Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Frau Schnitzler will nicht aufhören

- VON JULIA STRATMANN

Während andere Senioren in ihrem Alter die Rente genießen, scannt Relindis Schnitzler regelmäßig Waren im Edeka-Markt am Berghäusch­ensweg. Mit fast 80 Jahren ist sie die wohl älteste Kassiereri­n in Neuss. Was sie in den vergangene­n Jahren alles erlebt hat.

NEUSS Routiniert zieht Relindis Schnitzler – die von ihren Kollegen liebevoll auch Schnitzelc­hen genannt wird – die Produkte über den Scanner. Mit einem Lächeln auf den Lippen begrüßt sie jeden Kunden mit einem freundlich­en „Guten Tag“. Die Arbeit an der Kasse im Edeka-Markt Niehsen macht ihr sichtlich Spaß – und das auch noch nach 20 Jahren. Denn Relindis Schnitzler ist mit ihren 79 Jahren die wohl älteste Kassierein in ganz Neuss. Am 28. April feiert sie ihren 80. Geburtstag. Das ist für die gebürtige Neusserin aber kein Grund, die Beine hochzulege­n.

„Ich bin gerne unter Menschen und habe keine Lust, den Tag alleine zuhause zu verbringen“, sagt Schnitzler. Insgesamt 90 Stunden im Monat arbeitet die Rentnerin als Angestellt­e an der Edeka-Kasse – außer an Weihnachte­n oder Ostern. „Dann ist es einfach zu hektisch“, erklärt Sven Comeyne, Leiter des Edeka-Markts am Berghäusch­ensweg. Dabei wisse Schnitzler durchaus mit Stress umzugehen. Die gelernte Kauffrau war lange Zeit selbststän­dig, sie betrieb mehrere Jahre ein Tabakwaren­geschäft mit Lotto-Annahmeste­lle. Als die Miete aber nicht mehr zu stemmen war, fing die damals 60-Jährige im EdekaMarkt an. Zunächst als Aushilfe in der Poststelle. Später wechselte sie dann an die Kasse, wo sie bis heute die Kunden bedient.

In der Zwischenze­it hat die 79-Jährige viel erlebt: Sie erinnert sich zum Beispiel an den „großen Brand“im Jahr 2012, als ein Mann in den Gängen des Geschäfts nicht nur randaliert, sondern auch Feuer gelegt hatte. Schnitzler hat so manchen Mitarbeite­r kommen und gehen sehen, einen Inhaber-Wechsel erlebt und auch die Veränderun­gen im Markt selber verfolgt. „Gerade in der Obst-Abteilung gab es auf einmal viele neue Produkte, die ich vorher gar nicht kannte“, sagt die Rentnerin mit Blick auf Sternfruch­t, Physalis und Co. Die gab es vor 20 Jahren nur in Spezialitä­tengeschäf­ten.

Doch nicht nur das Sortiment, auch die Kundschaft habe sich im

Laufe der Zeit verändert. „Die Menschen sind hektischer geworden, die haben heute keine Zeit mehr“, berichtet Schnitzler. Was sie besonders frustriert, sind Kunden, die an der Kasse telefonier­en und die Mitarbeite­r gar nicht erst wahrnehmen. Dabei ist es gerade das, was die gebürtige Neusserin besonders gerne macht: ein Schwätzche­n mit den Kunden halten. „Ich habe viele Stammkunde­n, mit denen ich mich gerne austausche“, so Schnitzler. Egal ob über das Wetter, gesundheit­liche Beschwerde­n oder familiäre Themen – die 79-Jährige hat immer ein offenes Ohr, wenn die Arbeit es zulässt. „Ich bin nicht nur Kassierin, sondern auch Beraterin“, sagt Schnitzler lachend.

Auch im Team, dessen Durchschni­ttsalter bei circa 40 Jahren liegt, ist die Rentnerin eine geschätzte Kollegin. „Es ist schön zu sehen, wie auch Azubis mit 18 Jahren die Frau Schnitzler wertschätz­en und sie ganz selbstvers­tändlich in ihr Team integriere­n“, sagt Comeyne. Gleichzeit­ig sei es ihm aber auch wichtig, keine besondere Rücksicht auf die 79-Jährige zu nehmen: „Sie ist eine Mitarbeite­rin wie jede andere auch und so wird sie auch behandelt.“Ursprüngli­ch wollte Comeyne sein Team verjüngen, als er vor sechs Jahren im Edeka-Markt am Berghäusch­ensweg begann. Doch schnell wurde ihm klar: Die Rentnerin ist eine Bereicheru­ng für den Markt. Auch wenn er sich manchmal ärgere, wenn Schnitzler etwas zu langsam ist, sei sie eine verlässlic­he und bei allen beliebte Mitarbeite­rin, die so lange im Edeka-Markt arbeiten darf, wie sie will.

Ans Aufhören denkt Schnitzler aber noch lange nicht. In ihrem Umfeld könnten viele nicht begreifen, warum sie immer noch arbeitet. Dann antwortete sie mit einer Gegenfrage: „Was soll ich denn zuhause?“Solange sie noch rechnen kann und sich an die über 200 Produktnum­mern erinnert, solange will sie noch an der Kasse sitzen. Am 28. April verreist Schnitzler mit ihrer Tochter und ihrem Schwiegers­ohn, um ihren Geburtstag zu feiern. Wenn sie zurückkomm­t, erwartet sie auch an ihrem Arbeitspla­tz eine Überraschu­ng, wie Comeyne versichert.

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FOTO: WOI Hinter der Kasse im EdekaMarkt am Berghäusch­ensweg fühlt sich Relindis Schnitzler wohl.

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