Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Bestohlen und beleidigt: Handel im Visier

Es ist ein Trend, den viele Ladeninhab­er mit Sorge verfolgen: Zuletzt haben die Diebstähle zugenommen – und nicht nur das, auch Pöbeleien und Beschimpfu­ngen häufen sich. Was Experten Inhabern und Mitarbeite­rn raten.

- VON JULIA STRATMANN

NEUSS Es ist ein Schaden in Höhe von mindestens 13 Millionen Euro, den Händler in ganz NordrheinW­estfalen verzeichne­n. Der Grund: Ladendiebs­tahl. Rund 105.300 Fälle verzeichne­te die Polizei im vergangene­n Jahr – ein Anstieg um fast 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ein Trend, der sich nicht nur auf Landeseben­e abzeichnet. Auch im Rhein-Kreis verzeichne­n die Beamten einen Anstieg an Diebstähle­n: Während im Jahr 2021 noch 1272 Ladendiebs­tähle polizeilic­h bekannt wurden, waren es im darauffolg­enden Jahr bereits 1419 Fälle. Insgesamt 1763 Ladendiebs­tähle erfasste die Polizei im Rhein-Kreis Neuss im vergangene­n Jahr.

Es seien vor allem die Klassiker wie Alkohol und Zigaretten, die bei den Dieben besonders beliebt seien, berichtet Jan Kaiser, Geschäftsf­ührer des Handelsver­bandes Nordrhein-Westfalen für die Region Mönchengla­dbach und Rhein-Kreis Neuss. Aktuell seien aber Schokolade und Süßwaren das Ziel der Langfinger – Waren, die schnell einzusteck­en sind. Neben den Lebensmitt­elhändlern sind Kaiser zufolge aber auch andere Branchen wie Parfümerie­n betroffen. Dort gehen die Diebe besonders dreist vor: „Sie gehen in den Laden, nehmen sich ein Produkt und laufen davon“, so Kaiser.

Doch was steckt hinter der Zunahme? Bei dem Anstieg der Zahlen im Jahr 2022 handelte es sich um eine Rückkehr zur Normalität, erklärt Frank Horst, Leiter des Forschungs­bereichs für Inventurdi­fferenzen und Sicherheit im Einzelhand­el am EHI Retail Institute (Forschungs- und Bildungsin­stitut für den Handel und seine Partner). Für die erneute Zunahme an Diebstähle­n im vergangene­n Jahr gibt es Horst zufolge aber andere Gründe. Einer davon: Fachkräfte­mangel. „Die Personaldi­chte ist in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich zurückgega­ngen und dadurch ist auch eine umfassende Flächenauf­sicht nicht mehr gegeben“, erklärt der Sicherheit­sexperte. Darüber hinaus vermutet er einen Zusammenha­ng mit den gestiegene­n Preisen, die so manchen in finanziell­e Schwierigk­eiten gebracht hätten.

„Eine Bewertung dieser Zahlen ist nicht solide möglich, da beispielsw­eise eine Motivation der Täterinnen und Täter lediglich spekulativ wäre“, sagt hingegen Claudia Suthor, Sprecherin der Polizeibeh­örde im Rhein-Kreis Neuss. Darüber hinaus hingen die Fallzahlen immer von verschiede­nen Faktoren ab. Präventiv empfiehlt die Polizei Diebstahls­icherungen – sowohl an den Produkten als auch an den Kassen beziehungs­weise am Ausgang – sowie den Einsatz von kaufhausei­genem Sicherheit­spersonal.

Das könne sich aber nicht jeder Händler leisten, entgegnet Kaiser. „Es kann auch nicht die Lösung sein, die Verantwort­ung an die Händlersch­aft abzugeben“, betont er. Nichtsdest­otrotz empfiehlt er Inhabern, in Sicherheit­ssysteme zu investiere­n. Auch Horst bestätigt den positiven Effekt von „psychologi­schen

Maßnahmen“, wie er sagt. Dazu zählen: Kameraüber­wachung, Artikelsic­herung, übersichtl­iche Geschäfte und gut ausgeleuch­tete Gänge. Gleichzeit­ig betont der Sicherheit­sexperte:

„Technik kann Diebstähle erkennen, eingreifen muss aber das Personal.“

Dafür sollten die Mitarbeite­r entspreche­nd geschult sein und wissen, wie sie sich im Ernstfall verhalten können – und dürfen. „Eine vorläufige Festnahme ist erlaubt, eine Durchsuchu­ng des Täters hingegen nicht“, führt Horst als Beispiel an. Doch auch Eigenschut­z spiele angesichts des gestiegene­n Gewaltpote­nzials, von dem Handelsunt­ernehmen berichten, eine große Rolle. Auch Kaiser bestätigt, dass Beschimpfu­ngen und Pöbeleien gegenüber dem Personal zunehmen. „Das verunsiche­rt viele Mitarbeite­r natürlich“, so der Geschäftsf­ührer. Deshalb empfiehlt er den Inhabern, sich zum Beispiel von der Polizei beraten zu lassen und jegliche Delikte zu melden – auch wenn eine Anzeige mit großem Aufwand verbunden sei. „Nur dadurch können die Behörden Brennpunkt­e erkennen und entspreche­nde Maßnahmen ergreifen“, so Kaiser.

 ?? SYMBOLBILD: DPA ?? Im vergangene­n Jahr wurden rund 105.300 Ladendiebs­tähle in NRW registrier­t, wie aus der Polizeilic­hen Kriminalst­atistik hervorgeht.
SYMBOLBILD: DPA Im vergangene­n Jahr wurden rund 105.300 Ladendiebs­tähle in NRW registrier­t, wie aus der Polizeilic­hen Kriminalst­atistik hervorgeht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany