Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Um 5 Uhr donnern die ersten Lkw durchs Dorf
Tausende Fahrzeuge – darunter 40-Tonner – jeden Tag: Mitten in Barrenstein kreuzen sich zwei Kreisstraßen. Die Bewohner sind Lärm und brenzlige Situationen satt. Bei einer „Verkehrskonferenz“haben sie jetzt alle Probleme auf den Tisch gelegt. Was der Rhein-Kreis und die Stadtbetriebe sagen.
BARRENSTEIN Wenn sich Dorfbewohner über Verkehrsprobleme beschweren, dauert es meist nicht lang, bis irgendwer sagt: „Die Belastung hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.“So war es jetzt auch bei einer „Verkehrskonferenz“in Barrenstein, zu der die SPD eingeladen hatte. Das rund 800 Bewohner zählende Dorf liegt ganz im Osten des Grevenbroicher Stadtgebiets. Ihr Empfinden scheint die Barrensteiner allerdings nicht zu täuschen. Gregor Küpper, Tiefbaudezernent beim Rhein-Kreis Neuss, hat den subjektiven Eindruck der Bewohner bei der Konferenz nun mit belastbaren Zahlen unterfüttert. Demnach belegen Zählungen, dass der Verkehr in Barrenstein in den vergangenen Jahren tatsächlich zugenommen hat. Und zwar kräftig.
Wurden 2015, also vor neun Jahren, noch 3000 Autos gezählt, die täglich durch das Dorf fahren, lag die Zahl bei der jüngsten Zählung vor drei Jahren (2021) in der Spitze schon bei 5000 Autos. Dazu kommen noch circa 400 Lastwagen, die durch den Ort brausen. Das Problem: Mitten in Barrenstein gibt es eine Kreuzung, an der zwei Kreisstraßen (K10 und K31) aufeinandertreffen. Der Verkehr fließt aus allen Richtungen nach Barrenstein – und wieder aus dem Dorf heraus.
Anwohner leiden seit Jahren unter der Situation. Sie bemängeln Verkehrslärm, die Belastung für die Umwelt, das rücksichtslose Verhalten mancher Fahrer. Die ersten 40-Tonner, so mehrere Bewohner, donnern schon morgens um 5 Uhr durchs Dorf. Und sie können von vielen brenzligen Situationen berichten. Eltern können ihre Kinder nicht ruhigen Gewissens etwa zur Bushaltestelle im Dorf laufen lassen, weil sie fürchten müssen, dass sie von Fahrzeugen erfasst werden. Gerade zu den Stoßzeiten herrscht „heavy Traffic“im Ort.
In den vergangenen Jahren ist das Thema immer mal wieder aufgeploppt. Zuletzt hatte die SPD 2018 einen Antrag gestellt, mit dem erreicht werden sollte, dass ganz Barrenstein
zu einer Tempo-30-Zone erklärt wird. Und es sollte ein Durchfahrtsverbot für Lkw erteilt werden. Wie Fraktionsvorsitzender Daniel Rinkert sagte, wurde der Antrag damals von allen Ratsfraktionen mitgetragen. Nur: Passiert ist in der Folge nichts. „Den Überlegungen konnte der Rhein-Kreis Neuss damals nicht folgen“, sagte Ratsherr Philipp Bolz jetzt bei der Veranstaltung. Der Rhein-Kreis ist für die K10 und die K31 zuständig. Die Sozialdemokraten haben das Thema nun noch mal neu auf die Agenda gehoben – und neben dem Tiefbaudezernenten des Kreises auch Arnd Lufwig als Leiter des Tiefbauamtes, Monika Stirken-Hohmann als Chefin der Grevenbroicher Stadtbetriebe und Verkehrsplanerin Bettina Heyartz (ebenfalls Stadtbetriebe) eingeladen.
