Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Zwischen Spuk-Hotel und Berg-Romantik
Einst stieg David Münch in Neuss aufs Fahrrad, um eine rund dreijährige Weltreise zu erleben. Nun begab sich der 39-Jährige auf sein nächstes Abenteuer – das ihn in die schottischen Highlands führte.
NEUSS/SCHOTTLAND Fernweh ist eine „Krankheit“, gegen die es nur eine Medizin gibt: Reisen. Das weiß David Münch wie kein Zweiter. Im Januar 2019 begab sich der Neusser mit seinem Fahrrad auf Weltreise. Drei Jahre lang war vor allem das Zelt sein Zuhause. Der 39-Jährige steht zwar mittlerweile wieder fest im Berufsleben – seine Abenteuerlust ist aber geblieben. Nun nahm er sich zwei Wochen Zeit, um ein lange gestecktes Ziel zu erkunden.
David Münch war schon des Öfteren beruflich in Schottland. Allerdings hatte er bisher immer nur Glasgow gesehen und nie die Zeit gehabt, sich zum Beispiel die bekannte Stadt Edinburgh anzuschauen – geschweige denn die beeindruckenden Highlands. Bereits auf seiner Welt-Reise wollte der Neusser eigentlich ganz Großbritannien (im Anschluss an seinen Aufenthalt in Island) erkunden. Dieser Plan fiel allerdings den vielen Einreisebeschränkungen während der Corona-Pandemie zum Opfer. Für seinen Schottland-Trip hatte sich Münch nun zwei Wochen Zeit genommen. „Ich wäre gerne von hier aus losgefahren, um nach Schottland zu kommen, aber ich bin mittlerweile wieder an Urlaubstage gebunden und zeitlich eingeschränkt“, sagt er.
Also macht sich David Münch mit dem Flugzeug auf in Richtung Edinburgh. Mit seinem Fahrrad als Sportgepäck in einem speziellen Karton. Diesmal wählt er allerdings ein anderes Gefährt als bei seiner Weltreise – ein sogenanntes Gravelbike, das lediglich 10,4 Kilogramm wiegt. Das sind fast acht Kilo weniger, als sein altes Trekking-Fahrrad auf die Waage bringt. Am Lenker befestigt er seinen Schlafsack, zusätzlich zur Rahmentasche befinden sich am Gepäckträger zwei kleine Fahrradtaschen – oben drauf kommt das Zelt. „Ich hatte mit Verpflegung circa 17 Kilogramm Zuladung zu meinem Fahrrad“, erinnert er sich.
Nach zwei Tagen Edinburgh, wo Münch abends die Livemusik in den Bars genießt, macht sich der Abenteurer direkt auf den Weg in die Highlands. Ist der erste Tag noch geprägt von stadtnahem Autoverkehr, entspannt sich die Lage an Tag zwei zunehmend und es geht zum „Loch Lomond“– dem nach Fläche größten See Schottlands und Großbritanniens. „Zuerst wollte ich östlich den See entlangfahren, aber davon wurde mir abgeraten, da ich teilweise mein Fahrrad hätte tragen müssen und der Weg eher für Wanderer geeignet wäre. Also schipperte ich mit einer kleinen Fähre über Loch Lomond“, so der Neusser, der zum damaligen Zeitpunkt noch nicht wusste, dass ihm abends das Fürchten gelehrt werden sollte.
Nachdem er sein Zelt aufgebaut hat, trifft er am Campingplatz eine Gruppe Reisende, mit denen der 39-Jährige kurz darauf zu einem nahe gelegenen Hotel geht, um etwas zu trinken: Wie sich herausstellt, soll es in diesem Gebäude spuken. „Tatsächlich sah es innen sehr urig und gruselig aus. Der Wirt erzählte, dass Menschen dorthin kommen, um mit Geistern zu kommunizieren.“
Auch wenn sich das Wetter teilweise von seiner ungemütlichen Seite zeigt, genießt David Münch die schönen Landschaften, in denen einst Szenen für Filme wie Braveheart und Harry Potter gedreht wurden. Auch Touren durch braune Moorlandschaften stehen auf dem Programm. Als der Neusser die Fähre nach Isle of Skye nimmt, hat er bereits ein paar sportliche Tage hinter sich, in denen er jeweils rund 90 Kilometer zurücklegte und täglich 800 Höhenmeter hinter sich ließ. Auf Isle auf Skye – die zu den Inneren Hebriden Schottlands gehört – findet David Münch einen perfekten Zeltplatz. „Vor mir war das Meer mit den schönen Hügeln des Festlandes und hinter mir waren schöne alte Bäume. Es nieselte ein wenig, sonst hätte ich gerne ein Feuer gemacht, aber ich genoss trotzdem die Aussicht von meinem
Vorzelt aus“, sagt er.
Nachdem er die sehenswerten Küstenstreifen hinter sich lässt, erreicht er einen Weg, der ganz nördlich von Skye zu einer Hütte führt, in der man umsonst übernachten kann. Die Route erweist sich allerdings als Herausforderung. So muss er sein Fahrrad hochkant durch ein Tor transportieren, viel schieben und auch ein bisschen tragen. Die Arbeit lohnt sich aber: Die Hütte hat insgesamt drei Schlafplätze und einen Raum, aus dem man einen Panoramablick auf die Küste hat. Münch hat alles für sich alleine und macht es sich gemütlich, während draußen in der Nacht ein heftiger Sturm wütet. Dieser wird in den nächsten zwei Tagen so stark, dass der Neusser in dem Ort Portree pausieren muss.
Nachdem sich der leidenschaftliche Radler am schönen Anblick vom Eilean Donan Castle erfreut, findet er auch noch eine kleine Destille, in der er sich Zeit für ein kleines Whiskey-Tasting nimmt. Eine kleine Flasche passt sogar in seine Fahrradtasche. Die nächsten Tage sind erneut geprägt von Regen und Sturm. Dies hindert den Neusser aber nicht daran, Loch Lochy zu sehen und sich dort an einem neuen Fahrradweg mit einer herrlichen Aussicht zu erfreuen. Abends macht er sich ein Lagerfeuer mit trockenem Holz, das er zuvor in einem Dorf für zwei Pfund kaufte. Auch der darauffolgende Abend wird ein Erlebnis: So ist der 39-Jährige der einzige Gast in einem Hostel. Der Inhaber namens Lee macht direkt den Kamin an, damit der Neusser seine Sachen trocknen kann. Nach einer heißen Dusche wird er dann auch noch mit einer großen Portion Curry überrascht.
Auf einem gut ausgebauten Fahrradweg geht es am Tag danach zurück in die Zivilisation, zurück nach Edinburgh. „Es war eine schöne Reise mit schönen Landschaften, tollen Begegnungen mit den Menschen vor Ort, die alle sehr freundlich und hilfsbereit waren. Und es tat einfach mal wieder gut, auf dem Fahrrad zu sitzen, verträumt durch die Gegend zu fahren und abends ein schönes Plätzchen zum Übernachten in der Natur zu finden“, resümiert David Münch. Und somit endet das nächste Abenteuer auf seiner mittlerweile langen Liste, hinter das der Neusser ein Häkchen setzen kann – aber bestimmt nicht das letzte.