Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Erleichtert, aber noch lange nicht am Ziel
Nach dem schlechten Start ins Jahr war der Sieg der Zweitliga-Handballer des TSV Bayer Dormagen beim Schlusslicht in Aue enorm wichtig. Doch bei aller Euphorie ging der Blick auch schon aufs Heimspiel am Freitag gegen Dessau.
DORMAGEN „Katastrophe“dürfte das am meisten verwendete Wort am Sonntagabend bei Spielern und Verantwortlichen des EHV Aue gewesen sein. Damit brachten sie das Geschehen beim im Vorfeld als so wichtig eingestuften Heimspiel der 2. Handball-Bundesliga gegen den TSV Bayer Dormagen auf den Punkt. Denn die Gastgeber hätten im Kampf gegen den Abstieg unbedingt einen Sieg gebraucht. Daraus wurde allerdings nicht, weil die ebenfalls mächtig unter Druck stehenden Dormagener nach zwei bitteren Niederlagen zum Start in die Restsaison die Kurve bekamen und mit einer kämpferisch starken und sehr seriösen Leistung Aue letztlich keine Chance ließen. Der 33:24 (18:15)-Auswärtssieg in der gefürchteten Erzgebirgshalle war die passende Reaktion auf die jüngsten Vorstellungen.
Entsprechend ließen die Dormagener nach der Schlusssirene ihren Emotionen freien Lauf. Darüber vergaßen sie allerdings nicht die treuesten ihrer treuen Fans, die die über 500 Kilometer lange Fahrt nach Aue auf sich genommen hatten. Es waren zwar nur vier, aber die waren in der mit fast 1700 Zuschauern üppig gefüllten Erzgebirgshalle dank ihres Dauertrommelns während des ganzen Spiels nicht zu überhören. Entsprechend herzlich viel der Dank der TSV-Spieler aus. Alles gut also bei den Dormagenern? Für den Moment schon, doch was neben den beiden so wichtige Punkten Mut macht, war, dass trotz aller Euphorie die Gedanken schon bald wieder bei den nächsten Aufgaben waren. „Vier Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz sind gar nichts, in dieser 2. Liga weiß man nie. Spätestens ab Dienstag bereiten wir uns auf das nächste wichtige Spiel gegen Dessau vor“, meinte etwa TSV-Kapitän Patrick Hüter, der nach dem bitteren Aus gegen Coburg wegen einer Platzwunde dieses Mal hatte durchspielen können. Trainer Matthias Flohr gönnte seinen Spielern die gelöste Stimmung im Mannschaftsbus, berichtete aber, dass von übertriebener Partylaune keine Spur gewesen sei, er selbst nutzte die Rückfahrt, um den Dessau-Roßlauer HV per Video zu analysieren, also das nächste enorm wichtige Spiel am Freitag daheim gegen die punktgleiche Truppe aus Sachsen-Anhalt vorzubereiten.
Was kann er aus dem Sieg gegen Aue mitnehmen? „Es war einfach stark, wie wir in den schlechten
Phasen die Ruhe und den positiven Spirit beibehalten haben. Und das gegen eine Auer Mannschaft, die vorher eine Alles-oder-nichts-Partie ausgerufen hatte“, sagte TSV-Coach Matthias Flohr. Denn gerade in der ersten Hälfte gab es holprige Momente, etwa als Alexander Senden beim Stand von 0:1 direkt in der ersten Aktion des TSV mit einem freien Wurf an EHV-Keeper Sveinbjörn Petursson scheiterte, der hinterher als Spieler des Spiels geehrte Rechtsaußen Jan Reimer beim Stand von 5:5 aus einem idealen Winkel nicht an Petursson vorbeikam (10.) und später auch noch mal bei einer 12:11-Führung einen Siebenmeter an die Latte setzte (22.). Der TSV brauchte auch eine Weile, um sich auf die 5:1-Abwehr der Gastgeber einzustellen und geriet zwischenzeitlich mal 5:7 (13.) in Rückstand. Bis zum 15:15 (29.) durch Aues Spielmacher Sebastian Paraschiv war es aber ein Spiel auf Augenhöhe, doch dann waren es drei leichte Fehler des EHV, die Dormagen innerhalb von anderthalb Minuten eiskalt bestrafte und dem Gegner damit einen Tiefschlag versetzte, von dem der sich nicht mehr erholte.
Zumal Aues Rechtsaußen Francisco Pereira Hälfte zwei mit einem Siebenmeter an den Pfosten eröffnete und damit nicht gerade den Glauben an eine Wende förderte. Für TSV-Keeper Christian Simonsen, der zwischenzeitlich für Louis Oberosler hatte Platz machen müssen, war es offenbar ein Mutmacher. Denn hinter der insgesamt sehr
beweglichen und aggressiven Dormagener Abwehr spielte er sich in einen Rausch und brachte die gegnerischen Angreifer mit einer Quote von 50 Prozent gehaltener Bälle zur Verzweiflung. Auch die gefürchtete Atmosphäre in der Erzgebirgshalle kam nicht mehr auf. Spätestens als Finn Schroven in der 49. Minute auf 28:20 erhöhte, war die Partie entschieden. Eine weitere Erkenntnis des Sieges in Aue: Durch die lange unsichere Rückkehr von Spielmacher Ian Hüter und die insgesamt deutlich entspanntere Personalsituation hatten die Dormagener auch mit ihrer jungen Mannschaft wieder ganz andere Möglichkeiten als zuletzt gegen Coburg. Am Freitag gegen Dessau kann des TSV wieder jeden Mann gebrauchen.