Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Schüler nach Auschwitz-Besuch tief bewegt

Einmal im Jahr organisier­t Lehrer Sebastian Potschka für alle weiterführ­enden Schulen in Grevenbroi­ch eine Gedenkstät­tenfahrt.

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GREVENBROI­CH (NGZ) Die Sonne strahlt aus den fast schwarzen Regenwolke­n und wirft helles Licht auf das Mahnmal im hinteren Teil der Gedenkstät­te Auschwitz-Birkenau. Theo legt einen kleinen, beschrifte­ten Stein an der deutschspr­achigen Gedenktafe­l nieder: „Gegen das Vergessen“.

Zuvor hatte es während der fünfstündi­gen Führung durch das Stammlager und auf dem weitläufig­en Gelände von Birkenau immer wieder, teilweise heftig geregnet. Nun kommen alle 170 Teilnehmer an der Gedenkstät­tenfahrt der weiterführ­enden Schulen Grevenbroi­chs in einem Kreis zusammen und halten gemeinsam inne. In der anschließe­nden Schweigemi­nute gedenken sie den 204 jüdischen

Bürgern Grevenbroi­chs, die fast ausnahmslo­s im Holocaust ermordet wurden. Die jüngste von ihnen, Recha Katz, war gerade einmal zwei Jahre alt, als sie in Auschwitz in die Gaskammer gehen musste.

Seit 2016 machen sich Schüler, Lehrer, Eltern und Großeltern jedes Jahr freiwillig in ihrer Freizeit auf den Weg zur Gedenkstät­te im heutigen Polen. Zunächst gemeinsam mit dem Erasmus-Gymnasium, organisier­t Geschichts­lehrer Sebastian Potschka an der Diedrich-Uhlhorn-Realschule seit einigen Jahren die Fahrt gemeinsam für alle weiterführ­enden Schulen im Stadtgebie­t. In diesem Jahr gab es mit 170 Teilnehmer­n einen neuen Anmelderek­ord. Inhaltlich wird die Gedenkstät­tenfahrt

vom Geschichts­verein Grevenbroi­ch mit seinem Vorsitzend­en Ulrich Herlitz sowie finanziell von der Landesregi­erung NordrheinW­estfalen unterstütz­t.

„Es ist eine Herausford­erung, aber vielmehr noch ein kraftvolle­s Symbol gelebter Vielfalt und Gemeinscha­ft, dass sich 170 junge Menschen gemeinsam mit ihren Lehrkräfte­n und einigen Eltern, völlig unabhängig von ihrer Bildungsla­ufbahn, ihrem sozialen Status, ihrem Geschlecht, ihrer Religion oder ihrer sexuellen

Orientieru­ng freiwillig jährlich auf den weg machen und sich gegen das Vergessen einsetzen“, sagt Sebastian Potschka.

Die Gedenkstät­te besuchen bis zu 20.000 Menschen am Tag. Mit ihren abertausen­den stummen Beweisen des Massenmord­s – Schuhen, Brillen, Geschirr, Koffern, Haaren, Bildern – verfehlt sie ihre Wirkung nicht, auch bei einer Generation, deren Aufmerksam­keitsspann­e sich im Rahmen von TikTok- oder Youtube-Shorts bewegt. Ramazan fragt Stunden nach dem Besuch der Gedenkstät­te: „Ich kann es immer noch nicht verstehen. Wie kann man Leute so hassen, dass man ein Kind aus Grevenbroi­ch nach Auschwitz bringt, um es dort zu töten?“

Die Frage wirkt nach und bleibt dennoch offen. Sebastian Potschka beendet die Reflexion mit der Feststellu­ng: „Vergesst nicht: Ihr seid heute Augenzeuge­n geworden.“

„Vergesst nicht: Ihr seid heute Augenzeuge­n geworden“Sebastian Potschka Geschichts­lehrer

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FOTO: S. POTSCHKA In einer Schweigemi­nute gedachten die Schüler der Grevenbroi­cher, die im Holocaust ermordet wurden.

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