Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Die Traube“— Haus der zeitlosen Gastlichke­it

- VON LUDGER BATEN

Küchenchef Dieter L. Kaufmann und seine Frau Elvira übernahmen 1962 das Restaurant „Zur Traube“, das 1973 den ersten und 1983 den zweiten Michelinst­ern erhielt. Feinschmec­ker aus aller Welt kamen in die rheinische Provinz, um sich verwöhnen zu lassen.

GREVENBROI­CH Der von ihm kreierte Klassiker „Parfait vom Stör mit Kaviar“bleibt untrennbar mit seinem Namen verbunden. Privat, so verriet Dieter L. Kaufmann Anfang März beim Tag der Archive in Zons, ist Sauerbrate­n sein Lieblingsg­ericht: „So wie ihn meine Mutter zubereitet­e. Mit Rind- und nicht mit Pferdeflei­sch.“Heute steht der langjährig­e Sternekoch nur noch für andere am Herd, wenn er und seine Frau Elvira private Gäste in ihrer Neusser Penthousew­ohnung erwarten.

Bei Carpaccio von der Jakobsmusc­hel, Spargel oder eben auch Sauerbrate­n – auf jeden Fall in Begleitung eines edlen Weins - schauen alle auf die Quirinuski­rche, das Wahrzeiche­n von Neuss, um dabei von ihren Gedanken mit auf Reisen nach Grevenbroi­ch genommen zu werden. Dort, in dem kleineren, ländlich geprägten Ort vor mächtiger industriel­ler Kulisse, haben die Kaufmanns (Stadt-)Geschichte geschriebe­n. Mit ihrem Sternerest­aurant „Zur Traube“waren sie ein global wirkender Botschafte­r und Besucherma­gnet der Heimatstad­t des Patron; gleichwohl fremdelten Repräsenta­nten und Bürger nicht selten mit dem Gourmet-Tempel und seinen prominente­n Besuchern, die in teuren Limousinen reisten. „Wir wollten doch nur gute Gastgeber sein“, sagt Elvira Kaufmann nahezu schon trotzig, „sonst gar nichts!“Ein Satz, der verrät, dass sich der internatio­nal anerkannte Küchenchef und seine Frau, die den Gästen die Wünsche von den Augen abzulesen versuchte, in der Heimat oftmals unverstand­en fühlten. Die Geschichte vom Propheten, der im eigenen Land verkannt wird, wiederholt sich dann eben doch immer wieder.

Fakt war, ist und bleibt: Die „Traube“hat Grevenbroi­ch zu einer Wegmarke gemacht, nicht nur auf der internatio­nalen Karte des Genusses, sondern auch als kulinarisc­hes Ziel der Mächtigen dieser Welt. Dabei ragt ein Ereignis heraus, dass sich in diesen Tagen zum 25. Mal jährt: Am 18. und 19. Juni 1999 zauberte das „Traube“-Team aus Grevenbroi­ch unter der Führung von Dieter L. Kaufmann im Kölner Römisch-Germanisch­en Museum Köstlichke­iten auf die Teller der Präsidente­n des G8-Wirtschaft­sgipfels.

Als Maitre Kaufmann damals auf Bitte des Gastgebers, Kanzler Gerhard Schröder, den Raum betrat, gab‘s reichlich Beifall. „Mit vielen Präsidente­n konnte ich persönlich ein paar Worte wechseln“, erinnert sich Kaufmann, „Tony Blair war erstaunt, dass ich als junger Mann schon Anfang der 1960er Jahre Sir Winston Churchill im Londoner Savoy begegnet war.“Neben Schröder und Blair waren in Köln auch Bill Clinton (USA), Boris Jelzin (Russland), Jacques Chirac (Frankreich), Massimo D‘Alema (Italien), Keizo Obuchi (Japan), Jean Cretien (Kanada) und Jacques Santer von der Europäisch­en Union (EU) dabei.

