Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Abschied bei viel umjubelten Konzert

Bei einem Konzert im Hamtorkrug hat sich „Lord Leo Lietz“von der Bühne verabschie­det. Dass es bei „The Lords“keinen künstleris­chen Stillstand gegeben hat, bewies eine Mischung aus alten und neuen Songs.

- VON MARTIN HORN

NEUSS Der Volksmund sagt bekanntlic­h, dass alles einmal ein Ende habe, auch wenn sich beispielsw­eise den Rolling Stones diese Weisheit bis heute nicht erschlosse­n zu haben scheint. Und auch die 1959 in Berlin gegründete­n „Lords“(ehemals „Skiffle Lords“) hatten vor ungefähr zehn Jahren eigentlich den Entschluss gefasst, der Erinnerung und Nostalgie an die Gute Alte Zeit ein Ende zu setzen. Doch daraus ist eher eine Version 2.0 entstanden.

Denn die aktuellen Lordschaft­en Norbert Barton (Gitarre), Roger Schüller (Bass/Gesang), Josef „Jupp“Bauer (Gitarre/Gesang) und Philippe Seminara (Schlagzeug) haben nicht nur das umfangreic­he Erbe von Lord Leo Lietz angetreten, sondern ab diesem Zeitpunkt der Band auch einen gehörigen Schuss Vitalität eingeimpft. Womit das vermeintli­che Ende dann wohl eher ein neuer Anfang war. „The show must go on.“

Aber, dass das Gründungsm­itglied Leo nach 64 Jahren ununterbro­chener Zugehörigk­eit an diesem nostalgisc­hen Abend im Hamtorkrug für ein paar Songs mit auf die Bühne kommt, ist in solch herrschaft­lichen Kreisen ja wohl selbstvers­tändlich. „Das ist eine kleine Serie, die wir in den Auftritt eingebunde­n haben“, sagt Klaus-Peter „Leo“Lietz (80) im Gespräch am Telefon, „so möchte ich mich, von Neuss aus, bei meinen Fans in NRW – nun aber wirklich endgültig – verabschie­den.“Auf der Homepage der Band spricht er in berührende­r Weise von einer „… außergewöh­nlichen, abenteuerl­ichen und zutiefst erfüllende­n musikalisc­hen Zeitreise mit der LordsFamil­y“. Hinter den Kulissen will der umtriebige Düsseldorf­er aber weiterhin die Fäden in der Hand halten. „Auch wenn meine Fitness einen kompletten Auftritt nicht mehr zulässt, so führe ich das Management doch weiter. Der Band bleibe ich noch ein Weilchen erhalten. Dramaturgi­sch haben wir den Abend aufgeteilt, zwei Drittel alte Songs und der Rest sind neuere Stücke. So dokumentie­ren wir auch, dass es keinen künstleris­chen Stillstand gegeben hat. Die Band lebt.“Die Ballade „Every Time I Fall“oder „Waste It“, beide Stücke zum ersten

Mal live präsentier­t, sind Ausdruck des Wandels. Und diese Mischung kommt beim, zusammen mit der Band ergrauten Publikum gut an, die Stimmung im vollen „Krug“ist hervorrage­nd. Die sympathisc­h, anscheinen­d zeitlose Location auf der Büttger Straße bildet am Freitagabe­nd sowieso einen authentisc­hen Rahmen für diesen Abstecher in die legendären Anfänge des Beat. Und der Kontakt zum Publikum ist hautnah und greifbar. „Greensleev­es“, „Que Sera“, „Have A Drink On Me“oder „Gloryland“, das sind die Hits, die jeder kennt. Vor der Bühne ist durchgehen­de Textsicher­heit der Garant für gemeinsam gute Laune. Was das Arrangemen­t angeht, fällt der sowohl kompakte wie auch klanglich stimmig abgemischt­e Sound der Musiker auf; denn im richtigen Moment können sie auch

leise. Dabei verlässt sich die Band, so ist das eben bei den Lords, seit mehr als 21 Jahren auf Ton- und Veranstalt­ungstechni­ker Martin Pöstges. Und um 22:02 Uhr wird es dann aber doch so richtig emotional.

Die letzten Töne von „Poor Boy“sind verklungen, ein fröhlich aufgelegte­r Leo wird frenetisch gefeiert und doch heißt es nun, endgültig Abschied zu nehmen. Roger fasst die Ära mit einem – im Namen des Publikums – von Herzen kommenden „Dankeschön für 65 Jahre Lords-Geschichte“zusammen. Und Leo, von der Tragweite des Moments vielleicht doch ein wenig überrascht, antwortet nur: „Es war schön mit euch, weiter so!“Die Zugabe „What Are We Waiting For?“– und da hat Lord Leo die Bühne bereits verlassen – ist in diesem Zusammenha­ng dann eher rhetorisch zu verstehen.

Ein viel umjubeltes Konzert und ein beeindruck­endes Beispiel dafür, dass musikalisc­he Reife, jahrzehnte­lange Erfahrung und ununterbro­chene Bühnenpräs­enz auch nach all der Zeit nichts mit Langeweile zu tun haben müssen. Ob die Rolling Stones immer noch aktiv sind, weil sie den Lords ihren Rekord streitig machen wollen, ist dabei reine Spekulatio­n.

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FOTO: WOITSCHÜTZ­KE The Lords, bekannt als dienstälte­ste Band der Welt, rockten am Freitagabe­nd den Hamtorkrug. Gründungsm­itglied „Lord Leo Lietz“verabschie­dete sich dabei von der Bühne.

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