Die „Verkehrskonferenz“startete mit einem kurzen Rundgang durchs Dorf, an dem sich rund 70 Bürger beteiligten und bei dem etwa der Präsident der Barrensteiner Schützen, Detlef Wittig, die neuralgischen Punkte ansprach. Da wäre vor allem besagte Kreuzung an der Schützenhalle zu nennen, an der es regelmäßig zu chaotischen Situationen komme. Und dann gibt es auf der Wevelinghovener Straße noch einen Zebrastreifen, an dem jedoch längst nicht jeder anhalte, auch nicht, wenn Fußgänger die Straße überqueren wollen, so Wittig: „Das Verkehrsaufkommen im Ort ist einfach zu stark.“
Durchgängig Tempo 30 und ein Lkw-Durchfahrtsverbot rund um die Uhr – das ist der Wunsch vieler Barrensteiner. Die Hoffnung darauf musste Kreis-Dezernent Gregor Küpper den Bewohnern aber trotz des nachweislich gestiegenen Verkehrsaufkommens nehmen. Es sei nicht ohne Weiteres möglich, das
„rechtlich sauber“durchzukriegen. Der Kreis habe gemeinsam mit den Stadtbetrieben auf eine Novelle der Straßenverkehrsordnung gehofft, die den Kommunen mehr Spielraum etwa für Tempolimits geben sollte. Ein Gesetzesentwurf dazu ging auch durch den Bundestag, scheiterte jedoch am Bundesrat.
Was also tun? Monika StirkenHohmann von den Stadtbetrieben ließ zumindest ein Stück weit die Hoffnung aufkeimen, dass es doch eine Lösung „durch die Hintertür“geben könnte. Das Zauberwort lautet: Lärmaktionsplan. Zur Erstellung eines solchen Plans ist die Kommune verpflichtet. „Städte müssen berechnen lassen, wo die Belastungen am stärksten sind“, sagte StirkenHohmann nach dem Dorfrundgang bei einer Diskussionsrunde in der Schützenhalle. Die Stadt könnte, wenn bestimmte Grenzwerte gerissen werden, regelnd eingreifen, erklärte sie. Aber das gehe nur unter bestimmten Voraussetzungen.
In Bezug auf ein Lkw-Durchfahrtverbot sagte Kreis-Dezernent Gregor Küpper, dass Kreisstraßen nun mal für den überörtlichen Verkehr gedacht seien und dort entsprechend rund um die Uhr Lkw verkehren dürfen. Eine Anwohnerin konterte: In Noithausen beispielsweise gebe es ein Durchfahrtverbot für Lkw. Küpper und Stirken-Hohmann erklärten aber, dass das Verbot dort schon vor 20 Jahren eingeführt worden sei – zu einer Zeit, als es sich bei der Straße noch um eine kommunale Straße handelte. So genießt das Durchfahrtverbot für Lkw in Noithausen „Bestandsschutz“, wie Küpper erläuterte. Gleiches gilt wohl auch für einzelne Straßenabschnitte in Barrenstein, für die ein Lkw-Durchfahrtsverbot zumindest nachts gilt (von 21 bis 6 Uhr).
Ein weiterer Anwohner sagte, dass
er nicht versteht, warum das „K“vor den beiden problematischen Straßen behandelt werde „wie eine heilige Kuh in Indien“. In Mülheim an der Ruhr sei es sehrwohl möglich gewesen, den Verkehr sogar auf einer Bundesstraße in Form eines Tempolimits zu beruhigen. Er wollte wissen, warum das in Barrenstein nicht geht. Dazu erklärte Gregor Küpper, dass solche Maßnahmen etwa zur Lärmminderung als Ultimaratio greifen könnten. Dafür müssten aber Schwellenwerte gerissen werden – und es müssten alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft sein. Küpper zeigte sich da mit Blick auf Barrenstein skeptisch.
Monika Stirken-Hohmann verdeutlichte, wie wichtig Rechtssicherheit ist, und erinnerte daran, dass die Tempo-30-Zone an der Rheydter Straße in Grevenbroich (nahe der Erich-Kästner-Grundschule) vor wenigen Jahren von einem Gericht kassiert worden war. In der Konsequenz musste die Stadt die 30er-Schilder abhängen.
„Die“Lösung für die Verkehrsprobleme in Barrenstein konnte bei der Diskussion im Schützenhaus letztlich nicht gefunden werden. Die Versammlung hat aber – und das unterstrich SPD-Politiker Holger Holzgräber gegen Ende – zwei eindeutige Prüfaufträge formuliert: So soll geprüft werden, ob im Dorf ein zweiter Zebrastreifen eingerichtet werden kann. Und es soll geprüft werden, ob an der Kreuzung an der Schützenhalle eine Fußgängerampel installiert werden kann.