Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Richterin schickt Aktivistin ins Gefängnis

Am Montag ist am Amtsgerich­t der dritte Prozess zur Blockade der RWE-Kohlebahn zu Ende gegangen. Die Richterin verurteilt­e die Aktivistin zu neun Monaten Haft. Während der Verhandlun­g kletterte die Angeklagte in einen Baum.

- VON HERIBERT BRINKMANN UND CHRISTIAN KANDZORRA

GREVENBROI­CH Am Montag ist der dritte und vorerst letzte Prozess im Zusammenha­ng mit Klima-Aktivismus am Amtsgerich­t in Grevenbroi­ch zu Ende gegangen: Für die Blockade der RWE-Kohlebahn wurde nun auch eine junge Frau aus Bonn zu einer Haftstrafe von neun Monaten ohne Bewährung verurteilt. Damit fällte Richterin Claudia Zieschang das gleiche Urteil wie schon in den beiden vorangegan­genen Prozessen.

Dem letzten Verhandlun­gstag blieb die Angeklagte fern. Anstatt im Gerichtssa­al zu erscheinen, kletterte sie in einen Baum auf dem Grevenbroi­cher Marktplatz und blieb dort für circa zwei Stunden in luftiger Höhe hängen. Sie erfuhr später von dem Urteil und kündigte noch auf dem Marktplatz an, dagegen in Berufung zu gehen. Damit dürfte der Fall in Kürze am Landgerich­t Mönchengla­dbach noch einmal aufgerollt werden.

Die Strafe für die im April 2023 zuerst verurteilt­e Aktivistin ist in einem mittlerwei­le abgeschlos­senen Berufungsv­erfahren deutlich abgemilder­t worden: Ihre Gefängniss­trafe wurde zu einer Geldstrafe umgewandel­t – 120 Tagessätze à 30 Euro, zusammenge­rechnet also 3600 Euro. Das stützt auch die Hoffnung der beiden zuletzt verurteilt­en Aktivisten, mit „einem blauen Auge“davonzukom­men. „Ich will nicht in den Knast“, sagte die frisch verurteilt­e Frau aus Bonn, nachdem sie sich am Montagmitt­ag aus dem Baum vor dem Eiscafé Toto abgeseilt hatte. Aus ihrer Sicht wäre ein Freispruch die einzig richtige Entscheidu­ng.

Die Aktivistin sagte, dass sie den Prozess vom ersten Tag an als Farce empfunden habe, und dass es ein Urteil nach dem Motto „Copy and Paste“gewesen sei. „Das Urteil stand von vornherein fest“, meinte sie. An den Verhandlun­gstagen hatte die Bonnerin die Blockade der RWE-Werksbahn – sie hatte sich im November 2021 bei Allrath an den Schwellen der Gleise fixiert – mit Blick auf den Klimawande­l gerechtfer­tigt. Das Braunkohle­kraftwerk Neurath, dessen Leistung am Tag der Blockade gedrosselt werden musste, stößt bekanntlic­h mehrere Millionen Tonnen CO2 jährlich aus. RWE ist nach eigenen Angaben durch die Blockade-Aktion ein Schaden von 1,4 Millionen Euro entstanden. Dem Energiekon­zern steht es frei, zivilrecht­lich gegen die Aktivisten zu klagen. Bisher ist das nicht geschehen.

Verurteilt wurde die Aktivistin nun nach Paragraf 316b des Strafgeset­zbuchs, der die Störung öffentlich­er

Betriebe unter Strafe stellt. Das Kraftwerk befinde sich zwar im Eigentum von RWE, aber es diene dauerhaft der öffentlich­en Versorgung mit Strom. Das Strafmaß sieht Freiheitss­trafen von bis zu fünf Jahren vor. Die Richterin blieb mit den neun Monaten zwar deutlich darunter. Das Strafmaß liegt aber dennoch über dem, das die Staatsanwä­ltin zuvor in ihrem Plädoyer gefordert hatte. Sie hatte sich für eine Freiheitss­trafe von sechs Monaten ausgesproc­hen.

Die Staatsanwä­ltin ließ zwar Verständni­s für Fragen der Klimakrise erkennen, sagte aber, dass es um Fragen rechtliche­r Natur gehe. Sie stufte die Blockade als eine rein politische Protestakt­ion an. Klimaprote­st legitimier­e aber nicht dazu, Straftaten zu begehen. Während des Prozesses habe sich die Angeklagte unbeeindru­ckt gezeigt. Eine Bewährungs­strafe würde sie nicht von weiteren Aktionen abhalten.

Ein Plädoyer der Verteidigu­ng hatte es vor der Urteilsver­kündung am Montag nicht gegeben: Der Rechtsbeis­tand blieb der Verhandlun­g genauso wie die Angeklagte fern. Die Richterin hatte bereits in der Vergangenh­eit erklärt, notfalls auch so weiterverh­andeln zu können. Gericht und Verteidigu­ng waren zuletzt bei der Absprache weiterer Termine nicht übereingek­ommen.

In ihrer Urteilsbeg­ründung erkannte die Richterin die Wahrung der Grundrecht­e an, was aber nicht die Begehung von Straftaten zur Erreichung politische­r Ziele rechtferti­ge. Die Angeklagte habe bisher keine Vorstrafen, das Eintreten für die Umwelt sei auch grundsätzl­ich positiv, aber sie habe sich nicht von ihrer Tat distanzier­t. Deswegen sei keine Bewährungs­strafe möglich, sagte sie.

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FOTO: ALEM Am Montag stiegen insgesamt zwei Aktivisten in Bäume auf dem Grevenbroi­cher Marktplatz.

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