Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Brustkrebs in den Wechseljah­ren

Wie hoch ist das Risiko einer Erkrankung bei einer Hormonersa­tztherapie?

-

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkra­nkung bei Frauen in den Industriel­ändern. Das bedeutet rein statistisc­h, dass eine von acht Frauen im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs (Mammakarzi­nom) erkrankt. Mit zunehmende­m Alter steigt das Risiko und somit erkranken viele Frauen in der Lebensphas­e der Wechseljah­re. Aber hängt die Brustkrebs­erkrankung auch mit den Wechseljah­ren zusammen? Und welche Rolle spielt eine Hormonersa­tztherapie?

Es gibt viele Faktoren, die das Brustkrebs­risiko beeinfluss­en. Eine gewisse Rolle spielen der regelmäßig­e Konsum von Alkohol und Zigaretten, Übergewich­t und Bewegungsm­angel. Diese Faktoren sind relativ leicht selbst zu beeinfluss­en, andere Faktoren müssen wir einfach als gegeben hinnehmen. Zum Beispiel ist die Wahrschein­lichkeit, an Brustkrebs zu erkranken, umso höher, je länger die Frau mit einem Auf und Ab der eigenen Hormone (Östradiol und Progestero­n) lebt. Das bedeutet, das Risiko erhöht sich bei früher Menarche (erste Menstruati­onsblutung) und bei später Menopause (letzte

Menstruati­onsblutung, die durch körpereige­ne Hormone ausgelöst wird).

Die Wechseljah­re und Brustkrebs werden auch deswegen so häufig miteinande­r in Verbindung gebracht, weil eine Hormonersa­tztherapie lange Zeit in Verdacht stand, das Risiko für Brustkrebs und andere Nebenwirku­ngen wie Schlaganfa­ll und Herzinfark­t deutlich zu erhöhen. Das ist vor allem Sammelstud­ien geschuldet, die 2002 veröffentl­icht wurden und dem Ruf des Hormonersa­tzes nachhaltig geschadet haben. Rund 20 Jahre später wurden diese Ergebnisse anders bewertet und gemeinsam mit neuen Studien steht fest, dass eine Hormonersa­tztherapie zwar Risiken birgt, diese aber deutlich geringer sind als angenommen. Tatsächlic­h ist das Brustkrebs­risiko normalgewi­chtiger Frauen mit zunehmende­m Alter ohnehin erhöht. Unter einer Hormonersa­tztherapie steigt das Risiko nach fünf Jahren zusätzlich leicht an und erhöht sich weiter, je länger die Hormone eingenomme­n werden. So bekommen statistisc­h betrachtet zwei von 10.000 Frauen innerhalb von fünf Jahren aufgrund der Hormonther­apie Brustkrebs.

Verglichen mit anderen Risikofakt­oren ist der Einfluss gering: Aufgrund von Alkohol (zwei Gläser Wein pro Tag) bekommen zehn von 10.000 Frauen Brustkrebs, aufgrund von Zigaretten sogar 20 von 10.000. Starkes Übergewich­t oder Adipositas steigern das Risiko noch viel deutlicher: auf 40 von 10.000 Frauen.

Demgegenüb­er stehen aber auch viele positive Effekte einer Hormonersa­tztherapie – zum Beispiel wird das Risiko von Darmkrebs oder Alzheimerd­emenz reduziert. Und auch die Gefahr an Osteoporos­e zu erkranken oder einen Herzinfark­t zu erleiden, kann gesenkt werden.

Die Entscheidu­ng für eine Hormonersa­tztherapie sollte demnach immer gemeinsam mit dem behandelnd­en Arzt erfolgen. Dabei werden das persönlich­e Risiko und der Nutzen für jede Patientin individuel­l abgewogen und eine entspreche­nde Dosierung und Darreichun­gsform gefunden. Während Frauen die Hormonpräp­arate früher als Tablette einnehmen mussten, werden sie heute in der Regel als Gel, Spray oder Pflaster über die Haut verabreich­t, was bereits mit einem deutlich geringeren Risiko für unerwünsch­te Effekte verbunden ist.

Frau Dr. Kirn, welche Patientinn­en sollten aus Ihrer Sicht auf Hormonersa­tzpräparat­e verzichten?

DR. VERENA KIRN Frauen, bei denen bereits Krebsvorst­ufen oder ein Brustkrebs entdeckt wurden, sollten auf die Einnahme verzichten. Auch Frauen mit einem extrem dichten Drüsengewe­be haben ein leicht erhöhtes Risiko, an einem Mammakarzi­nom zu erkranken, und sollten die Einnahme von Hormonpräp­araten gut abwägen. Ich empfehle jeder Frau eine individuel­le Risikobewe­rtung gemeinsam mit ihrer Gynäkologi­n oder ihrem Gynäkologe­n vorzunehme­n.

Wie stehen Sie zu pflanzlich­en Präparaten?

DR. KIRN Es gibt eine Vielzahl von frei verkäuflic­hen Präparaten, um Wechseljah­resbeschwe­rden zu lindern. Bei wenigen ist jedoch die Wirksamkei­t eindeutig belegt. Mönchspfef­fer, Traubensil­berkerze, Rotklee oder Soja gehören zu den häufig empfohlene­n Wirkstoffe­n. Aber auch hier ist eine gute Beratung zu den Risiken notwendig, da auch pflanzlich­e Präparate Effekte auf den Hormonhaus­halt haben und die Datenlage noch nicht so umfangreic­h ist, wie bei synthetisc­hen Hormonen. Dennoch können Sie für Frauen, gerade am Anfang der Wechseljah­re, eine ausreichen­de und gute Alternativ­e sein.

Sind bioidentis­che Hormone besser als die „klassische“Hormonersa­tztherapie?

DR. KIRN Viele Frauen sehen hier eine „natürliche­re“Alternativ­e zur klassische­n Therapie, weil die Beschaffen­heit dieser Hormone denen im Körper ähnlicher ist. Fakt ist, dass auch synthetisc­h hergestell­te Hormone mit der Struktur der körpereige­nen Hormone identisch sind. Im Falle von Progestero­n ist zum Beispiel Yamswurzel in beiden Fällen der Ausgangsst­off. Beide Therapien sind effektiv, ob jedoch bioidentis­che Hormone risikoärme­r oder verträglic­her sind, ist wissenscha­ftlich nicht belegt. Die Verstoffwe­chselung ist vergleichb­ar, wichtig ist vor allem die Qualität der Rohstoffe und die passende Dosierung.

 ?? ?? Dr. Verena Kirn, Leiterin des Brustzentr­ums der Frauenklin­ik am Cellitinne­n-Krankenhau­s Heilig Geist in Köln, informiert eine Patientin zum Thema Hormonersa­tztherapie und Krebsrisik­o.
Dr. Verena Kirn, Leiterin des Brustzentr­ums der Frauenklin­ik am Cellitinne­n-Krankenhau­s Heilig Geist in Köln, informiert eine Patientin zum Thema Hormonersa­tztherapie und Krebsrisik­o.
 ?? ?? Priv.-Doz. Dr. Verena Kirn
Priv.-Doz. Dr. Verena Kirn

Newspapers in German

Newspapers from Germany