Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Wie ein Büro die Selbsthilfe bei den ersten Schritten begleitet
NEUSS Sie tauschen sich untereinander aus, treffen auf Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben oder bilden sich gemeinsam fort: Andreas Schnier kennt verschiedene Selbsthilfegruppen in der Region. Seit gut viereinhalb Jahren leitet er das Selbsthilfebüro in Neuss, das zur Selbsthilfekontaktstelle gehört – einem gemeinsamen Angebot des Kreises und des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.
Rund 120 Selbsthilfegruppen zählt Schnier für den Rhein-Kreis Neuss. In seinem Gebiet, das aus Neuss, Kaarst und Meerbusch besteht, seien es rund 75 Gruppen. Und die Vielfalt ist groß: Neben Gruppen, in denen Menschen mit verschiedenen Suchterkrankungen zusammenkommen, gibt es auch eine Anlaufstelle für diejenigen, die unter einer gesundheitlichen, seelischen oder sozialen Belastung leiden. Einige Gruppen richten sich gezielt an Angehörige. „Der gemeinsame Austausch kann entlasten“, sagt Schnier. Denn nicht immer könne das Umfeld der Betroffenen gut mit dem Thema umgehen oder Freunde und Familie wollen davon „irgendwann nichts mehr hören.“
In den Gruppen treffen die Mitglieder dagegen auf andere, die ähnliche Erfahrungen gesammelt haben und sich so verstanden fühlen. „Bei einigen Krankheitsbildern werden in der Gruppe auch Therapieformen besprochen“oder es wird sich gemeinsam fortgebildet, zum Beispiel, weil sie einen Referenten einladen, so Schnier. Möglich ist das durch eine finanzielle Förderung: „Die Krankenkasse unterstützt die Selbsthilfe“, sagt Schnier. Davon profitieren unter bestimmten Voraussetzungen auch die Gruppen, die die Gelder dann etwa in Raummiete, Info-Flyer oder Fortbildungen investieren.
Die Idee zur Selbsthilfe geht zurück auf die Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals wurde etwa der Taubstummen-Verein in Berlin gegründet. Einen Aufschwung gab es dann laut dem Portal „Selbsthilfe unterstützen“in den 1980er und 90er Jahren. In jener Zeit entstanden auch die örtlichen Selbsthilfekontaktstellen. „Wir unterstützen die Selbsthilfe“, sagt Schnier. Dazu gehört etwa eine Erstberatung. „Wir schauen für jeden Einzelnen, welche Gruppe für ihn infrage kommen könnte.“
Häufig kommen zu ihm Menschen mit psychischen Krankheiten. „Depressionen und Ängste sind das Thema Nummer eins“, sagt Schnier. Das könne aber auch daran liegen, dass Betroffene von somatischen Krankheiten und Suchterkrankte häufig von Fachärzten oder anderen Stellen an die Gruppen vermittelt werden. Das Neusser Selbsthilfebüro bietet dabei einen geschützten Raum, nicht nur für Beratungen und Treffen, sondern auch, wenn es darum geht, die Anonymität zu wahren. So möchte nicht jede Gruppe ihre Treffpunkte und Zeiten im Internet veröffentlichen.
Wenn keine entsprechende Gruppe vorhanden ist, sucht Schnier für die Ratsuchenden zunächst in der Umgebung. Oder er ermutigt sie, selbst eine Gruppe zu gründen. Das Selbsthilfebüro begleitet die Betroffenen dann bei den ersten Schritten, hilft bei der Raumsuche, gibt Tipps, wie die Gruppe auf sich aufmerksam machen kann und ist auch bei den ersten Treffen dabei. Die Moderation werde dabei von der Gruppe selbst übernommen, doch seien die Mitglieder anfangs froh, wenn sie Tipps für die ersten Schritte bekommen.
In diesem Zuge werden auch Regeln festgelegt: Etwa, „alles bleibt im Raum“, „ich rede nur von mir und gebe keine Ratschläge“, „man hört einander zu und geht aufeinander ein.“Das Selbsthilfebüro ist aber auch für Unterstützung verfügbar, etwa wenn der Eindruck entsteht, dass in der Gruppe etwas schief läuft. Ein Mal im Jahr lädt die Selbsthilfekontaktstelle auch zu einem Selbsthilfetag ein, an dem sie sich und die verschiedenen Gruppen vorstellen.