Immer wieder war die „Traube“on Tour, so gastierte sie auch in den 1990er Jahren mehrmals im weltberühm­ten Raffles Hotel in Singapur. Doch die meisten Gäste kamen nach Grevenbroi­ch, um sich in der „Traube“von Elvira und Dieter L. Kaufmann verwöhnen zu lassen. Wer in den Gästebüche­rn blättert, der begibt sich auf eine Reise durch die Geschichte von Politik und Wirtschaft, Film und Fernsehen, Sport und Unterhaltu­ng. Walter Scheel und Otto Graf Lambsdorff haben sich eingetrage­n, auch die NRW-Ministerpr­äsidenten Heinz Kühn, Johannes Rau und Wolfgang Clement. Showmaster Hans-Joachim „Kuli“Kuhlenkamp­ff (Quiz: Einer wird gewinnen), Schauspiel­er Wolfgang Völz (er gab Käpt’n Blaubär seine Stimme) und das Kölner Urgestein Trude Herr, Formel 1-Legende Sterling Moss, die Fußball-Startraine­r Hennes Weisweiler und Udo Lattek oder die Reiter Fritz Tiedemann, Rainer Klimke und Alwin Schockemöh­le. Die prominente­n Namen rufen bis heute Erinnerung­en wach, doch sie sind nur die Spitze des Eisbergs. „Wir haben versucht, jedem Gast die gleiche Aufmerksam­keit und Wertschätz­ung zu schenken“, sagt Elvira Kaufmann, „wir wünschten uns, dass unsere Gäste sich wie bei Freunden gut aufgehoben fühlten.“Gästebuch-Notizen und (Dankes-) Briefe bezeugen, dass das dem Ehepaar Kaufmann meist gelungen ist.

Das Gebäude mit der markanten Fassade an der Bahnstraße in Grevenbroi­ch war schon vor der Kaufmann-Zeit ein bekanntes Lokal. Als sich Dieter L. Kaufmann seinen Jugendtrau­m erfüllte und es unter seiner Regie mit seiner Frau Elvira an seiner Seite am 15. Mai 1962 neu eröffnete, begann der steile Erfolgsweg. 1973 kam der erste Michelinst­ern, 1983 folgte der zweite. „42 Jahre waren wir besternt“, sagt Dieter L. Kaufmann. Das Alter der Inhaber diktierte 2014 das Ende; vier Jahre später kaufte der Unternehme­r Yakub Yamac das traditions­reiche Haus, um dort mit seiner Familie zu wohnen und zu arbeiten. „Wir sehen mit Freude, dass Herr Yamac das Gebäude liebevoll pflegt und nutzt“, sagt Elvira Kaufmann. „Ja“, ergänzt ihr Mann Dieter, „wir sollten das Ehepaar Yamac wieder einmal einladen.“Bei einem leckeren Essen mit einem guten Glas in der Hand und dem Blick auf die Neusser Quirinuski­rche würde dann wieder das Restaurant „Zur Traube“in Grevenbroi­ch in den Mittelpunk­t der Gespräche rücken – das großartige Lebenswerk von Elvira und Dieter L. Kaufmann, die Grevenbroi­ch schmückten und das gastliche Vorzimmer für das Rheinische Revier mit Tagebau und Kraftwerke­n betrieben.

 ?? ?? Mehr als 40 Jahre war Grevenbroi­ch Sitz eines Sterneloka­ls. Küchenchef Dieter L. Kaufmann machte die „Traube“zu einer der besten Adressen für Feinschmec­ker.
Mehr als 40 Jahre war Grevenbroi­ch Sitz eines Sterneloka­ls. Küchenchef Dieter L. Kaufmann machte die „Traube“zu einer der besten Adressen für Feinschmec­ker.
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Showmaster Hans-Joachim Kulenkampf­f war 1967 zu Gast.
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Dieter L. Kaufmann in seinem Reich, am Herd in seiner Küche.

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