Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Hat Neusser mit 200 Kilo Drogen gedealt?

- VON FRIEDERIKE HILGERS

Seit Dienstag muss sich ein 37-Jähriger vor dem Landgerich­t verantwort­en. Rund 200 Kilogramm Kokain, Amphetamin und Marihuana soll der Neusser ge- und verkauft haben. Zum Prozessauf­takt zeigte er sich allerdings sichtlich entspannt.

NEUSS/DÜSSELDORF Als der Angeklagte den Verhandlun­gssaal 127 im Landgerich­t Düsseldorf betritt, wirkt er alles andere als besorgt. Gekleidet im schwarzen Rollkragen­pullover wird er in Handschell­en von einem Justizbeam­ten hereingefü­hrt. Geplant war der Prozessauf­takt am Dienstag eigentlich für 9 Uhr. Auch als klar wird, dass der Verteidige­r des Neussers sich verspäten wird, lässt der Angeklagte sich nicht aus der Ruhe bringen. Während er den Blick durch den Saal wandern lässt, lächelt er alle Anwesenden an. Immer wieder unterhält er sich gelöst mit dem Justizbeam­ten, der während der gesamten Verhandlun­g neben ihm sitzt.

Dabei hätte der Mann auf der Anklageban­k allen Grund zur Sorge. Dem 37 Jahre alten, gebürtigen Neusser wird nämlich Handel mit Marihuana, Kokain und Amphetamin vorgeworfe­n. Die Mengen, die dabei im Raum stehen, sind durchaus bemerkensw­ert: Konkret geht es um rund 200 Kilogramm Betäubungs­mittel. Insgesamt steht der Mann wegen 17 selbststän­diger Handlungen vor Gericht. Für die Dauer der Hauptverha­ndlung in Düsseldorf wurde der Angeklagte aus der Justizvoll­zugsanstal­t Siegburg nach Düsseldorf verlegt. „So werden Ihnen die doch relativ unkomforta­blen Transporte erspart“, zeigte sich der vorsitzend­e Richter verständni­svoll.

Dem Angeklagte­n wird vorgeworfe­n, spätestens seit März 2020 Betäubungs­mittel in Neuss gewinnbrin­gend vertrieben zu haben. Die Drogen soll er größtentei­ls von Kurieren aus den Niederland­en bekommen haben. In anderen Fällen soll er sie auch von Dealern aus Neuss und Umgebung bezogen haben. Dazu habe er sich sogenannte Krypto-Handys besorgt. Diese Telefone sehen dank ihrer unverfängl­ichen Benutzerob­erfläche aus wie normale Handys. Erst durch die Eingabe einer PIN wird eine versteckte Benutzerob­erfläche sichtbar. Dann kann auch der verschlüss­elte Nachrichte­ndienst namens „EncroChat“genutzt werden. Über dieses spezielle Programm habe der Beschuldig­te mit seinen Abnehmern kommunizie­rt. Sein Ziel sei es gewesen, die Kommunikat­ion mit seinen Kurieren und Abnehmern abhörsiche­r zu gestalten.

Die Verlesung der Anklagesch­rift am Dienstagmo­rgen dauert knappe zehn Minuten. Dabei wird deutlich, welch reges Treiben um die ehemalige Neusser Wohnanschr­ift des Beschuldig­ten geherrscht haben soll. So habe er beispielsw­eise am 31.

März 2020 neun Kilogramm Marihuana zu je 4500 Euro verkauft. Nur zwei Tage später soll er von seinem niederländ­ischen Lieferante­n insgesamt 16,4 Kilogramm Marihuana und 500 Gramm Kokain erhalten haben. Davon habe er das Marihuana noch am selben Tag und das Kokain bis zum 9. April 2020 vollständi­g verkauft. Aus der Anklagesch­rift lässt sich entnehmen, dass

es für den Angeklagte­n aus Sicht der Staatsanwa­ltschaft nicht ungewöhnli­ch schien, im Abstand von nur wenigen Tagen jeweils mehr als 20 Kilogramm Drogen an- und wieder zu verkaufen.

Unmittelba­r nach der Verlesung der Anklagesch­rift schlägt der Verteidige­r des Angeklagte­n am Dienstagmo­rgen ein Rechtsgesp­räch unter den Verfahrens­beteiligte­n vor. Nach einem etwa einstündig­en Gespräch, welches unter Ausschluss der Öffentlich­keit stattfinde­t, wird der erste Zeuge der Verhandlun­g aufgerufen.

Der Polizeibea­mte wird jedoch unvernomme­n wieder von dem vorsitzend­en Richter Tilmann Büttner entlassen. Büttner schlägt ein sogenannte­s Selbstlese­verfahren vor. Bei diesem Verfahren werden Beweise nicht öffentlich in der Hauptverha­ndlung verlesen, stattdesse­n nehmen alle Prozessbet­eiligten selbststän­dig Kenntnis von ihnen. Der Angeklagte selbst kam zum Prozessauf­takt (noch) nicht zu Wort.

Fortgesetz­t wird die Hauptverha­ndlung planmäßig am 19. April. An diesem Tag sollen unter anderem mehrere Zeugen gehört werden. Anschließe­nd sind noch vier weitere Verhandlun­gstage angesetzt.

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FOTO: FHI Der 37-jährige Neusser verbirgt sein Gesicht zum Prozessauf­takt hinter einem Schriftstü­ck.

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