Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Hat Neusser mit 200 Kilo Drogen gedealt?
Seit Dienstag muss sich ein 37-Jähriger vor dem Landgericht verantworten. Rund 200 Kilogramm Kokain, Amphetamin und Marihuana soll der Neusser ge- und verkauft haben. Zum Prozessauftakt zeigte er sich allerdings sichtlich entspannt.
NEUSS/DÜSSELDORF Als der Angeklagte den Verhandlungssaal 127 im Landgericht Düsseldorf betritt, wirkt er alles andere als besorgt. Gekleidet im schwarzen Rollkragenpullover wird er in Handschellen von einem Justizbeamten hereingeführt. Geplant war der Prozessauftakt am Dienstag eigentlich für 9 Uhr. Auch als klar wird, dass der Verteidiger des Neussers sich verspäten wird, lässt der Angeklagte sich nicht aus der Ruhe bringen. Während er den Blick durch den Saal wandern lässt, lächelt er alle Anwesenden an. Immer wieder unterhält er sich gelöst mit dem Justizbeamten, der während der gesamten Verhandlung neben ihm sitzt.
Dabei hätte der Mann auf der Anklagebank allen Grund zur Sorge. Dem 37 Jahre alten, gebürtigen Neusser wird nämlich Handel mit Marihuana, Kokain und Amphetamin vorgeworfen. Die Mengen, die dabei im Raum stehen, sind durchaus bemerkenswert: Konkret geht es um rund 200 Kilogramm Betäubungsmittel. Insgesamt steht der Mann wegen 17 selbstständiger Handlungen vor Gericht. Für die Dauer der Hauptverhandlung in Düsseldorf wurde der Angeklagte aus der Justizvollzugsanstalt Siegburg nach Düsseldorf verlegt. „So werden Ihnen die doch relativ unkomfortablen Transporte erspart“, zeigte sich der vorsitzende Richter verständnisvoll.
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, spätestens seit März 2020 Betäubungsmittel in Neuss gewinnbringend vertrieben zu haben. Die Drogen soll er größtenteils von Kurieren aus den Niederlanden bekommen haben. In anderen Fällen soll er sie auch von Dealern aus Neuss und Umgebung bezogen haben. Dazu habe er sich sogenannte Krypto-Handys besorgt. Diese Telefone sehen dank ihrer unverfänglichen Benutzeroberfläche aus wie normale Handys. Erst durch die Eingabe einer PIN wird eine versteckte Benutzeroberfläche sichtbar. Dann kann auch der verschlüsselte Nachrichtendienst namens „EncroChat“genutzt werden. Über dieses spezielle Programm habe der Beschuldigte mit seinen Abnehmern kommuniziert. Sein Ziel sei es gewesen, die Kommunikation mit seinen Kurieren und Abnehmern abhörsicher zu gestalten.
Die Verlesung der Anklageschrift am Dienstagmorgen dauert knappe zehn Minuten. Dabei wird deutlich, welch reges Treiben um die ehemalige Neusser Wohnanschrift des Beschuldigten geherrscht haben soll. So habe er beispielsweise am 31.
März 2020 neun Kilogramm Marihuana zu je 4500 Euro verkauft. Nur zwei Tage später soll er von seinem niederländischen Lieferanten insgesamt 16,4 Kilogramm Marihuana und 500 Gramm Kokain erhalten haben. Davon habe er das Marihuana noch am selben Tag und das Kokain bis zum 9. April 2020 vollständig verkauft. Aus der Anklageschrift lässt sich entnehmen, dass
es für den Angeklagten aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht ungewöhnlich schien, im Abstand von nur wenigen Tagen jeweils mehr als 20 Kilogramm Drogen an- und wieder zu verkaufen.
Unmittelbar nach der Verlesung der Anklageschrift schlägt der Verteidiger des Angeklagten am Dienstagmorgen ein Rechtsgespräch unter den Verfahrensbeteiligten vor. Nach einem etwa einstündigen Gespräch, welches unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, wird der erste Zeuge der Verhandlung aufgerufen.
Der Polizeibeamte wird jedoch unvernommen wieder von dem vorsitzenden Richter Tilmann Büttner entlassen. Büttner schlägt ein sogenanntes Selbstleseverfahren vor. Bei diesem Verfahren werden Beweise nicht öffentlich in der Hauptverhandlung verlesen, stattdessen nehmen alle Prozessbeteiligten selbstständig Kenntnis von ihnen. Der Angeklagte selbst kam zum Prozessauftakt (noch) nicht zu Wort.
Fortgesetzt wird die Hauptverhandlung planmäßig am 19. April. An diesem Tag sollen unter anderem mehrere Zeugen gehört werden. Anschließend sind noch vier weitere Verhandlungstage angesetzt.