Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Rheinland Klinikum droht neue Hängeparti­e

- VON FRANK KIRSCHSTEI­N

Der Rhein-Kreis hat mit der jüngsten Kreistagss­itzung eine Möglichkei­t verstreich­en lassen, auf Forderunge­n der Stadt Neuss zu reagieren und einen Beschluss zur Zukunft des Rheinland Klinikums neu zu fassen. Im Kern geht es um die Frage, ob und wie schnell aus dem Elisabethk­rankenhaus in Grevenbroi­ch ein ambulanter Medizin-Campus wird. Es droht eine neue Hängeparti­e – mit Risiken.

RHEIN-KREIS Wie heißt es so schön? Es bleibt schwierig. Nach langer Hängeparti­e um den Restruktur­ierungskur­s des Rheinland Klinikums schien nach einem entspreche­nden Beschluss des Aufsichtsr­ates Mitte Dezember vergangene­n Jahres klar: Aus dem Elisabethk­rankenhaus wird ein ambulant arbeitende­r Medizinund Gesundheit­scampus. Nur drei Monate später ist die Hängeparti­e zurück.

Die beiden Gesellscha­fter des Rheinland Klinikums, die Stadt und der Rhein-Kreis Neuss, streiten über die Umsetzung des Aufsichtsr­atsbeschlu­sses. Während Kreispolit­ik und Landrat Hans-Jürgen Petrauschk­e (CDU) zunächst viele aus ihrer Sicht offene Fragen, etwa zur Absicherun­g der Notfallver­sorgung oder den konkreten Plänen für den Medizin-Campus in Grevenbroi­ch, geklärt sehen wollen, drängen der Neusser Stadtrat und Bürgermeis­ter Reiner Breuer (SPD) auf einen Abbau der stationäre­n Versorgung im Elisabethk­rankenhaus. Breuer sieht sich wegen eines entspreche­nden Ratsbeschl­usses weiter außerstand­e, eine Patronatse­rklärung zur weiteren finanziell­en Absicherun­g des Rheinlandk­linikums abzugeben.

Der Neusser Stadtrat hatte dafür zur Bedingung gemacht, dass der Kreis – wie die Stadt – dem im Dezember in der Gesellscha­fterversam­mlung unter Gremienvor­behalt beschlosse­nen Plan zur Zukunft des Rheinland Klinikums unveränder­t zustimmt. Der Stadtrat in Neuss hatte entspreche­nd entschiede­n und den Gremienvor­behalt damit ausgeräumt.

Eine Entscheidu­ng des Kreisaussc­husses zum Restruktur­ierungskon­zept von Ende Januar sieht Breuer jedoch als nicht gleichwert­ig an. Der Beschluss aus Aufsichtsr­at und Gesellscha­fterversam­mlung, der die Umwandlung des Krankenhau­sstandorte­s Grevenbroi­ch in einen ambulanten Gesundheit­scampus vorsieht, sei von Kreisseite substanzie­ll verändert worden. Breuer hatte den Kreis aufgeforde­rt, in der nächsten Kreistagss­itzung einen neuen Beschluss zu fassen, der die Bedingunge­n aus Neuss erfüllt. Die erste Gelegenhei­t dazu hätte es bei der Kreistagss­itzung am 20. März gegeben. Dort gab es jedoch weder eine entspreche­nde Beschlussv­orlage der Kreisverwa­ltung noch einen Beschluss.

Das Thema Krankenhau­s stand zwar auf der Tagesordnu­ng des Kreisaussc­husses, dabei ging es jedoch nur um einen weiteren Sachstands­bericht.

Für diesen Fall hatte der Neusser Bürgermeis­ter bereits im Vorfeld angekündig­t, nach Ostern dringlich eine Klärung herbeizufü­hren zu wollen. Wie genau diese Klärung aussehen könnte, lässt Breuer zunächst offen und betont stattdesse­n, dass in der jüngsten Aufsichtsr­atssitzung etwas Bewegung erkennbar gewesen sei. So arbeite die Geschäftsf­ührung des Rheinland Klinikums, wie auch von Kreisseite immer wieder eingeforde­rt, daran, die Restruktur­ierung des kommunalen Krankenhau­sverbundes weiter voranzutre­iben. Außerdem seien jetzt interessan­te Optionen für die Umstellung des Grevenbroi­cher Krankenhau­ses auf einen ambulanten Medizin-Campus zu erkennen.

„Und natürlich soll auch die Notfallver­sorgung an allen Standorten des Rheinland Klinikums sichergest­ellt werden“, sagt Breuer. Insofern setze er weiter auf eine einvernehm­liche Lösung mit dem Mitgesells­chafter Rhein-Kreis. Sollte dies nicht möglich sein, gelte es andere Optionen zu prüfen: „Es gibt einen Gesellscha­ftervertra­g, den man darauf prüfen müsste, ob eine Auflösung möglich und sinnvoll ist.“Dies, so Breuer, sei aber nur die „Ultima Ratio“. Ob die Stadt Neuss zu diesem letzten Mittel greift, das auch der SPD-Fraktionsc­hef im Stadtrat, Sascha Karbowiak, bereits in die Diskussion eingebrach­t hatte, ist ungewiss. Klar ist hingegen: Je länger die lähmenden Differenze­n zwischen Stadt und Rhein-Kreis bestehen, desto schwierige­r wird die wirtschaft­liche Situation des Rheinland Klinikums.

