Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Familiäre Spurensuche in Grevenbroich
Aus den USA ist Ron Cohen mit seiner Frau Patti Hill an die Erft gekommen – dorthin, wo einst seine Vorfahren lebten. Der 80-Jährige ist ein Großcousin von Lieselotte Katz, einer Grevenbroicherin, der Schüler des Pascals-Gymnasiums im Museum eine eigene Ausstellung gewidmet haben.
GREVENBROICH In einer Ausstellung in der Villa Erckens schildern Schüler des Pascal-Gymnasiums am Beispiel von Lieselotte Katz das Leid jüdischer Menschen während der NS-Zeit in ihrer Heimatstadt. Sie zeigen eindrucksvoll, wie die damals jugendliche Liesel mit dem ihr entgegengebrachten Judenhass umgegangen ist und wie die Verfolgung ihr Leben geprägt hat. Im Rahmen dieser Präsentation referiert Ulrich Herlitz, Vorsitzender des Geschichtsvereins, am Donnerstag in der Villa Erckens über das Leben der jungen Grevenbroicherin. Und dazu kann er besondere Gäste begrüßen.
Denn Ron Cohen, Großcousin von Liesel Katz, und seine Frau Patti Hill haben sich auf den Weg nach Deutschland gemacht, um sich in Grevenbroich auf familiäre Spurensuche zu begeben. Unter anderem fündig geworden ist das Ehepaar, das im US-Staat Colorado lebt, an der Bahnstraße 79. Dort wohnte einst Joseph Katz, der Sohn von Abraham Katz, dem Urgroßvater von Ron Cohen.
Mathias Istas, dem das Haus in der Innenstadt gehört und es zum Teil bewusst so belassen hat, dass die von der Zeit geprägten Spuren noch sichtbar sind, öffnete den Gästen aus den USA bereitwillig die Türen. „Es war wunderbar“, schwärmt Ron Cohen, der bei einem Rundgang erlebte, wie Vergangenheit plötzlich wieder lebendig wurde. Denn Joseph Katz war Viehhändler und Metzger
– und noch heute sind die ehemaligen Tierställe seines Vorfahren an der Bahnstraße zu sehen. Inklusive der alten Ringe, an denen das Vieh früher angebunden wurde.
Metzger – das war sozusagen der Familien-Beruf der Katz‘. „Mehrere Generationen betrieben dieses Handwerk, das mit schwerer Arbeit verbunden ist“, berichtet der 80 Jahre alte Ron Cohen. Er selbst brach aber mit dieser Tradition, wurde Englisch-Lehrer im Staat New York und arbeitete zeitweise auch als Austauschpädagoge in England und den Niederlanden. Was ihn freut: Vor dem Haus an der Bahnstraße 79 wurden Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig verlegt, die an seine Familie erinnern. „Beeindruckend, dass meine Angehörigen nicht vergessen wurden“, sagt Cohen. Er sieht die Steine gleichwohl auch als Mahnmale – „das, was geschehen ist, darf nie wieder passieren“.
Im Fokus der Schüler-Ausstellung und des Vortrags am Donnerstag
Vortrag Ulrich Herlitz referiert am Donnerstag, 11. April, zum Thema „Liesel Katz – eine jüdische Emigranten-Geschichte“. Der Vortrag beginnt um 19 Uhr im Museum der
steht Lieselotte Katz, die mit ihren Eltern Alexander und Elfriede an der Orkener Straße heimisch war. Als der Druck der Nationalsozialisten auf die Familie immer größer wurde, entschieden sich die Eltern 1935, ihre Tochter Lieselotte mit 18 Jahren nach Palästina auswandern zu lassen, bevor sie in Südafrika eine neue Heimat fand. Dorthin war auch ihr Bruder Walter geflüchtet. Alexander und Elfriede Katz indes ereilte ein grausames Schicksal, sie fanden den Tod im Vernichtungslager Auschwitz. niederrheinischen Seele. Der Eintritt kostet vier Euro.
Ausstellung Die Ausstellung „Leben, Flucht und Neubeginn der Grevenbroicher Schülerin Lieselotte Katz“ist noch bis Sonntag, 26. Mai, im Dachgeschoss der Villa Erckens zu sehen.
Ron Cohen, dessen Eltern 1936 in die Vereinigten Staaten flüchteten, wo er 1943 geboren wurde, ist in Grevenbroich nicht nur auf Spurensuche. Gemeinsam mit seiner Frau Patti und Ulrich Herlitz wird er nahezu alle weiterführenden Schulen im Stadtgebiet besuchen, um über seine Familie zu berichten, die nicht nur in der Innenstadt, sondern auch in Frimmersdorf und Gustorf heimisch war. „Ich freue mich auf die Fragen der Jugendlichen“, sagt der 80-Jährige, der seit kurzer Zeit wieder deutscher Staatsbürger ist.
Aber auch ein Abstecher ins Stadtarchiv und ein Besuch des jüdischen Friedhofs, auf dem sein Urgroßvater Abraham beerdigt wurde, stehen auf dem Programm des einwöchigen Grevenbroich-Aufenthalts.
Ulrich Herlitz indes plant ein großes Treffen der Nachfahren der Familie Katz, die in England, den USA und Israel leben. „Vielleicht gelingt das in den nächsten zwei, drei Jahren“, sagt der Vorsitzende des Geschichtsvereins. Apropos Familien-Zusammenführung: Patti Hill war im Internet zufällig auf einen NGZ-Bericht über den Besuch von Marion Bruce und Joan Noble in Grevenbroich gestoßen. Die beiden in England lebenden Enkelinnen von Alexander und Elfriede Katz hatten sich 2019 auf Spurensuche an der Erft begeben. „Wir wussten nicht wo die beiden leben und haben über Ulrich Herlitz ihre Kontaktdaten erhalten“, freut sich Patti Hill. Mittlerweile stehe man in einem regen gegenseitigen Austausch.