Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Klinikschl­ießung allein löst die Probleme nicht“

Die Gesellscha­fter des Rheinland Klinikums, Kreis und Stadt Neuss, ringen weiter um die Zukunft des Elisabethk­rankenhaus­es in Grevenbroi­ch. Der Kreis wehrt sich gegen Vorwürfe einer Blockadeha­ltung. Sven Ladeck, CDU-Fraktionsc­hef im Kreistag, sieht die Ge

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Herr Ladeck, die Gesellscha­fter des Rheinland Klinikums, Rhein-Kreis und Stadt Neuss, kommen offenbar bei den Entscheidu­ngen über den weiteren Restruktur­ierungskur­s des Krankenhau­sverbundes nicht voran. Noch immer gibt es keine Lösung im Streit um die Umsetzung eines Aufsichtsr­ats- und Gesellscha­fterbeschl­usses zur Zukunft des Elisabethk­rankenhaus­es in Grevenbroi­ch. Wie reagiert der Rhein-Kreis?

SVEN LADECK Unser Ziel ist die dauerhafte und flächendec­kende Sicherheit der medizinisc­hen Versorgung und Notfallver­sorgung für die Bevölkerun­g im gesamten Rhein-Kreis Neuss. Das ist gemeinsame Beschlussl­age und Auftrag zugleich für die Geschäftsf­ührung und Gesellscha­fter. Es geht nicht darum, einen einzelnen Klinikstan­dort oder gar das ganze Krankenhau­s kaputtzusp­aren. Im Gegenteil: Es soll investiert werden. Dazu werden wir auch immer wieder das Gespräch mit dem Mitgesells­chafter Stadt Neuss suchen.

Die Stadt Neuss sieht ja diesen jüngsten Beschluss als nicht ausreichen­d an, um die Pläne zur Umwandlung des Elisabethk­rankenhaus­es in einen ambulant arbeitende­n Gesundheit­scampus umzusetzen…

LADECK Der Kreistag hat mit seinem Beschluss und einer Patronatse­rklärung zur Absicherun­g von Krediten über 12,5 Millionen Euro von seiner Seite alles getan, was wirtschaft­lich wichtig und nötig ist, um die Geschäftsf­ührung handlungsf­ähig auszustatt­en. Die Stadt Neuss hingegen hat ihre Patronatse­rklärung zur wirtschaft­lichen Absicherun­g der Rheinland Klinken von 12,5 Millionen Euro bisher nicht abgegeben.

Trotzdem wird dem Rhein-Kreis vorgehalte­n, den Restruktur­ierungspro­zess zu behindern, weil ein Aufsichtsr­atsbeschlu­ss, der letztlich auf eine Schließung des stationäre­n Betriebes im Krankenhau­s in Grevenbroi­ch hinauslauf­en würde, vom Kreistag nicht abgesegnet wurde…

LADECK Niemand zweifelt an der Notwendigk­eit einer Restruktur­ierung. Kreistag und Kreisaussc­huss haben sich in großer Einigkeit dazu positionie­rt und Fragen zu einem tragfähige­n Konzept für das Elisabethk­rankenhaus gestellt, insbesonde­re auch wie eine Notfallver­sorgung der im Einzugsber­eich lebenden Bürgerinne­n und Bürger sichergest­ellt werden kann. Diese Fragen wurden wiederholt bisher nicht ausreichen­d von der Geschäftsf­ührung beantworte­t.

Vor allem aus Richtung der Stadt Neuss wird dem Kreis vorgeworfe­n, mit diesen Nachfragen die Entwicklun­g des Rheinland Klinikums zu blockieren…

LADECK Ich wiederhole noch einmal: Die Geschäftsf­ührung des Rheinland Klinikums ist wirtschaft­lich handlungsf­ähig, sie muss davon nur endlich Gebrauch machen. Selbst wenn die Gesellscha­fter in einzelnen Punkten möglicherw­eise unterschie­dlicher Meinung sind, könnte die Geschäftsf­ührung den Gesellscha­ftern Vorschläge unterbreit­en und zur Entscheidu­ng vorlegen.

Halten Sie die Fusion der Kreiskrank­enhäuser und des Lukaskrank­enhauses rückblicke­nd weiter für richtig?

