Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Polizistenmord am Himmelsberg
Der Historiker und Publizist Jürgen Brautmeier erinnerte in einem Vortrag nun an den Mord eines jungen Polizisten im Jahr 1961. Der Fall löste eine Debatte über die Todesstrafe aus.
UEDESHEIM Im katholischen Gemeindezentrum an der Rheinfährstraße ging es jetzt um ein Kapitalverbrechen, das sich im August 1961 ereignet hatte. Jürgen Brautmeier rollte vor interessiertem Publikum den Polizistenmord am Himmelsberg von 1961 auf. Opfer war ein junger Polizeibeamter, der aus Herzogenrath stammte und dem das Rheinland kein Glück bringen sollte. Er wurde gerade einmal 26 Jahre alt und hinterließ seine Frau und einen 20 Monate alten Jungen. Er hatte die tödliche Schicht für einen Kollegen übernommen.
Brautmeier lieferte Fakten und kommentierte auch immer wieder die Abläufe. Und er stellte das Verbrechen in einen Kontext mit der damaligen Zeit – einer Zeit, in der Walter Ulbricht erklärte, niemand habe die Absicht, eine Mauer zu errichten, in der DDR-Bürger in Scharen aus ihrem Land flohen und in dem die Berlin-Krise sehr dynamisch war. Was typisch für diese Zeit war: „Der Kalte Krieg war eine ständige Quelle der Unsicherheit und Sorge. Es gab zwar das Wirtschaftswunder, aber es kam nicht bei allen an“, erklärte Brautmeier. Umfassend ging er auf den Mörder ein: Er war 1931 in Berlin zur Welt gekommen und sollte zu einem Berufsverbrecher ohne festen Wohnsitz werden. „Ich wollte nicht Mitglied der normalen Gesellschaft sein“, hatte er einmal zu verstehen gegeben. Gemeinsam mit einem Komplizen hatte er bereits einen Juwelier kaltblütig erschossen.
Am Himmelsberg fiel den Polizisten zunächst ein Wagen auf. Sie vermuteten, es handele sich um ein Liebespaar, das sie in flagranti erwischten und nach kurzer Kontrolle aus dem Landschaftsschutzgebiet hinaus bewegen wollten. Doch bei der Ausweiskontrolle, zog der Täter eine Pistole hervor und schoss sofort. Einer der Beamten wurde verfehlt, der 26-Jährige jedoch von zwei Kugeln tödlich getroffen.
Brautmeier zeigte eine historische Karte: Das Jagenberg-Gelände war damals noch nicht bebaut, die Metro gab es auch noch nicht. Der Polizist, der überlebte, konnte damals noch nicht zum Handy greifen: Er lief zu einem von den drei Häusern, um Hilfe herbeizuholen. Das Funkgerät befand sich im Polizeiauto, einem allradbetriebenen DKW-Munga. Später stellte sich die Frage, warum er nicht über dieses Funkgerät Verstärkung angefordert habe.
Der 31-jährige Täter und seine Komplizin flohen. Sie wurde noch am Tattag gefasst, er wurde am darauffolgenden Tag festgenommen. „Er beantwortete alle Fragen leise, aber sicher“, sagte Brautmeier. Der Fall erregte großes Aufsehen. Und er hatte Konsequenzen wie diese: Die Polizei ließ einen Lehrfilm drehen – dort wurde die richtige Herangehensweise in solchen Fällen demonstriert. 1961, gerade einmal 16 Jahre nach Kriegsende, entbrannte eine lebhafte Debatte um die Wiedereinführung der Todesstrafe in gravierenden Mordfällen.
Was Brautmeier in diesem Zusammenhang lobte: Der damalige NGZ-Chefredakteur Josef Schmitz gehörte nicht zu den bedingungslosen Befürwortern. Dass der aus Köln stammende Journalist von den Nationalsozialisten als unzuverlässig beurteilt wurde, sprach außerdem für Schmitz. Eine bisschen amüsierte sich Brautmeier schon über die Fehler, die sich renommierte Zeitungen und Zeitschriften erlaubten: Im Spiegel war als Tatort zum Beispiel nicht Neuss, sondern Dortmund genannt.
Der Prozess fand vor dem Schwurgericht in Gießen statt, der Täter wurde zu einer Haftstrafe verurteilt. Fest steht, dass er nach 26 Jahren aus der Haft entlassen worden ist. Keine Informationen gibt es zu seinem Lebenslauf nach der Haftentlassung. Der ermordete Polizeibeamte war in seiner Heimatstadt Herzogenrath beigesetzt worden. Es ist überliefert, dass der Trauerzug einen Kilometer lang war. Ein Neusser, nämlich Adolf Flecken, hielt die Trauerrede.