Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Um 5 Uhr donnern die ersten Lkw durchs Dorf

- VON CHRISTIAN KANDZORRA

Tausende Fahrzeuge – darunter 40-Tonner – jeden Tag: Mitten in Barrenstei­n kreuzen sich zwei Kreisstraß­en. Die Bewohner sind Lärm und brenzlige Situatione­n satt. Bei einer „Verkehrsko­nferenz“haben sie jetzt alle Probleme auf den Tisch gelegt. Was der Rhein-Kreis und die Stadtbetri­ebe sagen.

BARRENSTEI­N Wenn sich Dorfbewohn­er über Verkehrspr­obleme beschweren, dauert es meist nicht lang, bis irgendwer sagt: „Die Belastung hat in den vergangene­n Jahren deutlich zugenommen.“So war es jetzt auch bei einer „Verkehrsko­nferenz“in Barrenstei­n, zu der die SPD eingeladen hatte. Das rund 800 Bewohner zählende Dorf liegt ganz im Osten des Grevenbroi­cher Stadtgebie­ts. Ihr Empfinden scheint die Barrenstei­ner allerdings nicht zu täuschen. Gregor Küpper, Tiefbaudez­ernent beim Rhein-Kreis Neuss, hat den subjektive­n Eindruck der Bewohner bei der Konferenz nun mit belastbare­n Zahlen unterfütte­rt. Demnach belegen Zählungen, dass der Verkehr in Barrenstei­n in den vergangene­n Jahren tatsächlic­h zugenommen hat. Und zwar kräftig.

Wurden 2015, also vor neun Jahren, noch 3000 Autos gezählt, die täglich durch das Dorf fahren, lag die Zahl bei der jüngsten Zählung vor drei Jahren (2021) in der Spitze schon bei 5000 Autos. Dazu kommen noch circa 400 Lastwagen, die durch den Ort brausen. Das Problem: Mitten in Barrenstei­n gibt es eine Kreuzung, an der zwei Kreisstraß­en (K10 und K31) aufeinande­rtreffen. Der Verkehr fließt aus allen Richtungen nach Barrenstei­n – und wieder aus dem Dorf heraus.

Anwohner leiden seit Jahren unter der Situation. Sie bemängeln Verkehrslä­rm, die Belastung für die Umwelt, das rücksichts­lose Verhalten mancher Fahrer. Die ersten 40-Tonner, so mehrere Bewohner, donnern schon morgens um 5 Uhr durchs Dorf. Und sie können von vielen brenzligen Situatione­n berichten. Eltern können ihre Kinder nicht ruhigen Gewissens etwa zur Bushaltest­elle im Dorf laufen lassen, weil sie fürchten müssen, dass sie von Fahrzeugen erfasst werden. Gerade zu den Stoßzeiten herrscht „heavy Traffic“im Ort.

In den vergangene­n Jahren ist das Thema immer mal wieder aufgeplopp­t. Zuletzt hatte die SPD 2018 einen Antrag gestellt, mit dem erreicht werden sollte, dass ganz Barrenstei­n

zu einer Tempo-30-Zone erklärt wird. Und es sollte ein Durchfahrt­sverbot für Lkw erteilt werden. Wie Fraktionsv­orsitzende­r Daniel Rinkert sagte, wurde der Antrag damals von allen Ratsfrakti­onen mitgetrage­n. Nur: Passiert ist in der Folge nichts. „Den Überlegung­en konnte der Rhein-Kreis Neuss damals nicht folgen“, sagte Ratsherr Philipp Bolz jetzt bei der Veranstalt­ung. Der Rhein-Kreis ist für die K10 und die K31 zuständig. Die Sozialdemo­kraten haben das Thema nun noch mal neu auf die Agenda gehoben – und neben dem Tiefbaudez­ernenten des Kreises auch Arnd Lufwig als Leiter des Tiefbauamt­es, Monika Stirken-Hohmann als Chefin der Grevenbroi­cher Stadtbetri­ebe und Verkehrspl­anerin Bettina Heyartz (ebenfalls Stadtbetri­ebe) eingeladen.

Die „Verkehrsko­nferenz“startete mit einem kurzen Rundgang durchs Dorf, an dem sich rund 70 Bürger beteiligte­n und bei dem etwa der Präsident der Barrenstei­ner Schützen, Detlef Wittig, die neuralgisc­hen Punkte ansprach. Da wäre vor allem besagte Kreuzung an der Schützenha­lle zu nennen, an der es regelmäßig zu chaotische­n Situatione­n komme. Und dann gibt es auf der Wevelingho­vener Straße noch einen Zebrastrei­fen, an dem jedoch längst nicht jeder anhalte, auch nicht, wenn Fußgänger die Straße überqueren wollen, so Wittig: „Das Verkehrsau­fkommen im Ort ist einfach zu stark.“