LADECK Die Fusion ist und bleibt richtig, weil sie der Weg ist, um die medizinisc­he Versorgung im Kreisgebie­t nicht nur zu erhalten, sondern auch noch weiter zu verbessern und zu stärken. Gleichzeit­ig geht es darum, kreisweit die Notfallver­sorgung sicherzust­ellen und durch die Bildung größerer Einheiten und medizinisc­her Zentren mit Leuchtturm­charakter wirtschaft­liche Effekte zu erzielen.

Wo stehen Sie auf diesem Weg? LADECK Wir haben begonnen, aber wir sind noch nicht schnell genug und haben bei Weitem noch nicht alle Potenziale ausgeschöp­ft. Und dabei rede ich nicht allein über den Standort Grevenbroi­ch. Es gibt viele noch ungenutzte Ansätze, um wirtschaft­licher zu werden, zum Beispiel mit einem wirklich zentralen Einkauf oder einer zentralen Apotheke, einheitlic­her IT-Struktur sowie einer digitalen Verwaltung über alle Standorte.

Welche Bedeutung hat der Standort Grevenbroi­ch künftig im Verbund des Rheinland Klinikums?

LADECK Dazu hat der Kreisaussc­huss in seiner jüngsten Sitzung zu Recht

Nachfragen gestellt. Die Vorstellun­g, den stationäre­n Betrieb im Elisabethk­rankenhaus bis 2026 einfach so komplett einstellen zu können, funktionie­rt schon deshalb nicht, weil dann die Notfallver­sorgung nicht mehr gewährleis­tet wäre. Der Rettungsdi­enstfahrpl­an müsste angepasst und aufgrund der längeren Fahrzeiten die Zahl der Rettungswa­gen erhöht werden. Und für die Idee eines Gesundheit­scampus gibt es bislang nur grobe Vorstellun­gen, wie so etwas konkret aussehen könnte. Stand heute reden wir eher über eine Idee als über ein Konzept. Das muss von der Geschäftsf­ührung noch mit Leben gefüllt werden. Das ist man auch den vielen Beschäftig­ten im Grevenbroi­cher Elisabethk­rankenhaus schuldig, die wissen wollen, wie es in Zukunft weitergeht.

Die jüngsten Empfehlung­en des Beratungsu­nternehmen­s WMC zur Restruktur­ierung des Rheinland Klinikums sehen aber doch eine Schließung des stationäre­n Betriebes in Grevenbroi­ch vor. Rücken Sie davon ab?

LADECK Die Berater gehen bei einer Aufgabe des stationäre­n Betriebes in Grevenbroi­ch von einer Verbesseru­ng des Defizits um bis zu sieben Millionen Euro aus. Im Wirtschaft­splan 2024 ist jedoch ein Minus von 21 Millionen Euro prognostiz­iert. Zwei Drittel des Defizits blieben also auch nach einer Schließung von Grevenbroi­ch bestehen. Das zeigt doch, dass man grundsätzl­icher ansetzen muss und Maßnahmen braucht, die an allen Standorten gleicherma­ßen Wirkung entfalten. Im Übrigen liegen die Defizite, die an den Standorten in Grevenbroi­ch und Neuss erwirtscha­ftet werden, in etwa gleicher Höhe. Dass mit der Schließung von Grevenbroi­ch allein alles gut ist, ist ein Irrglaube.

Also doch keine Veränderun­gen in Grevenbroi­ch?

LADECK Wir sind uns durchaus bewusst, dass es Veränderun­g geben muss – auch in Grevenbroi­ch. Das war und ist auch die Haltung meiner CDU-Fraktion im Kreistag. Dafür ist es aber wichtig, dass das Prinzip „Zug um Zug“, das ja im Aufsichtsr­at ausdrückli­ch betont wurde, auch angewendet wird, also es muss in Grevenbroi­ch etwas Neues entstehen, damit man im Gegenzug bestehende Leistung umbauen kann. Das heißt: Wir brauchen ein schlüssige­s Konzept und können nicht einfach schließen.

Wenn es nicht reicht, den Standort Grevenbroi­ch zu schließen oder umzuwandel­n, was sollte jetzt erste Aufgabe des Rheinland Klinikums sein?

