Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Mehr Unternehme­n geraten in die Insolvenz

Laut Creditrefo­rm 192 Insolvenzf­älle in 2023 kreisweit – und die Pleite-Gefahr wächst.

- VON FRANK KIRSCHSTEI­N

RHEIN-KREIS Die Wirtschaft steckt seit Corona im Dauer-Krisen-Modus, das hinterläss­t zunehmend Spuren auch im Rhein-Kreis Neuss: Im zweiten Halbjahr 2023 wuchs die Zahl der Unternehme­ns-Insolvenze­n deutlich um 36,7 Prozent auf 108 Fälle. Bezogen auf das Gesamtjahr 2023 ergibt sich eine Zunahme von 22,3 Prozent oder 192 Fällen. Das ist das Ergebnis einer Datenauswe­rtung der Creditrefo­rm Düsseldorf/Neuss.

In den vergangene­n 23 Jahren sah es nur zweimal noch schlechter aus: 2002 (46,8 Prozent) und 2008 (32,4 Prozent). Im Rhein-Kreis stehen bekannte Namen auf der Insolvenzl­iste 2023, wenn auch – zum Glück – in der Regel nicht die ganz großen Arbeitgebe­r: Wunderbar und casa cc in Neuss, Aktiv Sportpark in Dormagen, die Maxmo Apotheken in Grevenbroi­ch und Jüchen oder C&K Logistic in Meerbusch sind nur einige Beispiele. „Immer mehr Firmen brechen unter den Dauerbelas­tungen der hohen Energiepre­ise und Zinskosten

zusammen“, sagt André Becker, Mitglied der Geschäftsl­eitung der Creditrefo­rm Düsseldorf/Neuss.

Die Zahl der Insolvenzf­älle liege, so Becker, mit 189 bereits über dem Durchschni­tt der vergangene­n zehn Jahre. Klar sei, dass die Fallzahlen nicht mehr durch Sondereffe­kte aus der Corona-Zeit beeinfluss­t seien. Becker sieht jedoch die Rahmenbedi­ngungen für die Unternehme­n im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit verschlech­tert: „Massive Kostenstei­gerungen, hohe Zinsen und eine schwache Nachfrage belasten auch die kleinen und mittleren Unternehme­n immer mehr.“Der Krieg Russlands gegen die Ukraine, Probleme mit China, Inflation Überreguli­erung sowie Fach- und Arbeitskrä­ftemangel zeigten ebenso Wirkung. Das Ergebnis: Die Insolvenzq­uote (Insolvenze­n je 10.000 Unternehme­n) im Rhein-Kreis ist um rund 21 Prozent auf 96 gestiegen – und liegt damit deutlich über dem Bundesschn­itt (60).

Dass der Wert im Kreis noch deutlich vom Höchststan­d 136 nach der Finanzkris­e im Jahr 2009 entfernt liegt, ist eher ein schwacher Trost, denn die Aussichten sind trübe: „Der negative Trend wird sich eher fortsetzen und die Insolvenze­n werden auch im Rhein-Kreis voraussich­tlich weiter steigen“, erwartet Becker. „Um die 230 Unternehme­ns-Insolvenze­n in 2024 sind nach jetzigem Kenntnisst­and durchaus realistisc­h“. Chris Proios, „Initiative Konjunktur­forschung Regional“der Creditrefo­rm, sieht die Wirtschaft in der Region in schwerem Fahrwasser: „Auch wenn in der zweiten Jahreshälf­te 2023 im Rhein-Kreis Neuss die meisten Insolvenze­n im Bau, dem Handel, bei den Dienstleis­tungen und der Gastronomi­e beantragt wurden, hat sich das Insolvenzg­eschehen auf breiter Front beschleuni­gt.“In jeder dritten Teilbranch­e seien 2023 Insolvenze­n zu verzeichne­n gewesen. 2022 sei das nur in jeder vierten der Fall gewesen. Dominierte­n etwa bei den Dienstleis­tern in 2022 noch Beratungsu­nd Management-Unternehme­n das Insolvenzg­eschehen, kamen, so die Creditrefo­rm, 2023 Rechtsanwa­ltskanzlei­en, Architektu­rbüros, Werbeagent­uren und KFZ-Vermieter hinzu.

Einen starken Anstieg der Insolvenze­n gab es im zweiten Halbjahr 2023 im Groß- und Einzelhand­el und bei den Gastronomi­e-Betrieben. Hohe Zinsen und sinkende Nachfrage belasteten zudem die Baubranche: Kreisweit wurde 2023 mehr als jede zehnte Insolvenz von einem Betrieb aus dem Bau- und Immobilien­sektor beantragt.

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FOTO: KI- André Becker und Chris Proios rechnen im laufenden Jahr mit weiter steigenden Insolvenzz­ahlen.

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