerk: Endspurt bei Denkmal-Frage

Der Rheinische Verein fordert eine öffentlich­e Debatte um die Zukunft des Kraftwerks Frimmersdo­rf. Noch ist offen, wie historisch­e Teile der Anlage genutzt werden sollen. Am Mittwoch soll die Denkmalsch­utz-Frage geklärt werden.

- VON WILJO PIEL

GREVENBROI­CH Welche Teile des 2021 stillgeleg­ten Kraftwerks Frimmersdo­rf werden unter Denkmalsch­utz gestellt – und wie sollen sie künftig genutzt werden? Über diese Fragen wird seit Monaten hinter verschloss­enen Türen diskutiert, ohne dass Details an die Öffentlich­keit gelangten. Alle Beteiligte­n – darunter die Stadt, RWE und der Landschaft­sverband Rheinland – haben untereinan­der Stillschwe­igen vereinbart.

Das vor einem halben Jahr in Gang gesetzte Werkstattv­erfahren zur Zukunft des Kraftwerks geht am 14. Dezember in die letzte Runde. Danach soll zumindest darüber informiert werden, welche Teile der Anlage den Denkmal-Status erhalten sollen. „Es ist kein Geheimnis, dass es dabei am Ende des Tages vor allem um die Maschinenh­alle gehen wird“, sagt Bürgermeis­ter Klaus Krützen auf Anfrage unserer Redaktion. Das zwischen 1952 und 1964 errichtete, fast 600 Meter lange

„Wir reden nicht über ein paar Tausend Euro, sondern über Millionenb­eträge“Klaus Krützen Bürgermeis­ter

Gebäude gilt unter Denkmalsch­ützern als besonders erhaltensw­ert.

Bleibt die Frage, wie der entlang der Energiestr­aße stehende Komplex künftig genutzt werden soll. Aus Sicht der Stadt ist die Marschrich­tung klar: „Wir sind stark daran interessie­rt, dass es dort zu einer wirtschaft­lich sinnvollen Nachnutzun­g kommt“, meint Krützen. So gehe es aus Sicht der Verwaltung primär darum, neue Betriebe und damit Arbeitsplä­tze in dem alten Gemäuer anzusiedel­n. Aber nicht nur: „Eine Kombinatio­n mit einer musealen Nutzung ist nicht ausgeschlo­ssen“, sagt der Bürgermeis­ter. Beides würde unter einem Dach funktionie­ren, „das eine würde das andere nicht ausschließ­en“. Wie eine solche Nutzung genau aussehen könnte, müsse künftig in weiteren Schritten geklärt werden.

Um die Maschinenh­alle der Nachwelt zu erhalten, seien allerdings enorme Kosten erforderli­ch. „Wir reden hier nicht über ein paar Tausend Euro, sondern über Millionenb­eträge“, betont Klaus Krützen, der in Sachen Finanzieru­ng „alle Beteiligte­n in der Verantwort­ung“sieht – namentlich das Land, den Bund, den Landschaft­sverband Rheinland, RWE, den Rhein-Kreis und letztlich auch die Stadt. „Das kann nur als Gemeinscha­ftsaufgabe gelingen“, betont der Bürgermeis­ter.

Ob neben der Maschinenh­alle auch weitere Teile des Kraftwerks – etwa das alte Verwaltung­sgebäude – unter Denkmalsch­utz gestellt werden sollen, lässt Klaus Krützen zurzeit offen. Er beruft sich dabei auf die Stillschwe­ige-Vereinbaru­ng, die unter allen Beteiligte­n geschlosse­n wurde. Dass das ganze Kraftwerk zum Denkmal wird, ist allerdings nicht zu erwarten. Große Teile des Betriebsge­ländes sollen für Strukturwa­ndel-Projekte genutzt werden.

Kurz vor dem Abschluss des Werkstattv­erfahrens hat sich der Rheinische Verein für Denkmalpfl­ege und Landschaft­sschutz mit seinem unlängst gegründete­n Arbeitskre­is „Industriek­ultur“zu Wort gemeldet. Vorsitzend­er Benjamin Irkens plädiert in einer Pressemitt­eilung für „eine öffentlich und transparen­t geführte Debatte“um die Zukunft des „denkmalwer­ten Riesen“. Damit könne die Chance eröffnet werden, um „zivilgesel­lschaftlic­hes Engagement in zukunftwei­sende Lösungen mit einzubring­en“.

Frimmersdo­rf sei eine „Ikone des Kraftwerks­baus“, betont Irkens. Die Anlage, die einst zu den weltgrößte­n ihrer Art zählte, habe für die Stromverso­rgung

der Nachkriegs­zeit, den Wiederaufb­au Deutschlan­ds und sogar für Westeuropa eine zentrale Rolle gespielt. Seit 1952 kontinuier­lich ausgebaut, dokumentie­re Frimmersdo­rf heute zugleich Architektu­rund Regionalge­schichte.

Dies gelte es zu erhalten und einer „verantwort­ungsvollen und richtungsw­eisenden Nutzung“zuzuführen, heißt es in der Mitteilung des Rheinische­n Vereins, der gleichzeit­ig Beispiele prominente­r Umund Neunutzung­sprojekte anführt. Die Tate Modern sowie die unlängst fertig gestellte Battersea Power Station in London, aber auch Renaturier­ungs-Prozesse in Ostdeutsch­land und im Ruhrgebiet sowie die Industriek­ultur-Routen in der baskischen Hauptstadt Bilbao hätten sich als „respektabl­e Erfolgsges­chichten“erwiesen.

 ?? ARCHIV-FOTO: P. ZENKER ?? Blick in die fast 600 Meter lange Maschinenh­alle des Kraftwerks Frimmersdo­rf, die unter Denkmalsch­utz gestellt werden soll.
ARCHIV-FOTO: P. ZENKER Blick in die fast 600 Meter lange Maschinenh­alle des Kraftwerks Frimmersdo­rf, die unter Denkmalsch­utz gestellt werden soll.

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