Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Der Chor Roki Voices setzt auf Popmusik
Chöre haben oft ein hohes Durchschnittsalter und sind eher weiblich. Der neue Leiter von Roki Voices ist 24 Jahre alt, männlich und will so einiges anders machen: Mehr Popmusik, mehr Social Media, mehr Reflexion.
ROMMERSKIRCHEN Seit mittlerweile 25 Jahren hat Rommerskirchen den Chor „Roki Voices“. Damit ist der Chor älter als sein neuer Leiter: Shawn Kühn ist erst 24 Jahre alt. Zuvor hat er zwei Jahre lang den Neusser Chor Hear Us geleitet, der Corona nicht überlebt hat. Nur noch zehn Stimmen seien es dort am Ende gewesen, davon nur eine Bassstimme. Für Kühn kommt der Ortswechsel gelegen, da er selbst aus Rommerskirchen kommt.
Als neuer Chorleiter will Shawn Kühn frischen Wind in Roki Voices bringen: Vieles will er anders machen als seine Vorgänger. Dies fängt schon bei der Bezeichnung an: Auf ihrer Internetseite stellt sich Roki Voices aktuell als ein Gospelchor vor, doch Kühn will mit dem Chor in eine weltliche Richtung gehen. „Gospel hört sich nicht jeder an“, erklärt der Kirchenmusiker, der neben seiner Arbeit Theologie studiert. Popmusik wolle er mit seinem Chor singen. Chart-Hits von Coldplay oder Harry Styles, zum Beispiel. „Mehrstimming hören sich die Songs ganz anders an, das macht einen Reiz aus“, findet Kühn. Auch Stücke aus Musicals wie West Side Story, Sister Act und König der Löwen wolle er mit seinem Chor singen.
Shawn Kühn selbst ist ein Fan von klassischer Musik. „Wenn man da den Bass alleine singt, ist es schon wie ein eigenes Stück. Das zeigt die Brillanz eines Komponisten“, so der Kirchenmusiker. Moderne Musik sei „unintelligenter“, was er jedoch „nicht despektierlich“meine. „Damit will ich aber nicht sagen, dass Pop-Hörer dumm und Klassik-Liebhaber intelligent sind“, betont Kühn. Klassische Musik sei in musikalischer Sicht aufwendiger. Dennoch wolle Kühn sich bei den Pop-Aufführungen der Roki Voices viel Mühe geben: „Die Leute sollen wirklich abgehen und nicht nur kurz klatschen.“
Statt a capella werde der Chor nun in Begleitung eines Klaviers singen. A capella sei die „Königsdisziplin“und zu schwierig für die Roki Voices. Gerade nach der Corona-Pause seien die Stimmen nicht besonders geübt. Auch das Alter sei entscheidend, besonders beim weiblichen
Geschlecht: „Manchmal kommt es vor, dass auch im hohen Alter eine Sopranstimme gut klingt, aber oft krächzt sie“, so Shawn Kühn. Bei Männern gebe es das Problem nicht: Bassstimmen vergleicht Kühn mit Rotwein. Gerade Männer seien bei den Roki Voices dringend gesucht, da die meisten von den 36 Stimmen aktuell weiblich seien.
Ein bestimmter Glaube ist nicht erforderlich, um bei den Roki Voices mitsingen zu dürfen. Zwar sei es ein evangelischer Chor, doch es sei keine Voraussetzung, gläubig zu sein. Allerdings singe der Chor auch Glaubensinhalte und probe in einer Kirche. Shawn Kühn ist selbst nicht evangelisch, sondern katholisch.
Auch eine Gesangserfahrung sei nicht erforderlich. „Wenn jemand gar keinen Ton trifft, ist es schwierig, aber vielleicht liegt es nur an der falschen Technik“, fügt der Chorleiter hinzu. Die passende Stimmlage könne er als Musiker übrigens in der Regel schon an der Sprechstimme heraushören. Er selbst sei ein Tenor. Wichtig sei es, die eigene Stimme hin und wieder neu zu evaluieren: „Menschen verändern sich und Stimmen verändern sich auch“, sagt Shawn Kühn. Mit der Zeit werde die Stimme häufig tiefer, sodass ein Wechsel von Sopran zu Alt oder von Tenor zu Bass erforderlich werde. Im neuen Jahr wolle er sich daher jede einzelne Stimme einzeln anhören und diese gegebenenfalls neu einordnen.
Auch über die von ihm eingeführten Neuerungen wolle er im neuen Jahr mit dem Chor sprechen. „Der Chorleiter ist ein Diktator, aber nur in Proben“, so Kühn. Die Reflexion werde von anderen Chorleitern häufig vernachlässigt, sei ihm jedoch wichtig.
Ein anderer Fehler vieler Chöre sei es, zu wenig Werbung für sich in den sozialen Medien zu machen. „Das ist kein Schlaraffenland, wir müssen zeigen, dass wir da sind“, findet Shawn Kühn.
Die Roki Voices proben donnerstags um 19.45 Uhr in der Samariterkirche in Eckum. Der nächste Auftritt ist voraussichtlich am 8. Januar im Kloster Knechtsteden.