Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Schüler tauschen Klassenzimmer gegen Zirkuszelt
Auf den Schulhöfen der Grundschulen in Norf und Hoisten hieß es in dieser Woche: „Manege frei!“Denn der Unterricht wurde im Rahmen einer Projektwoche ins Zirkuszelt verlegt.
NEUSS Im Klassenraum der 4a sitzen die Kinder gespannt im Kreis. Sie haben einen besonderen Gast an der Richard-Schirrmann-Grundschule in Hoisten. Edwina Sperlich vom Circus Gerhard Sperlich hat ihnen gerade eine Textzeile genannt, die jedes Kind laut nachsprechen soll – die passende Gestik inklusive: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kinder“– mit diesem Satz beginnt der Sketch für den Clara und Vincent ausgewählt wurden. „Ihr seid die Wilhelm-Tell-Clowns“, entscheidet die 35-jährige Tochter des Hauses.
Bereits zum vierten Mal hat der Circus Gerhard Sperlich sein Zelt auf dem Schulhof in Hoisten aufgeschlagen und ist mit seinen Wohnwagen auf dem Schulgelände „untergekommen“. Florina und Gerhard Sperlichs touren als „älteste Zirkusfamilie Deutschlands“seit gut 34 Jahren durchs Land und gelten als Erfinder der Zirkus-Erlebnispädagogik. Inzwischen ist mit Anthony und Aliyah, Giorgio und Jonah, ihren Enkeln, die zehnte Generation im Einsatz in der Manege. „Dank der großzügigen finanziellen Unterstützung durch unseren Förderverein, Spenden der VR-Bank Neuss und natürlich den Verkauf der Eintrittskarten, können wir diese besondere Woche für alle unsere Schüler erneut realisieren,“freut sich Schulleiter Adi Leweke.
Anthony Sperlich hat nach seinem Schulabschluss die Leitung der Artistengruppe „Feuer und Fakir“übernommen. Mara aus der vierten
Klasse hat sich für diese Gruppe entschieden, weil sie „hofft, dass das am meisten Spaß macht“. Gerade betritt sie mit nackten Füßen mutig einen Teppich auf dem echten Scherben ausgebreitet sind – eine der Nummern, mit denen sie und die anderen Fakire die je 300 Zuschauer bei den vier Vorstellungen begeistern werden.
Ihre Mutter Lydia Küpper ist, abwechselnd mit ihrem Mann Holger, als unterstützendes Elternteil im Einsatz: „Unsere Große hat die Zirkus-Projektwoche auch erleben dürfen und spricht noch heute davon – das bleibt fürs Leben,“so die begeisterte Hoistenerin. Auch Jörg Schulz, dessen Tochter Elise sich bei den Akrobaten in der Turnhalle auf den großen Auftritt in der Manege vorbereitet, ist „Wiederholungstäter aus Überzeugung“. Bereits bei seinem Sohn hat er bei der Umsetzung des Großprojektes geholfen: „Es ist total spannend zu sehen, wie die Kinder ohne Vorkenntnis innerhalb kürzester Zeit lernen, sich zu präsentieren, als Gruppe zusammenwachsen, Selbstvertrauen gewinnen und neue Fertigkeiten entdecken,“bringt er seine Begeisterung auf den Punkt.
Dass „die Zirkuswoche ohne die großartige Elternunterstützung nicht umzusetzen wäre,“bestätigt auch Sabine Hoffmann, Konrektorin der St. Andreasschule in Norf. Denn auch 240 Kinder ihrer Schule freuten sich in dieser Woche über einen vergnüglichen Besuch des Kölner Spielecircus. „Das ist ein ganz besonderes Gemeinschaftserlebnis für die Schüler, das Kollegium und die Eltern und Familien,“erklärt Schulleiterin Judith HemkendeisFlaskamp. Auch hier kommt der Zirkus alle vier Jahre, sodass jeder
Schüler während seiner Schullaufbahn die Möglichkeit zur Teilnahme hat. Skadi Kautz und Markus Krökel sind als Diplom-Sportlehrer für den kulturpädagogischen Verein im Einsatz und haben die zirkuspädagogischen Grundlagen den beteiligten Eltern und Lehrern vorab in einer Fortbildung vermittelt.
In Hoisten erlebt die Lehrerin Tina Wolfertz die Zirkuswoche zum ersten Mal und ist hingerissen: „Schon
beim Betreten des Zirkuszeltes haben die Schüler gespürt, dass nun etwas ganz Besonderes passiert,“so die Klassenlehrerin der 1b. „Alle waren schon vorher sehr gespannt und aufgeregt und sind nun ganz Ohr bei den einführenden Worten.“Die Artistengruppen sind jahrgangsgemischt und der „Zirkus-Effekt“hallt positiv nach, wie Adi Leweke aus Erfahrung weiß: „Für das WirGefühl der Schulgemeinschaft ist diese Woche von besonderer Bedeutung und für das individuelle Kind ist es ein nachhaltiges Erlebnis und eine tolle Erinnerung an die Grundschulzeit.“Aber vor allem, und da sind sich alle Artisten, Lehrer und Eltern in Hoisten und Norf einig, macht die Zirkuswoche riesigen Spaß.