Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Richterin schickt Aktivistin ins Gefängnis
Am Montag ist am Amtsgericht der dritte Prozess zur Blockade der RWE-Kohlebahn zu Ende gegangen. Die Richterin verurteilte die Aktivistin zu neun Monaten Haft. Während der Verhandlung kletterte die Angeklagte in einen Baum.
GREVENBROICH Am Montag ist der dritte und vorerst letzte Prozess im Zusammenhang mit Klima-Aktivismus am Amtsgericht in Grevenbroich zu Ende gegangen: Für die Blockade der RWE-Kohlebahn wurde nun auch eine junge Frau aus Bonn zu einer Haftstrafe von neun Monaten ohne Bewährung verurteilt. Damit fällte Richterin Claudia Zieschang das gleiche Urteil wie schon in den beiden vorangegangenen Prozessen.
Dem letzten Verhandlungstag blieb die Angeklagte fern. Anstatt im Gerichtssaal zu erscheinen, kletterte sie in einen Baum auf dem Grevenbroicher Marktplatz und blieb dort für circa zwei Stunden in luftiger Höhe hängen. Sie erfuhr später von dem Urteil und kündigte noch auf dem Marktplatz an, dagegen in Berufung zu gehen. Damit dürfte der Fall in Kürze am Landgericht Mönchengladbach noch einmal aufgerollt werden.
Die Strafe für die im April 2023 zuerst verurteilte Aktivistin ist in einem mittlerweile abgeschlossenen Berufungsverfahren deutlich abgemildert worden: Ihre Gefängnisstrafe wurde zu einer Geldstrafe umgewandelt – 120 Tagessätze à 30 Euro, zusammengerechnet also 3600 Euro. Das stützt auch die Hoffnung der beiden zuletzt verurteilten Aktivisten, mit „einem blauen Auge“davonzukommen. „Ich will nicht in den Knast“, sagte die frisch verurteilte Frau aus Bonn, nachdem sie sich am Montagmittag aus dem Baum vor dem Eiscafé Toto abgeseilt hatte. Aus ihrer Sicht wäre ein Freispruch die einzig richtige Entscheidung.
Die Aktivistin sagte, dass sie den Prozess vom ersten Tag an als Farce empfunden habe, und dass es ein Urteil nach dem Motto „Copy and Paste“gewesen sei. „Das Urteil stand von vornherein fest“, meinte sie. An den Verhandlungstagen hatte die Bonnerin die Blockade der RWE-Werksbahn – sie hatte sich im November 2021 bei Allrath an den Schwellen der Gleise fixiert – mit Blick auf den Klimawandel gerechtfertigt. Das Braunkohlekraftwerk Neurath, dessen Leistung am Tag der Blockade gedrosselt werden musste, stößt bekanntlich mehrere Millionen Tonnen CO2 jährlich aus. RWE ist nach eigenen Angaben durch die Blockade-Aktion ein Schaden von 1,4 Millionen Euro entstanden. Dem Energiekonzern steht es frei, zivilrechtlich gegen die Aktivisten zu klagen. Bisher ist das nicht geschehen.
Verurteilt wurde die Aktivistin nun nach Paragraf 316b des Strafgesetzbuchs, der die Störung öffentlicher
Betriebe unter Strafe stellt. Das Kraftwerk befinde sich zwar im Eigentum von RWE, aber es diene dauerhaft der öffentlichen Versorgung mit Strom. Das Strafmaß sieht Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren vor. Die Richterin blieb mit den neun Monaten zwar deutlich darunter. Das Strafmaß liegt aber dennoch über dem, das die Staatsanwältin zuvor in ihrem Plädoyer gefordert hatte. Sie hatte sich für eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten ausgesprochen.
Die Staatsanwältin ließ zwar Verständnis für Fragen der Klimakrise erkennen, sagte aber, dass es um Fragen rechtlicher Natur gehe. Sie stufte die Blockade als eine rein politische Protestaktion an. Klimaprotest legitimiere aber nicht dazu, Straftaten zu begehen. Während des Prozesses habe sich die Angeklagte unbeeindruckt gezeigt. Eine Bewährungsstrafe würde sie nicht von weiteren Aktionen abhalten.
Ein Plädoyer der Verteidigung hatte es vor der Urteilsverkündung am Montag nicht gegeben: Der Rechtsbeistand blieb der Verhandlung genauso wie die Angeklagte fern. Die Richterin hatte bereits in der Vergangenheit erklärt, notfalls auch so weiterverhandeln zu können. Gericht und Verteidigung waren zuletzt bei der Absprache weiterer Termine nicht übereingekommen.
In ihrer Urteilsbegründung erkannte die Richterin die Wahrung der Grundrechte an, was aber nicht die Begehung von Straftaten zur Erreichung politischer Ziele rechtfertige. Die Angeklagte habe bisher keine Vorstrafen, das Eintreten für die Umwelt sei auch grundsätzlich positiv, aber sie habe sich nicht von ihrer Tat distanziert. Deswegen sei keine Bewährungsstrafe möglich, sagte sie.