Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Musiker ist jahrgangsbester Schreiner
Schreiner Bernd Steuer hat seinen Meister gemacht und wurde dabei Jahresbester. Bei der Feier der Handwerkskammer wird er für sein Meisterstück geehrt. Was der Schreibtisch mit seiner Vorliebe für Metal zu tun hat.
NEUSS Der Schreibtisch aus Kirschbaumholz mit weiß lackierter Oberfläche, an den Seiten gebogen, ist schon ein überaus chices Teil. Dass Bernd Steuer damit bei der Meisterprüfung Jahresbester wurde – absolut verständlich. Bei der Meisterfeier der Handwerkskammer Düsseldorf wird der Neusser Schreiner im Mai dafür geehrt. Bernd Steuer ist ein gebürtiger Neusser und lebt mit seiner Frau und zwei Söhnen in Neuss. Der heute 42-Jährige hat keinen gradlinigen, dafür aber einen umso interessanteren Weg zum Handwerk gefunden.
Nach dem Abi am Quirinus und Zivildienst bei den Gemeinnützigen Werkstätten (GWN) begann er ein Studium der Sozialarbeit an der Uni Duisburg. Gleichzeitig machte er Musik. Er spielte den Bass in der Düsseldorfer Thrash Metal-Band „Ravage“– und das mit einigem Erfolg. Damals gaben die fünf Bandmitglieder etliche Konzerte und spielten einige CDs ein. „Es war eine schöne Zeit“, bekennt Steuer. Und weil er seinen Bass auch selbst bauen wollte, machte Steuer ein Praktikum beim Bassbauer Christoph Dolf in Reuschenberg.
Dolf fragte ihn, was er eigentlich an der Uni wolle. Er nahm ihn mit zur Handwerkskammer und schubste ihn auf diese Weise in Richtung Handwerk. Bernd Steuer hat es nicht bereut. So begann er eine Ausbildung zum Schreiner in einem Betrieb in DüsseldorfPempelfort. Dort wurden in einem Hinterhof Möbel aufgebaut, etliche Fenster und Türen waren in Häuser einzubauen. In der dreijährigen Ausbildung konnte er recht früh vieles ganz alleine machen.
Nach zwei Gesellenjahren machte sich Bernd Steuer selbstständig und baute E-Gitarren und E-Bässe. Klassisch werden in diesem Sektor des Instrumentenbaus Hölzer wie Mahagoni, Ahorn oder Palisander verbaut. Steuer griff gerne auch zu Nußbaum, Kirsche oder Wenge, ein dunkles Edelholz aus afrikanischen Ländern. „Es kommt darauf an, wie das Instrument klingen soll“, versucht Steuer zu erklären. Soll es eher warm oder klar klingen? Soll der Ton schnell abebben oder nicht? Mit der
Länge des Gitarrenhalses lässt sich ebenfalls vieles steuern. Auch die Zahl der Verleimungen spiele eine Rolle. Bei Steuer war beim Gitarrenbau alles Handarbeit mit viel Liebe zum Detail. Damit könne man preislich nicht mit den Big Playern im Markt konkurrieren, die Teile ihrer Produktion nach Mexiko oder China auslagerten.
Sieben Jahre lang hat Bernd Steuer Instrumente gebaut. Aber als sein zweiter Sohn geboren wurde, kehrte er zur „normalen“Schreinerei zurück. Erst als Freelancer, dann nahm er wieder eine Festanstellung in einer Schreinerei an, diesmal in Korschenbroich. Dort zu arbeiten, hat ihm gut gefallen, aber nach fünf Jahren machte die Schreinerei zu. Was tun?
Das war dann der entscheidende
Punkt, sich beim Meisterkurs anzumelden. Ein Jahr lang in Vollzeit hat er den Meisterkurs an der Handwerkskammer besucht. Den Schwierigkeitsgrad seines Meisterstücks hatte er vorher unterschätzt. Der Schreibtisch in Form eines umgedrehten U aus Kirsche Furnier, weiß lackiert, mit mehreren in der Wirtschaft. Sie ist für Handwerksbetriebe im gesamten Gebiet der Bezirksregierung Düsseldorf zuständig.
Meister Am Berufsbildungszentrum werden jedes Jahr rund 1000 Handwerker zum Meistertitel geführt.
Klappfächern war schon „knackig vom Anspruch“, wie er heute locker erzählen kann. In der Bauzeit von drei Wochen schlief er im Wohnwagen vor der Werkstatt.
Bereits sein Gesellenstück war überaus ambitioniert. Die zwei Meter hohe Vitrine mit einer verglasten Front sollte als Instrumentenschrank
mit einer Schublade zum Herausziehen dienen. Im Meisterkurs war er der zweitälteste Teilnehmer. Geblieben ist die Erkenntnis: „Wenn man die Gerade verlässt, wird’s schwierig.“Aber es habe auch Spaß gemacht.
Seit Januar hat Bernd Steuer einen neuen Job: Er ist Arbeitsvorbereiter in der Behindertenwerkstatt GWN, er arbeitet im Haupthaus in der Konfektionierung und Verpackung. Bei den GWN, wo Steuer bereits seinen Zivildienst abgeleistet hat, gefällt ihm die soziale Komponente bei der Arbeit. „Es macht mir großen Spaß, mit den Menschen dort zusammenzuarbeiten.“Ohne Meister hätte er die Stelle dort nicht antreten können: „Es ist immer gut, mehrere Karten auf der Hand zu haben.“