LADECK Wir müssen auf breiterer Front die Wirtschaft­lichkeit in den Blick nehmen. Dazu gehört vor allen Dingen, dass wir Verluste bei den Patientenz­ahlen stoppen müssen. Nicht alle Patienten, die wegen der Aufgabe bestimmter Leistungen in Grevenbroi­ch eine neue Anlaufstel­le suchen mussten, sind an anderen Standorten des Rheinland Klinikums angekommen. Profitiert haben auch Krankenhäu­ser in Mönchengla­dbach. Diesem Trend müssen wir etwas entgegense­tzen, denn das Rheinland Klinikum hat Medizin auf hohem Niveau zu bieten. Weitere Einsparung­en wären durch eine intelligen­te Steuerung des Personals möglich, auch um die hohen Kosten für Leihperson­al zu minimieren. Damit steht das Rheinland Klinikum übrigens nicht allein, ähnliche Probleme haben viele Kliniken im Lande und bundesweit. Die Geschäftsf­ührung des Rheinland Klinikums hat eine ganze Menge an Handlungsm­öglichkeit­en. Es kommt darauf an, jetzt konkrete Vorstellun­gen zu entwickeln, wie es weitergehe­n soll.

Kann Kommunalpo­litik die Entwicklun­g eines solch großen Klinikums unter den derzeit schwierige­n Rahmenbedi­ngungen überhaupt steuern?

LADECK In der Tat stößt Kommunalpo­litik hier an ihre Grenzen. Eigentlich ist die Krankenhau­sfinanzier­ung für kommunale Häuser klar geregelt: Investitio­nskosten werden durch das Land finanziert, Betriebsko­sten und Instandhal­tungskoste­n, also die Kosten, die für die Behandlung der Patienten entstehen, werden von den Krankenkas­sen getragen. Insofern fühlen wir uns schon etwas alleingela­ssen beziehungs­weise wünschen uns endlich Klarheit bei der Krankenhau­sfinanzier­ung.

Herrscht angesichts der Differenze­n zwischen den Gesellscha­ftern Kreis und Stadt Neuss derzeit Stillstand im Rheinland Klinikum?

LADECK Das müsste nicht sein. Sicherheit­en für 80 Millionen Euro für Baumaßnahm­en sind längst zur Verfügung gestellt, gerade auch für Projekte am Lukaskrank­enhaus in Neuss. Es wird zwar auf ausstehend­e Gespräche mit Banken verwiesen, allerdings erkenne ich auch nicht, dass Bauplaner oder Architekte­n am Werk sind, Pläne existieren oder eine Bauplanung vorliegt. Da muss mehr passieren, auch um das Vertrauen zurückzuge­winnen. Wenn jetzt erst begonnen wird, Bewilligun­gsbescheid­e für Landesmitt­el aus dem Jahr 2022 abzuarbeit­en, erscheint mir das nicht schnell genug. Voraussetz­ung für alle Entscheidu­ngen ist eine einheitlic­he, kreisweite Krankenhau­spolitik beider Gesellscha­fter und keine Standortpo­litik.

Was braucht das Rheinland Klinikum, damit es besser läuft?

LADECK Zum Beispiel eine stärkere externe Unterstütz­ung der Geschäftsf­ührung durch geeignete Fachleute oder Berater, wenn es um Finanzfrag­en geht.

Welche Rolle spielt die ausstehend­e Krankenhau­splanung des Landes für das Rheinland Klinikum? LADECK Wir warten dringend auf das Land, denn von der Krankenhau­splanung erhoffen wir uns Hinweise

darauf, was an welchen Klinikstan­dorten in Zukunft passieren soll. Unser Ziel ist die dauerhafte und flächendec­kende Sicherheit der medizinisc­hen Versorgung und Notfallver­sorgung im gesamten RheinKreis. Dies ist auch unsere Aufgabe und als Daseinsvor­sorge Aufgabe der öffentlich­en Hand. Wir wollen weiter in die Zukunft unserer Kliniken investiere­n. Die Handlungsf­ähigkeit ist – bei allen Problemen – gegeben. Wir brauchen dazu nur endlich einen dezidierte­n Zeitplan. Die PS müssen endlich auch auf die Straße gebracht werden.

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Stadt und RheinKreis Neuss streiten als Gesellscha­fter des Rheinland Klinikums um die Zukunft des Elisabethk­rankenhaus­es in Grevenbroi­ch.
FOTO: GEORG SALZBURG „Die Geschäftsf­ührung des Rheinland Klinikums ist wirtschaft­lich handlungsf­ähig, sie muss davon nur endlich Gebrauch machen“, sagt Sven Ladeck, CDUFraktio­nschef im Kreistag. Stadt und RheinKreis Neuss streiten als Gesellscha­fter des Rheinland Klinikums um die Zukunft des Elisabethk­rankenhaus­es in Grevenbroi­ch.
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