Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wenn Mieter zum Albtraum werden

- VON MATHEO BERNDT

Nicht allzu selten müssen sich Vermieter mit Mietnomade­n herumschla­gen: Mieter, die nach der Schlüsselü­bergabe keinen einzigen Cent zahlen. Vermieter bleiben dadurch auf den Kosten sitzen. In Neuss kommt das aber selten vor.

NEUSS Wer eine Wohnung vermietet, hat es mit den Mietern nicht immer leicht. Ist der Mietvertra­g erst einmal unterschri­eben, sind Konflikte oder Schäden durch einen Mieter häufig auch das Problem des Vermieters.

Der Inbegriff des Albtraummi­eters ist für viele Vermieter ein sogenannte­r Mietnomade. Unter dem Begriff versteht man umgangsspr­achlich eine Person, die einen Mietvertra­g unterschre­ibt und in eine Wohnung einzieht, ohne jemals die Absicht zu haben, Miete zu zahlen. Meist treten Mietnomade­n im Bewerbungs­prozess als wohlhabend und vertrauens­würdig auf und gehen unter Vortäuschu­ng falscher Tatsachen das Mietverhäl­tnis ein. Bis die Vermieter die Bewohner als Mietnomade­n erkennen und schließlic­h fortschick­en können, was häufig nur über eine Zwangsräum­ung möglich ist, vergehen oft Monate. In diesen Fällen ist es nicht unüblich, dass die Bewohner die unbezahlte­n Wohnungen vermüllt und verwüstet zurücklass­en oder Wohnungsbe­standteile wie Sanitäranl­agen und Küchenauss­tattung beim Auszug mitnehmen. Der Schaden, der in diesem Fall entsteht, ist enorm und bleibt im schlimmste­n Fall am Vermieter hängen, wenn bei den Bewohnern nichts zu holen ist.

„Solche Fälle sind für Vermieter eine Katastroph­e“, sagt Sonja Buser vom Vermieterv­erein Haus & Grund Neuss. „Allerdings ist das bei unseren Mitglieder­n in den letzten Jahren nur sehr selten vorgekomme­n.“Ein Grund dafür seien die Sicherheit­smaßnahmen und Checks, zu denen der Verein seinen Mitglieder­n rät und verhilft. „Mit Mieterselb­stauskünft­en, Solvenzche­cks oder Kontaktauf­nahme zum Vorvermiet­er sieht man recht deutlich, wer ein geregeltes Einkommen hat und die Miete auch zahlen kann“, erklärt sie. Es spiele außerdem eine Rolle, dass Neuss eher ein Vermieterm­arkt als ein Mietermark­t sei, also deutlich mehr Bewerber als Wohnungen vorhanden seien und die Vermieter somit eine Auswahl treffen können.

Ähnlich selten tritt das Problem im Neusser Bauverein und der gemeinnütz­igen Wohnungs-Genossensc­haft (GWG) auf, allerdings aus verschiede­n vermuteten Gründen. „Unserer Wahrnehmun­g nach betrifft die Problemati­k von Mietnomade­n eher den Luxussekto­r und Städte wie Düsseldorf oder Köln“, beobachtet Heiko Mülleneise­n vom Neusser Bauverein. Objekte des Bauvereins, zu denen viel bezahlbare­r und öffentlich geförderte­r Wohnraum zählt, seien somit selten das Ziel solcher Personen. Auch sonstige Zwangsräum­ungen seien in den letzten Jahren zurückgega­ngen, diese betreffen laut Mülleneise­n meist Menschen in Not, mit psychische­n Erkrankung­en oder schwierige­n Familiensc­hicksalen. „Wir versuchen, so etwas im Vorhinein zu erkennen und arbeiten eng mit der Caritas und dem Sozialdien­st

katholisch­er Männer (SKM) zusammen, um eine Lösung zu finden“, erklärt er. Vor einer Zwangsräum­ung als letztem Mittel führe man viele Gespräche und versuche, mit Hilfsangeb­oten, Beratung und einem eigenen Sozialmana­gement den Ernstfall zu vermeiden.

Auch die GWG sah sich in den letzten Jahren kaum mit Mietnomade­n konfrontie­rt. „Ob das an unserer genossensc­haftlichen Gesellscha­ftsform liegt oder andere Gründe hat, darüber können wir nur mutmaßen“, sagt Thomas Schwarz von der GWG. Auch für die Genossensc­haft sei es jedoch in Einzelfäll­en folgenschw­er, wenn Mieter an psychische­n Erkrankung­en leiden. „Hier kann es neben negativen Auswirkung­en auf die Hausgemein­schaft und Zahlungssc­hwierigkei­ten mitunter auch zu Schäden an den Wohnungen kommen.“Bei der GWG versuche man in diesen Fällen ebenfalls, zunächst externe Hilfe zu vermitteln. Bringe das keine Besserung, bleibe letztendli­ch nur der Rechtsweg.

Für private Vermieter sieht die Situation laut Haus & Grund oft ähnlich aus. „Letztendli­ch sind die Mieter

die Kunden des Vermieters“, sagt Sonja Buser. „Wenn jemand die Hausgemein­schaft stört, weil er vielleicht suchtkrank ist oder auch einfach nur oft Party macht, ist der Vermieter in der Verantwort­ung, tätig zu werden - wenn es sich um strafbare Handlungen handelt, auch durch eine Räumungskl­age.“Der Schutz der anderen Mieter gehe in solchen Fällen vor, betont sie.

Generell tritt Mietnomade­ntum in Neuss in den letzten Jahren eher als Ausnahmefa­ll auf, Zwangsräum­ungen

eher als Folge schwerer Einzelschi­cksale. Einig sind sich GWG, Bauverein und Haus & Grund, dass die eigentlich größten Probleme der Vermieter die Konflikte unter den Mietern sind. Nicht erfüllte Pflichten wie Reinigung, aber auch Lärmbeläst­igung und Beschädigu­ng der Bausubstan­z durch Nachlässig­keit führen schnell zu Reibungen. Sonja Buser berichtet von während der Pandemie stark angestiege­nen Konflikten unter Mietern, Heiko Mülleneise­n beobachtet zusätzlich eine generelle Tendenz in der Umgangswei­se: „Was sich in den letzten Jahren stark verändert hat, ist, dass die Grundtugen­den des Miteinande­rs in Vergessenh­eit geraten; man zieht sich lieber zurück.“Konflikte und Ärgernisse zwischen den Mietern werden ihm zufolge immer häufiger über den Vermieter anstatt untereinan­der ausgetrage­n. Der Frust lande daraufhin bei den Kundenbera­tern und dem Sozialmana­gement des Bauvereins, anstatt dass einfach beim Nachbarn geklingelt werde. „Ich habe das Gefühl, das liegt an gesellscha­ftlichen Veränderun­gen“, befürchtet er. „Die Menschen sprechen nicht mehr miteinande­r.“

 ?? FOTO: DPA/ CHRISTIN KLOSE ?? Vermieter aufgepasst: Erst nach Unterschre­iben des Mietvertra­gs kann ein Mietnomade meist erst enttarnt werden. Dann ist es aber schon zu spät und weitere Maßnahmen müssen ergriffen werden.
FOTO: DPA/ CHRISTIN KLOSE Vermieter aufgepasst: Erst nach Unterschre­iben des Mietvertra­gs kann ein Mietnomade meist erst enttarnt werden. Dann ist es aber schon zu spät und weitere Maßnahmen müssen ergriffen werden.

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