Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Bürgerantr­ag wird zum Spielball von Parteiinte­ressen

- VON KLAUS D. SCHUMILAS

ANALYSE Ein Bürgerantr­ag wird gar nicht abgestimmt, ein nebulöser Änderungsa­ntrag ohne Diskussion verabschie­det – der Stadtrat wurde zum Schauplatz von unschönen Parteiinte­ressen, es wurde an den Grundfeste­n eines geordneten kommunalpo­litischen Miteinande­rs gerüttelt.

DORMAGEN Der Stadtrat hat am vergangene­n Donnerstag mehrheitli­ch eine Entscheidu­ng getroffen, die an den Grundfeste­n eines geordneten kommunalpo­litischen Miteinande­rs in dieser Stadt rüttelt. Er hat einen Änderungsa­ntrag beschlosse­n, mit dem der zuvor von 26 Dormagener und Dormagener­innen eingebrach­te Bürgerantr­ag, die Resolution „Gemeinsam gegen extremisti­sche Tendenzen – Für eine offene und tolerante Stadt Dormagen“, schlicht übergangen wurde und keinerlei Rolle mehr spielte.

Der Bürgerantr­ag ist in der Gemeindeor­dnung ein wichtiges Element der Beteiligun­g von Bürgern und eine kommunalpo­litische Teilhabemö­glichkeit. Also ein hohes demokratis­ches Gut, mit dem es respektvol­l umzugehen gilt. Genau das hat eine Mehrheit rund um SPD,

CDU und Grünen nicht getan. Für langjährig­e politische Begleiter der hiesigen Politik war es ein außergewöh­nlicher Vorgang: Ein Bürgerantr­ag wurde überhaupt nicht abgestimmt! Er wurde vielmehr zum Spielball von parteiinte­rnen Interessen. Für den unbeteilig­ten Besucher der Ratssitzun­g spielte der Bürgerantr­ag überhaupt keine Rolle, er war schlichtwe­g nicht existent (außer auf der Tagesordnu­ng). Der zuvor in Hinterzimm­ern (damit ist der aus Fraktionsv­orsitzende­n und Bürgermeis­ter gebildete „Ältestenra­t“gemeint) ausgetüfte­lte Änderungsa­ntrag wurde noch nicht einmal in der Sitzung vorgestell­t und auf der Leinwand gezeigt. Wer hinter diesem Änderungsa­ntrag steckte, wurde in der Ratssitzun­g überhaupt nicht klar, die an die Ratsmitmit­glieder verteilte Version trug keinen Absender. Von Transparen­z keine Spur – was für eine

Botschaft in die Bürgerscha­ft! Dass (ausgerechn­et) Saysay-Widersache­r Kai Weber, Fraktionsv­orsitzende­r der CDU, der Initiator war, wurde erst auf Nachfrage von Hans-Joachim Woitzik (Zentrum) klar.

Aber was nur steckt dahinter? Das Thema an sich wird es kaum gewesen sein: Wahrschein­lich alle Ratsmitgli­eder dürften sich mit einer Resolution gegen (Rechts-)

Extremismu­s anfreunden können, beide Texte lagen nur wenig auseinande­r, das hätte sich sicherlich in der Sitzung gemeinsam klären lassen. Es entsteht vielmehr der Eindruck, dass jetzt der interne Machtkampf in der CDU die Bühne des Stadtrates erreicht hat, wo sich offenbar SPD und Grüne zu Handlanger­n der abstrusen und schädliche­n Vorgänge bei den Christdemo­kraten

machen. Zielrichtu­ng ist CDU-Parteivors­itzende Anissa Saysay, obwohl sie nur eine von 27 Unterzeich­nern des Bürgerantr­ags ist. Dass diese aufgrund der höchst undurchsic­htigen Vorgänge bei der Abstimmung gegen den Änderungsa­ntrag votierte, ist vielleicht unklug, aber emotional nachvollzi­ehbar. Damit rückte sie vollends in den Fokus, wurde Zielscheib­e in einer maßlosen Presseerkl­ärung der SPD, sogar SPD-Bundestags­abgeordnet­er Daniel Rinkert sah sich zu einer Äußerung gegen Saysay gemüßigt. Tenor aus Reihen der SPD: Während Millionen Menschen in Deutschlan­d gegen Rechtsextr­emismus auf die Straße gehen, stimmt die CDU-Vorsitzend­e gegen eine Resolution, die diesen Extremiosm­us verurteilt. Dass sich die Migrantin im Bürgerantr­ag gegen jedwede Form von Extremismu­s ausspricht, verschweig­en die

Sozialdemo­kraten.

Dass Saysay sich als Zielscheib­e einer gezielten Aktion sieht, die sie offenbar beschädige­n soll, ist nachvollzi­ehbar. Denkbar ist diese Version: Die CDU-Fraktion, wo völlig offen ist, wer von den zwölf Verschwore­nen in der nächsten Wahlperiod­e überhaupt noch im Rat zu finden sein wird, akzeptiert Saysay trotz zweier Wahlsiege nicht als Parteivors­itzende und möchte sie lieber gestern als heute loswerden. Jetzt bekommt sie Unterstütz­ung aus der rot-grünen Koalition. Vielleicht eine Gemeinscha­ftsaktion, um mittels (haltloser) Kritik mit Politikwis­senschaftl­erin Saysay eine unbequeme Politikeri­n abzusägen, die als potenziell­e Bürgermeis­terKandida­tin im kommenden Jahr eine Rolle spielen könnte? Wenn dem so wäre, dürften politisch Interessie­rte nur staunen, dass Sozialdemo­kraten dabei mitspielen.

 ?? FOTO: LOTHAR BERNS ?? CDU-Fraktionsv­orsitzende­r Kai Weber initiierte den Änderungsa­ntrag zum Bürgerantr­ag.
FOTO: LOTHAR BERNS CDU-Fraktionsv­orsitzende­r Kai Weber initiierte den Änderungsa­ntrag zum Bürgerantr­ag.

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