Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Eine Zeitreise im Zeichen des Sports
Die Reihe „Geschichte(n) beim Wein“gehört zu den populärsten des Forums Archiv und Geschichte. Nun drehte sich alles rund um die Neusser Sport-Historie – und dabei wurde auch an ein mörderisches Gefecht erinnert.
NEUSS Trinken, Bildung und Essen – dieser Dreiklang prägte den Sonntagabend im Restaurant „Kohlmann’s“der Bürgergesellschaft zu Neuss. Man könnte auch von einem Dreikampf sprechen. Immerhin lautete das Thema „Neuss in Bewegung – Sport macht Geschichte“. Das Forum Archiv und Geschichte hatte eingeladen und die Traditionsveranstaltung war wieder ausverkauft. Die Älteren schwelgten in Erinnerungen und die Jüngeren bekamen einen Einblick in längst vergangene Zeiten.
Zwischen den Häppchen, die immer wieder gereicht wurden und den Weinverkostungen von Christoph Poertzgen, der jeden der Rebensäfte genau zu charakterisieren wusste, gab es gegen den Wissensdurst sechs Vorträge, die alle mit dem Sport in Neuss zu tun hatten. Der Neusser Archivar Jens Metzdorf verriet, dass in Neuss schon im Mittelalter Sport getrieben wurde. „Die erste Sportstätte gab es bereits 1241 – überliefert ist ein großes Turnier im Mai 1241.“Es sei ein mörderischen Gefecht gewesen, das mehrere Grafen mit dem Leben bezahlen mussten.
1475, während der Belagerung durch die Burgunder, führten die Neusser Kampfspiele auf. Ihre Botschaft an die Belagerer: Wir sind stark und alles andere als mutlos. Vor knapp 150 Jahren wurde die Pferderennbahn erbaut, die große Tribüne von 1909 wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. 1894 wurde die erste Neusser Volksbadeanstalt erbaut. Das Publikum erfuhr, dass der erste Sportplatz für Ballspiele und Leichtathletik dort errichtet wurde, wo sich heute der Botanische Garten befindet. „1919 wurde das Stadion an der Hammer Landstraße gebaut, es bot Platz für 15.000 Zuschauer“, verriet der Stadtarchivar. Legendär ist der Besuch von Fußballstar Pelé und der Sieg gegen Fortuna Düsseldorf.
Eine Sportstätte, das Stadion an der Jahnstraße, wird jetzt 100 Jahre alt. Der Bau in sozial schwierigen Zeiten bot Erwerbslosen eine Beschäftigungsmöglichkeit. „Die Kegelsportanlage dort war ein Alleinstellungsmerkmal“, sagte Metzdorf. Zu einem Grillo aus Sizilien, einem trockenen Wein, gab es Anekdoten und Informationen von Martin Flecken zum 120 Jahre alten Neusser Ruderverein unter der Überschrift „De Dolle vom Niederrhein“. Gegründet worden war der Verein zwar von zwei Junggesellen, die in Neuss arbeiteten, aber im Laufe der Jahre und Jahrzehnte entdeckte die feine Neusser Gesellschaft den Verein
für sich. „In den 1970er Jahren stand Gemischtrudern noch unter Strafe“, erklärte Flecken. Männer und Frauen kamen sich trotzdem näher, so manches Paar lernte sich im 1925 errichteten Bootshaus oder am Sporthafen kennen und lieben.
Sind Sport und Politik ziemlich beste Freunde? Dieser Frage ging Ludger Baten auf den Grund. Er erinnerte an das Credo seines Mentors Alfons Kranz: „Sport ist Sozialpolitik und sollte für Städte keine freiwillige, sondern eine Pflichtaufgabe
werden. Er erinnerte an „Erfindungen“wie die Stiftung Sport, die Wahl zum Sportler des Jahres und ließ durchblicken, dass er sich mehr Visionäre wünschen würde.
„Der Herr des Ringens“: Unter dieser Überschrift lud Sabine Weber ein zu einer Zeitreise von „Kochse Köbes“bis zum Jubiläum 100 Jahre KSK Konkordia. Jakob Koch, ein Neusser Original mit Zwirbelbart, brachte es zum Weltmeister im Schwergewicht in der Disziplin Ringen. Bei einem Kampf in Berlin im Jahre 1904 brachen nach dem Sieg der Neussers Tumulte aus. Volker Koch widmete sich dem Thema „Sport im Spiegel der Neusser Presse“. Er erinnerte an Zeiten, als es noch keine Live-Ticker gab, als der Zeitdruck noch nicht ganz so groß war. Längst gibt es keine Hintergrundinfos bei Schnittchen, weil die Spielberichte spätestens zwei Minuten nach Abpfiff ins Netz gestellt sein müssen. Den vergangenen Zeiten, wo man erst dann mit den Sportlern sprechen
konnte, wenn sie geduscht und gefönt waren, trauerte er schon ein wenig nach. „Ohne Moos nix los“: Simon Hopf schlug einen Bogen von Zeiten, als Vereinsfunktionäre an der Theke die Hand aufhielten, sich einen Satz Trikots auf hemdsärmelige Weise sicherten hin zu klar erkennbaren Strukturen, entwickelt von Sponsoren. Sportförderung mache für Unternehmen Sinn: „Es geht um die Vorbildfunktion, damit Menschen sich Ziele setzen“, erklärte Simon Hopf.