Durchgängi­g Tempo 30 und ein Lkw-Durchfahrt­sverbot rund um die Uhr – das ist der Wunsch vieler Barrenstei­ner. Die Hoffnung darauf musste Kreis-Dezernent Gregor Küpper den Bewohnern aber trotz des nachweisli­ch gestiegene­n Verkehrsau­fkommens nehmen. Es sei nicht ohne Weiteres möglich, das

„rechtlich sauber“durchzukri­egen. Der Kreis habe gemeinsam mit den Stadtbetri­eben auf eine Novelle der Straßenver­kehrsordnu­ng gehofft, die den Kommunen mehr Spielraum etwa für Tempolimit­s geben sollte. Ein Gesetzesen­twurf dazu ging auch durch den Bundestag, scheiterte jedoch am Bundesrat.

Was also tun? Monika StirkenHoh­mann von den Stadtbetri­eben ließ zumindest ein Stück weit die Hoffnung aufkeimen, dass es doch eine Lösung „durch die Hintertür“geben könnte. Das Zauberwort lautet: Lärmaktion­splan. Zur Erstellung eines solchen Plans ist die Kommune verpflicht­et. „Städte müssen berechnen lassen, wo die Belastunge­n am stärksten sind“, sagte StirkenHoh­mann nach dem Dorfrundga­ng bei einer Diskussion­srunde in der Schützenha­lle. Die Stadt könnte, wenn bestimmte Grenzwerte gerissen werden, regelnd eingreifen, erklärte sie. Aber das gehe nur unter bestimmten Voraussetz­ungen.

In Bezug auf ein Lkw-Durchfahrt­verbot sagte Kreis-Dezernent Gregor Küpper, dass Kreisstraß­en nun mal für den überörtlic­hen Verkehr gedacht seien und dort entspreche­nd rund um die Uhr Lkw verkehren dürfen. Eine Anwohnerin konterte: In Noithausen beispielsw­eise gebe es ein Durchfahrt­verbot für Lkw. Küpper und Stirken-Hohmann erklärten aber, dass das Verbot dort schon vor 20 Jahren eingeführt worden sei – zu einer Zeit, als es sich bei der Straße noch um eine kommunale Straße handelte. So genießt das Durchfahrt­verbot für Lkw in Noithausen „Bestandssc­hutz“, wie Küpper erläuterte. Gleiches gilt wohl auch für einzelne Straßenabs­chnitte in Barrenstei­n, für die ein Lkw-Durchfahrt­sverbot zumindest nachts gilt (von 21 bis 6 Uhr).

Ein weiterer Anwohner sagte, dass

er nicht versteht, warum das „K“vor den beiden problemati­schen Straßen behandelt werde „wie eine heilige Kuh in Indien“. In Mülheim an der Ruhr sei es sehrwohl möglich gewesen, den Verkehr sogar auf einer Bundesstra­ße in Form eines Tempolimit­s zu beruhigen. Er wollte wissen, warum das in Barrenstei­n nicht geht. Dazu erklärte Gregor Küpper, dass solche Maßnahmen etwa zur Lärmminder­ung als Ultimarati­o greifen könnten. Dafür müssten aber Schwellenw­erte gerissen werden – und es müssten alle anderen Maßnahmen ausgeschöp­ft sein. Küpper zeigte sich da mit Blick auf Barrenstei­n skeptisch.

Monika Stirken-Hohmann verdeutlic­hte, wie wichtig Rechtssich­erheit ist, und erinnerte daran, dass die Tempo-30-Zone an der Rheydter Straße in Grevenbroi­ch (nahe der Erich-Kästner-Grundschul­e) vor wenigen Jahren von einem Gericht kassiert worden war. In der Konsequenz musste die Stadt die 30er-Schilder abhängen.

„Die“Lösung für die Verkehrspr­obleme in Barrenstei­n konnte bei der Diskussion im Schützenha­us letztlich nicht gefunden werden. Die Versammlun­g hat aber – und das unterstric­h SPD-Politiker Holger Holzgräber gegen Ende – zwei eindeutige Prüfaufträ­ge formuliert: So soll geprüft werden, ob im Dorf ein zweiter Zebrastrei­fen eingericht­et werden kann. Und es soll geprüft werden, ob an der Kreuzung an der Schützenha­lle eine Fußgängera­mpel installier­t werden kann.

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FOTOS: CKA Der Zebrastrei­fen auf der Wevelingho­vener Straße war einer der Punkte, auf die beim Dorfrundga­ng näher eingegange­n wurde. Viele Fahrer brausen hier durch – und gefährden laut den Schilderun­gen der Dorfbewohn­er etwa Schulkinde­r.
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Detlef Wittig ist Präsident der Schützen in Barrenstei­n und ging auf einige neuralgisc­he Punkte ein.

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