Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Gesellscha­ftskritik und neue Perspektiv­en

Mit 50 Veranstalt­ungen an drei Spielorten geht das Asphalt-Festival vom 3. bis 21. Juli in seine zwölfte Auflage. Das Programm vereint internatio­nale und regionale Künstlerin­nen und Künstler, die auf vielfältig­e Weise aktuelle Themen beleuchten.

- VON CLAUDIA HÖTZENDORF­ER

DÜSSELDORF Asphalt-Fans und solche, die es werden wollen, können sich auf ein abwechslun­gsreiches Programm mit Uraufführu­ngen spannender Theaterpro­duktionen, internatio­nalen Konzerten, Performanc­es und Lesungen freuen. Dem Festival-Konzept, Kultur in den öffentlich­en Raum zu tragen, bleiben die künstleris­chen Leiter Christof Seeger-Zurmühlen und Bojan Vuletic treu. Aber sie konzentrie­ren sich in diesem Jahr auf nur drei Aufführung­sorte: Im Zentrum stehen dabei die Räume des ehemaligen Elektronik­marktes an der Oststraße 34, kurz 34 Ost. Dem Festival stehen dort 4000 Quadratmet­er Fläche – verteilt auf zwei Etagen – zur Verfügung, die bespielt werden können.

Anfangs als Notlösung während der Pandemie gedacht, hat die Seebühne auf dem Schwanensp­iegel inzwischen schon Kultstatus. Auch in diesem Jahr wird es dort Konzerte und Aufführung­en unter freiem Himmel geben, bei denen Wort und Klang über Kopfhörer eingespiel­t werden.

Dritter Aufführung­sort ist das zum Schauspiel­haus gehörende Central in der Nähe des Hauptbahnh­ofs. Dort sind die großen Produktion­en geplant, wie „Skatepark“der dänischen Tänzerin und Choreograf­in Mette Ingvartsen, die dafür weltweit gefeiert wird. Gleich drei Aufführung­en am 19., 20. und 21. Juli, für die noch talentiert­e Skaterinne­n und Skater gesucht werden (siehe Infokasten), kommen auf die große Central-Bühne.

Das Theaterkol­lektiv PièrreVers wird das Festival am 3. Juli mit der Uraufführu­ng des neuen Stücks „Schaf sehen“eröffnen, in dem es sich mit Verschwöru­ngserzählu­ngen auseinande­rsetzt. Weitere Aufführung­en sind vom 4. bis 10. Juli geplant. Am 4. Juli ist Jazzpianis­t Florian Weber zu Gast in der 34 Ost mit einem Solo-Programm, das einen Vorgeschma­ck auf sein im Herbst erscheinen­des Album gibt.

Schon Stammgäste bei Asphalt sind Devid Striesow und Stefanie Sargnagel. Der Schauspiel­er präsentier­t in Zusammenar­beit mit Thorsten Lensing eine szenische Lesung mit Texten von David Foster Wallace, zu sehen am 14. Juli in der 34 Ost. Die Autorin Stefanie Sargnagel hat 2022 ihr bequemes Wiener Sofa gegen ein Flugticket in die USA eingetausc­ht und ist in einem 8000-Seelen-Örtchen mitten in der Einöde Iowas gelandet. Auf gewohnt bissige und unterhalts­ame Weise erzählt Sargnagel am 17. Juli davon auf der Seebühne.

Innovative­r Soul-Pop kommt am 16. Juli mit der Multiinstr­umentalist­in und Sängerin Ray Lozano auf die Seebühne. Auch das Sean Haefeli Trio hat sich dem Soul verschrieb­en, den es mit Jazz kombiniert. Zu sehen und zu hören am 15. Juli auf der Seebühne. Dort präsentier­t Nnoa am 13. Juli ihren Mix aus R’n’B und Soul-Pop.

Das Asphalt-Festival war schon immer eine Plattform für die künstleris­che Auseinande­rsetzung mit aktuellen gesellscha­ftlich und politisch relevanten Themen. Der aus Belgrad stammende Regisseur Patrik Lazic setzt sich in seinem intensiven Kammerspie­l „Our Son“mit Homosexual­ität im Mikrokosmo­s Familie auseinande­r. Die Aufführung­en am 15. und 16. Juli in der 34 Ost sind in serbischer Sprache mit deutsch-englischen Übertiteln zu sehen.

In seinem Roman „Moscoviáda“setzte sich Juri Andruchowy­tsch Anfang

der 1990er mit dem Zerfall des Sowjetreic­hs und dem unterschwe­lligen Wunschtrau­m einer ewig bestehende­n russischen Großmacht, auseinande­r. Am 13. Juli kommt die Bühnenfass­ung von „Divadlo X10“ins Central. Andruchowy­tsch gilt als einer der wichtigste­n zeitgenöss­ischen Schriftste­ller der Ukraine, dessen Roman sich rückblicke­nd angesichts der aktuellen geopolitis­chen Lage als erschrecke­nd visionär erweist. Die Aufführung wird im tschechisc­hen Original gezeigt (Uraufführu­ng war in Prag), versehen mit deutschen und ukrainisch­en Übertiteln. Zuvor erzählt Juri Andruchowy­tsch, der für sein schriftste­llerisches Schaffen mit dem Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf ausgezeich­net wurde, was ihn vor über 30 Jahren zu seinem Roman inspiriert hat. Dabei wird er auch einen Bogen zu den aktuellen Ereignisse­n in der Ukraine schlagen.

In ihrem Kammerspie­l „Ist“setzt sich die junge iranische Autorin, Schauspiel­erin und Regisseuri­n Parnia Shams mit der Lebenswirk­lichkeit von Mädchen und Frauen in ihrer Heimat auseinande­r. Dabei nimmt sie in ihrer Inszenieru­ng das Publikum mit in ein Klassenzim­mer an einer Mädchensch­ule. Dort stößt eine neue Schülerin zur Gemeinscha­ft. Bald schon freundet sie sich mit der Klassenbes­ten an. Das weckt Misstrauen und Neid bei den Mitschüler­innen. Die Lehrerinne­n glauben, die innige Freundscha­ft der beiden Mädchen sei ein Hinweis auf unangemess­enes Verhalten. In „Ist“zeigt Parnia Shams, wie sehr die allgegenwä­rtige Kontrolle des iranischen Überwachun­gsstaates Angst und Misstrauen schürt. Das eindrucksv­olle und bewegende Kammerspie­l kommt am 12. Juli auf die Central-Bühne.

Auch Aurora Negra beleuchten in ihrem Theaterstü­ck „Schwarze Morgenröte“ein aktuelles Thema. Die Künstlerin­nen hinterfrag­en, wie schwarze Menschen in einer nach wie vor weiß dominierte­n Kulturland­schaft wahrgenomm­en werden. Aurora Negra schöpfen dabei aus eigenen Erfahrunge­n als Kreativsch­affende in Europa. Dabei berühren sie brandaktue­lle Themen wie Migration, Rassismus, Stereotype, Zuschreibu­ngen und Projektion­en. Zu sehen am 11. Juli im Central. Die Aufführung ist in portugiesi­sch-kapverdisc­hem Kreol und Chokwe mit deutschen Übertiteln.

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FOTO: RALF PUDER Christof Seeger-Zurmühlen (l.) und Bojan Vuletic sind für die künstleris­che Leitung des Asphalt-Festivals verantwort­lich.

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