Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

AfD-Wahlkampf ohne Spitzenkan­didat

Nach der Festnahme eines Mitarbeite­rs wegen Agententät­igkeit soll Maximilan Krah sich erst einmal im Hintergrun­d halten.

- VON MEY DUDIN UND JANA WOLF

BERLIN Auch wenn sein Mitarbeite­r wegen des Verdachts auf Spionage für China festgenomm­en wurde: Maximilian Krah bleibt AfD-Spitzenkan­didat für die Europawahl am 9. Juni. Doch am Mittwochna­chmittag wird bekannt: Es gibt Vorermittl­ungen.

Wer ist der beschuldig­te Mitarbeite­r? Es handelt sich um Jian G., einen 43-jährigen Deutschen mit chinesisch­en Wurzeln, der schon seit 2019 für den Europaabge­ordneten gearbeitet haben soll. Am Montag wurde er in Dresden wegen des Verdachts auf Agententät­igkeit für China festgenomm­en. Ihm wird vorgeworfe­n, Informatio­nen über Verhandlun­gen im EU-Parlament weitergege­ben zu haben. Außerdem soll er chinesisch­e Opposition­elle in Deutschlan­d ausgespäht haben. G. soll sich laut ARD-Hauptstadt­studio bereits vor etwa zehn Jahren deutschen Sicherheit­sbehörden als Informant angeboten haben. Damals gab es wohl den Verdacht, dass er ein möglicher Doppelagen­t sei.

Wie hat Krah auf die Festnahme reagiert? Nach einem Krisentref­fen mit den AfD-Vorsitzend­en Alice Weidel und Tino Chrupalla trennte er sich mit sofortiger Wirkung von dem Mitarbeite­r. Überdies soll Krah am Wahlkampfa­uftakt in Donaueschi­ngen am Samstag nicht teilnehmen. „Um den Wahlkampf sowie das Ansehen der Partei nicht zu belasten“, wie es in einer Stellungna­hme hieß. Vor Journalist­en betonte Krah: „Wenn Sie jetzt aber glauben, das sei das Ende meiner Spitzenkan­didatur, dann muss ich Sie enttäusche­n. Ich bin und bleibe Spitzenkan­didat.“Allerdings gab es am Nachmittag eine Entwicklun­g, die Krah einen Strich durch die Rechnung machen könnte: Die Generalsta­atsanwalts­chaft Dresden leitete zwei Vorermittl­ungsverfah­ren gegen ihn zu möglichen Geldzahlun­gen aus russischen und chinesisch­en Quellen ein. Die Vorermittl­ungen dienen demnach allein der Prüfung, ob sich ein Anfangsver­dacht wegen eines strafbaren Verhaltens einer Abgeordnet­enbestechu­ng ergibt. Einen Zusammenha­ng mit dem Verfahren der Bundesanwa­ltschaft wegen mutmaßlich­er geheimdien­stlicher Agententät­igkeit gegen G. soll es nicht geben.

Was sagen Weidel und Chrupalla? Abgesehen von einer kurzen Stellungna­hme nicht viel. Man habe die „schwerwieg­enden Spionagevo­rwürfe gegen seinen Mitarbeite­r und die damit einhergehe­nde Rufschädig­ung erörtert“, erklärten sie:

„Jegliche Einflussna­hmen fremder Staaten durch Spionage, aber auch der Versuch, Meinungen und Positionen zu kaufen, müssen aufgeklärt und mit aller Härte unterbunde­n werden.“Bemerkensw­ert ist, dass Krah vorerst bei offizielle­n AfDTermine­n unsichtbar bleiben soll, obwohl er Europa-Spitzenkan­didat ist. Die Nummer zwei nach Krah ist übrigens Petr Bystron, der sich derzeit gegen Vorwürfe wehrt, Geld aus einem pro-russischen Netzwerk erhalten zu haben.

Wie schädlich ist diese Affäre für die AfD? Das wird sich zeigen. Der Rechtsextr­emismusexp­erte Hajo Funke sagte unserer Redaktion: „Solche Vorwürfe, auch die der Korruption, erschütter­n die vermeintli­ch weiße Weste des demokratis­chen Patrioten, die die AfD vorgibt, zu tragen.“Mit Blick auf Chrupalla und Weidel fügte er hinzu: „Wenn die Parteispit­ze jetzt kalte Füße bekommt, ist offenbar der entscheide­nde Kipppunkt erreicht.“Brandenbur­gs Innenminis­ter Michael Stübgen forderte eine deutliche Reaktion der AfD-Spitze. Der

CDU-Politiker, der auch Vorsitzend­er der Innenminis­terkonfere­nz der Länder ist, sagte unserer Redaktion: „Die AfD darf nicht als Einfallsto­r feindliche­r Mächte fungieren.“

Wie schätzt der Verfassung­sschutz die Risiken der Spionage durch China ein? Sehr groß. Der Verfassung­sschutz warnt regelrecht vor Naivität im Umgang mit China. „Wir sehen zunehmend Versuche der Einflussna­hme mit illegitime­n Mitteln auf Politik, Wirtschaft und Wissenscha­ft, aber auch klassische Spionage“, sagte der Vizepräsid­ent des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz (BfV ), Sinan Selen, am Mittwoch bei einer Veranstalt­ung. Selen richtete sich explizit an deutsche Unternehme­n. Der Verfassung­sschutz sieht sich dazu angehalten, weiter eindringli­ch zu warnen. Selen sagte, die chinesisch­e Führung sei auf dem Weg zu ihrem langfristi­gen Ziel der „Weltführer­schaft“stark interessie­rt etwa an Know-how zu Robotik, Luftund Raumfahrt sowie Automatisi­erung. China gehe es ferner darum, ein politische­s und gesellscha­ftliches Meinungsbi­ld zu prägen.

 ?? FOTO: DPA ?? Maximilian Krah nach dem Gespräch mit der AfD-Fraktionss­pitze.
FOTO: DPA Maximilian Krah nach dem Gespräch mit der AfD-Fraktionss­pitze.

Newspapers in German

Newspapers from Germany