Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Wenn Mieter zum Albtraum werden
Nicht allzu selten müssen sich Vermieter mit Mietnomaden herumschlagen: Mieter, die nach der Schlüsselübergabe keinen einzigen Cent zahlen. Vermieter bleiben dadurch auf den Kosten sitzen. In Neuss kommt das aber selten vor.
NEUSS Wer eine Wohnung vermietet, hat es mit den Mietern nicht immer leicht. Ist der Mietvertrag erst einmal unterschrieben, sind Konflikte oder Schäden durch einen Mieter häufig auch das Problem des Vermieters.
Der Inbegriff des Albtraummieters ist für viele Vermieter ein sogenannter Mietnomade. Unter dem Begriff versteht man umgangssprachlich eine Person, die einen Mietvertrag unterschreibt und in eine Wohnung einzieht, ohne jemals die Absicht zu haben, Miete zu zahlen. Meist treten Mietnomaden im Bewerbungsprozess als wohlhabend und vertrauenswürdig auf und gehen unter Vortäuschung falscher Tatsachen das Mietverhältnis ein. Bis die Vermieter die Bewohner als Mietnomaden erkennen und schließlich fortschicken können, was häufig nur über eine Zwangsräumung möglich ist, vergehen oft Monate. In diesen Fällen ist es nicht unüblich, dass die Bewohner die unbezahlten Wohnungen vermüllt und verwüstet zurücklassen oder Wohnungsbestandteile wie Sanitäranlagen und Küchenausstattung beim Auszug mitnehmen. Der Schaden, der in diesem Fall entsteht, ist enorm und bleibt im schlimmsten Fall am Vermieter hängen, wenn bei den Bewohnern nichts zu holen ist.
„Solche Fälle sind für Vermieter eine Katastrophe“, sagt Sonja Buser vom Vermieterverein Haus & Grund Neuss. „Allerdings ist das bei unseren Mitgliedern in den letzten Jahren nur sehr selten vorgekommen.“Ein Grund dafür seien die Sicherheitsmaßnahmen und Checks, zu denen der Verein seinen Mitgliedern rät und verhilft. „Mit Mieterselbstauskünften, Solvenzchecks oder Kontaktaufnahme zum Vorvermieter sieht man recht deutlich, wer ein geregeltes Einkommen hat und die Miete auch zahlen kann“, erklärt sie. Es spiele außerdem eine Rolle, dass Neuss eher ein Vermietermarkt als ein Mietermarkt sei, also deutlich mehr Bewerber als Wohnungen vorhanden seien und die Vermieter somit eine Auswahl treffen können.
Ähnlich selten tritt das Problem im Neusser Bauverein und der gemeinnützigen Wohnungs-Genossenschaft (GWG) auf, allerdings aus verschieden vermuteten Gründen. „Unserer Wahrnehmung nach betrifft die Problematik von Mietnomaden eher den Luxussektor und Städte wie Düsseldorf oder Köln“, beobachtet Heiko Mülleneisen vom Neusser Bauverein. Objekte des Bauvereins, zu denen viel bezahlbarer und öffentlich geförderter Wohnraum zählt, seien somit selten das Ziel solcher Personen. Auch sonstige Zwangsräumungen seien in den letzten Jahren zurückgegangen, diese betreffen laut Mülleneisen meist Menschen in Not, mit psychischen Erkrankungen oder schwierigen Familienschicksalen. „Wir versuchen, so etwas im Vorhinein zu erkennen und arbeiten eng mit der Caritas und dem Sozialdienst
katholischer Männer (SKM) zusammen, um eine Lösung zu finden“, erklärt er. Vor einer Zwangsräumung als letztem Mittel führe man viele Gespräche und versuche, mit Hilfsangeboten, Beratung und einem eigenen Sozialmanagement den Ernstfall zu vermeiden.
Auch die GWG sah sich in den letzten Jahren kaum mit Mietnomaden konfrontiert. „Ob das an unserer genossenschaftlichen Gesellschaftsform liegt oder andere Gründe hat, darüber können wir nur mutmaßen“, sagt Thomas Schwarz von der GWG. Auch für die Genossenschaft sei es jedoch in Einzelfällen folgenschwer, wenn Mieter an psychischen Erkrankungen leiden. „Hier kann es neben negativen Auswirkungen auf die Hausgemeinschaft und Zahlungsschwierigkeiten mitunter auch zu Schäden an den Wohnungen kommen.“Bei der GWG versuche man in diesen Fällen ebenfalls, zunächst externe Hilfe zu vermitteln. Bringe das keine Besserung, bleibe letztendlich nur der Rechtsweg.
Für private Vermieter sieht die Situation laut Haus & Grund oft ähnlich aus. „Letztendlich sind die Mieter
die Kunden des Vermieters“, sagt Sonja Buser. „Wenn jemand die Hausgemeinschaft stört, weil er vielleicht suchtkrank ist oder auch einfach nur oft Party macht, ist der Vermieter in der Verantwortung, tätig zu werden - wenn es sich um strafbare Handlungen handelt, auch durch eine Räumungsklage.“Der Schutz der anderen Mieter gehe in solchen Fällen vor, betont sie.
Generell tritt Mietnomadentum in Neuss in den letzten Jahren eher als Ausnahmefall auf, Zwangsräumungen
eher als Folge schwerer Einzelschicksale. Einig sind sich GWG, Bauverein und Haus & Grund, dass die eigentlich größten Probleme der Vermieter die Konflikte unter den Mietern sind. Nicht erfüllte Pflichten wie Reinigung, aber auch Lärmbelästigung und Beschädigung der Bausubstanz durch Nachlässigkeit führen schnell zu Reibungen. Sonja Buser berichtet von während der Pandemie stark angestiegenen Konflikten unter Mietern, Heiko Mülleneisen beobachtet zusätzlich eine generelle Tendenz in der Umgangsweise: „Was sich in den letzten Jahren stark verändert hat, ist, dass die Grundtugenden des Miteinanders in Vergessenheit geraten; man zieht sich lieber zurück.“Konflikte und Ärgernisse zwischen den Mietern werden ihm zufolge immer häufiger über den Vermieter anstatt untereinander ausgetragen. Der Frust lande daraufhin bei den Kundenberatern und dem Sozialmanagement des Bauvereins, anstatt dass einfach beim Nachbarn geklingelt werde. „Ich habe das Gefühl, das liegt an gesellschaftlichen Veränderungen“, befürchtet er. „Die Menschen sprechen nicht mehr miteinander.“