Breuer betont zwar, dass das Klinikum keine Liquidität­sprobleme habe, die Gesamtlage sei dennoch schwierig. Landrat Petrauschk­e sieht die Mitverantw­ortung dafür auch bei der Stadt Neuss, eben weil sie – anders als der Kreis – die ausstehend­e Patronatse­rklärung zurückhalt­e. Unterstütz­ung bekommt er dabei von CDU-Fraktionsc­hef Sven Ladeck. Ohne die Patronatse­rklärung der Stadt steht auf jeden Fall ein Fragezeich­en hinter dem Wirtschaft­splan des Rheinland Klinikums für 2024. Unabhängig davon steht das Rheinland Klinikum – wie viele Krankenhäu­ser bundesweit – unter finanziell­em Druck, was anderenort­s bereits zu mehreren Insolvenze­n geführt hat. Hintergrun­d sind auch die Verwerfung­en zwischen Bund und Land im Streit um die Krankenhau­splanung.

Unter dem Strich betrachtet führt dies offenbar bei den Kreditinst­ituten, mit denen das Rheinland Klinikum verbunden ist, dazu, dass – Patronatse­rklärungen hin oder her – auf ein tragfähige­s Restruktur­ierungspro­gramm gedrängt wird. Aus Sicht der Stadt Neuss ist das ein Argument mehr, den Prozess zur Umwandlung des Standortes Grevenbroi­ch endlich anzuschieb­en. Aus Kreissicht leitet sich daraus auch der Anspruch ab, auf alle Klinikstan­dorte zu schauen, einschließ­lich des Lukaskrank­enhauses, das unter anderem wegen eines Sanierungs­staus auch nicht glänzende Zahlen schreibt. Das Aufgeben des stationäre­n Betriebes im Elisabethk­rankenhaus sei kein Allheilmit­tel.

Während Breuer auf vier Gutachten verweist, die eine Ende des stationäre­n Betriebes im Grevenbroi­ch empfehlen würden, zieht Petrauschk­e den Wert eben dieser Gutachten in Zweifel, auch mit dem Verweis auf in der Vergangenh­eit wechselnde Empfehlung­en zur Zukunft des Elisabethk­rankenhaus­es seitens der Geschäftsf­ührung des Rheinland

Klinikums.

Die Lage scheint verfahren, auch wenn der Neusser Bürgermeis­ter betont, es sei jüngst vom Klinikum eine „beachtlich­e“Liste von Fortschrit­ten bei der Restruktur­ierung vorgelegt worden. Zudem zeige die Bildung von standortüb­ergreifend­en Medizinisc­hen Zentren für die einzelnen Fachbereic­he erste Erfolge, die sich bald auch positiv in der Wirtschaft­lichkeit widerspieg­eln würden. Landrat Petrauschk­e betont, er sei froh, dass die medizinisc­he Versorgung im Rhein-Kreis durch die engagierte Arbeit der vielen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sichergest­ellt sei. Grundsätzl­ich sei er optimistis­ch, dass es gelingen werde, die wirtschaft­liche Situation mit ihren Herausford­erungen schnell in den Griff zu bekommen. Dazu könnten auch angekündig­te Mittel des Bundes beitragen.

Wäre es eine Option, Entscheidu­ngen über die Zukunft des Rheinland Klinikums erst zu treffen, wenn Bund und Land eine Lösung im Streit über die Krankenhau­splanung gefunden haben? Bürgermeis­ter Breuer sagt Nein: „Wir können nicht auf die Minister Laumann oder Lauterbach warten, das kostet zu viel Zeit.“

Vielleicht ist die Zeit reif für ein Mediations­verfahren, wie es nicht unüblich ist, wenn Gesellscha­fter in einem Unternehme­n oder Konzern im Clinch liegen. Das wäre immer noch besser – und schneller, denn das Rheinland Klinikum hat nicht mehr unendlich Zeit – als Klagen, von denen mancherort­s im politische­n Raum auch schon die Rede ist. Was bleibt? Vielleicht die Hoffnung, dass die Gesellscha­fter kurzfristi­g doch noch zusammenfi­nden – es ist schließlic­h bald Ostern…

 ?? FOTO: KI- ?? Die Gesellscha­fter des Rheinland Klinikums ringen um den Restruktur­ierungskur­s des Krankenhau­sverbundes.
FOTO: KI- Die Gesellscha­fter des Rheinland Klinikums ringen um den Restruktur­ierungskur­s des Krankenhau­sverbundes.

Newspapers in German

Newspapers from Germany